US-Medien:Breitbart ist das Portal der Frustrierten

Lesezeit: 4 Min.

Stephen Bannon zieht mit Breitbart an die Front. (Foto: dpa)

Stephen Bannon ist zurück bei "Breitbart" und will für Präsident Trump "in den Krieg ziehen". Dabei hat die rechtspopulistische Website längst an Einfluss verloren.

Von Jürgen Schmieder

Das Verhältnis von US-Präsident Donald Trump zu seinem nun gefeuerten Chefstrategen Stephen Bannon war schon immer ein Fest für Star Wars-Metaphoriker. Bannon wird gerne als Gestalt von der dunklen Seite der Macht beschrieben, als der strippenziehende Imperator, der seinem Handlanger Darth Vader (Trump) die öffentlichen Auftritte überlässt und im Hintergrund an der Eroberung der Galaxie bastelt. Am Ende von Rückkehr der Jedi-Ritter wirft der geläuterte Darth Vader den bösen Imperator in eine tiefe Schlucht. Trump derweil ist von ideologischer Abkehr weit entfernt - und der Chefstratege ist wohlbehalten auf den Todesstern zurückgekehrt, mit dem er Trump zur Kandidatur verholfen hatte.

Bereits am Freitagabend, wenige Stunden nachdem die Nachricht von Bannons Abschied aus dem Weißen Haus die Runde gemacht hatte, leitete dieser schon wieder die Redaktionskonferenz der rechtspopulistischen Nachrichtenseite Breitbart News, was Chefredakteur Alex Marlow zu diesem Zitat veranlasste: "Die populistisch-nationale Bewegung ist heute um einiges stärker geworden." Bannon selbst beschrieb seine Rückkehr so: "Ich habe meine Hände zurück an den Waffen. Ich verlasse das Weiße Haus und ziehe für Trump gegen seine Widersacher in den Krieg."

Der Todesstern hat sich in eine harmlose Station verwandelt

Das klang martialisch, und genau so sollte es klingen. Kriegsrhetorik gefällt Bannon, er spricht gerne davon, Konflikte "nuklear eskalieren" zu lassen oder Gegner "in die Luft zu jagen" - und natürlich gefiel es ihm, dass der hochrangige Breitbart-Mitarbeiter Joel Pollak noch am Freitag die Nachricht "#WAR" beim Kurznachrichtendienst Twitter abgesetzt hatte. "Jetzt bin ich frei", sagt Bannon: "Ich habe mit Breitbart eine verdammte Maschine gebaut. Und mit dem, was ich jetzt weiß, werde ich die Maschine auf Hochtouren bringen."

Das ist, aus Bannons Sicht zumindest, dringend notwendig. Denn in den vergangenen Monaten hat sich sein Todesstern in eine recht harmlose Station verwandelt.

Weißes Haus
:Bannon, der Barbar

Ruhe wird es im Weißen Haus nicht geben: Trumps gekündigter Chefberater will "Krieg" gegen seine Gegner in Washington führen -sogar gegen die Familie des amerikanischen Präsidenten.

Von Hubert Wetzel

Am Tag nach der US-Präsidentschaftswahl im November 2016 sah das noch anders aus: Chefredakteur Marlow feierte seine Website als Königsmacher und sprach recht offen über eine Expansion nach Europa und über Wahlkampf-Unterstützung für populistische Parteien wie den Front National in Frankreich und die AfD in Deutschland. Eine Dependance in London gibt es bereits seit 2014, Bannon nannte sie damals "eine neue Front in einem kulturellen und politischen Krieg". Büroleiter Raheem Kassam, einst Berater des rechtspopulistischen Ukip-Politikers Nigel Farage, ließ sich im Juni vergangenen Jahres dafür feiern, dass das mit dem Brexit-Votum so wunderbar geklappt hatte. Man war auf Welteroberungskurs.

Tatsächlich aber ist der Einfluss von Breitbart seither rapide gesunken. Im vergangenen Monat verzeichnete Breitbart dem Institut Comscore zufolge noch 12,4 Millionen Nutzer, 32 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum und ein bisschen mehr als die Hälfte vom Höchstwert aus dem November 2016 (knapp 23 Millionen). Auch andere Nachrichtenseiten haben seit der Wahl Leser verloren (die Washington Post etwa 24 Prozent), aber nicht so massiv wie Breitbart. Eine Studie der Analysefirma MediaRadar zeigt, dass die Zahl der Firmen, die Werbung auf der Seite schalten, zwischen März und Mai von 242 auf 26 gefallen ist. Bereits nach Trumps Wahl hatte die Initiative Sleeping Giants zu einem Werbeboykott von Breitbart aufgerufen, zahlreiche Firmen schlossen sich an.

Auch um die geplanten europäischen Expansionen ist es vielsagend still geworden. Im März noch hatte der Rom-Korrespondent der Website in der Zeit zu Protokoll gegeben, dass man kurz vor der Eröffnung der deutschen Niederlassung stehe, es seien bereits Bewerbungsgespräche geführt worden. Ein paar Tage später ruderte derselbe Herr zurück: In der Zeitung Junge Freiheit erklärte er, die Expansion sei auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Auch heute ist aus dem Umfeld des Unternehmens zu hören, dass Niederlassungen in Frankreich und Deutschland vorerst nicht realisiert werden.

Obwohl eine deutsche Dependance von Breitbart nie mehr war als eine Ankündigung, sorgte die Aussicht für eine gewisse Nervosität. Breitbart positionierte sich schon vor der Kandidatur Trumps als Portal des Widerstands gegen die politische Elite, als Plattform der Frustrierten. Das Portal hatte für den Wandel gekämpft - und dass es damit erfolgreich war, könnte sein Verhängnis sein. Es ist quotenträchtiger, wütend gegen eine Regierung anzuschreiben, als das neue System zu verteidigen. Breitbart greift heute nicht mehr mit offenem Visier an, sondern versucht den Lesern fast brav und damit für Breitbart-Verhältnisse stinklangweilig zu vermitteln, dass der Brexit und Trumps Wahl doch gar keine so schlechten Entscheidungen gewesen seien. Chefredakteur Marlow sagte kürzlich der New York Times: "Versuchen wir, eine legitime Nachrichtenseite zu werden? Ja. Wir sind nun so bekannt und werden derart penibel überprüft, dass wir keine andere Wahl haben, als korrekte Geschichten zu veröffentlichen."

Podolski will juristisch gegen Breitbart vorgehen

Ganz so ist es auch wieder nicht, am Wochenende jedenfalls veröffentlichte Breitbart einen Artikel über Schleuser, die Menschen auf Jet-Skis von Gibraltar nach Spanien gebracht haben sollen. Das Foto zum Text zeigt den Fußballspieler Lukas Podolski im Urlaub. Inzwischen ist das Bild gelöscht, Breitbart hat sich entschuldigt. Podolski hat angekündigt, trotzdem juristisch gegen die Website vorzugehen.

Ob die Podolski-Nummer nun wirklich ein irrwitziger Fehlgriff war oder am Ende eine kalkulierte PR-Aktion - pünktlich zur Rückkehr Bannons dürfte auch wirklich der Letzte von der Existenz Breitbarts gehört haben. Bannon jedenfalls soll sich am vergangenen Mittwoch, zwei Tage vor seinem letzten Tag im Weißen Haus, bereits mit Robert Mercer getroffen und über eine Finanzspritze für Breitbart und die künftige Ausrichtung unterhalten haben. Der amerikanische Milliardär hat bereits zehn Millionen Dollar in den Aufbau der Nachrichtenseite investiert, angesichts der fallenden Werbeerlöse soll Mercer nun bereit sein, weitere Millionen bereitzustellen.

Geld für Bannons "Krieg", der offenbar nicht nur den Demokraten oder den linksliberalen Medien gilt, sondern auch Trump-Vertrauten wie Gary Cohn oder Jared Kushner sowie prominenten Republikanern, die Bannon für verweichlichte Drückeberger hält. Lyndon B. Johnson hat mal über den damaligen FBI-Direktor J. Edgar Hoover gesagt: "Es ist vielleicht besser, wenn wir ihn bei uns im Zelt behalten und er hinauspinkelt - als wenn er draußen steht und hereinpisst." Schon möglich, dass Trump bald ähnlich über Bannon denkt.

© SZ vom 22.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Politik und Scham
:Der Pranger als politische Waffe

Die Welt wird besser, wenn Leute öffentlich bloßgestellt werden, sagt die Wissenschaftlerin Jennifer Jacquet. Ein Interview über das politisch unterschätzte Gefühl der Scham - und warum es bei Donald Trump nicht wirkt.

Von Jakob Biazza

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: