Erstmals seit Erscheinen der ersten Ausgabe von 62 Jahren kommt der amerikanische Playboy ohne vollständig nackte Frauen in den Handel - und die Redaktion gibt sich pflichtgemäß stolz: "Wir glauben, dass man sich noch in einigen Jahren an das Titelbild der nächsten Ausgabe erinnern wird", heißt es in der Ankündigung des März-Heftes, das am 12. Februar erscheint.
Die Fotos hat der Playboy online mitgeliefert: Titelmodel und Instagram-Persönlichkeit Sarah McDaniel ist im Snapchat-/Selfie-Stil abgelichtet (Hallo, junge Internet-Männer!), mit der Schauspielerin und Schriftsteller-Urgroßenkelin Dree Hemingway posiert erstmals eine angezogene Frau auf der ausfaltbaren Mittelseite (Hemingway plus Playboy minus Nacktheit = mehr Playboy-Texte lesen?).
Und das Model Myla Dalbesio (auch sie fotografiert einige Bilder selbst) definiert, was unter "keine Nackten" zu verstehen ist: Gerne ausgezogen, aber ohne sichtbare Brustwarzen und Schambereiche (und damit innerhalb der US-Altersfreigabe ab 13 Jahren!). All das wirkt etwas natürlicher als jene Playboy-Ästhetik, die in den vergangenen Jahren den voyeuristischen Männerblick auf die neuesten Designtrends der Schönheitschirurgie lenkte.
PR und Geschäftssinn - auch dieses Mal
Als der Playboy im vergangenen Oktober die neue Züchtigkeit ankündigte, grübelten vor allem jene Männer über die Bedeutung der Zeitschrift, die in den Siebzigern aufgewachsen waren. Damals hatte das Magazin mit fast sechs Millionen Lesern seine größte Reichweite in den USA und kulturell die vielleicht größte Relevanz.
Inzwischen lesen nur noch 800 000 Menschen in den USA das Magazin und man ahnt - das sieche Röcheln der Print-Branche in den Ohren - dass eines der nächsten Denkstücke über den Playboy ein Nachruf werden dürfte: Auf den bald 90-jährigen Gründer und Viagra-Aficionado Hugh Hefner oder die US-Ausgabe des Heftes, das er 1953 auf den Markt brachte.
Schon damals mischte sich geschickte PR mit ausgeprägtem Geschäftssinn. So setzte Hefner in der ersten Ausgabe den Ton, ein Magazin für intellektuelle Lebemänner zu sein, und hob sich damit von den Schmuddelheften der damaligen Zeit ab: "Uns gefällt es, uns Cocktails und ein oder zwei Hors d'oeuvre zu machen, ein bisschen Stimmungsmusik auf dem Phonographen aufzulegen und eine weibliche Bekannte einzuladen, um in Ruhe über Picasso, Nietzsche, Jazz und Sex zu diskutieren."
Doch der Diskussion über Nietzsche ging ein kluger Schachzug voraus: Die Nacktbilder von Marilyn Monroe, die das Heft zum Verkaufsschlager machten, waren Jahre zuvor aufgenommen worden, als die Monroe noch unbekannt war und Geld brauchte. Hefner war am Ende der einzige Verleger, der nicht vor der drohenden Zensur im prüden Amerika zurückschreckte und die Bilder dem Fotografen abkaufte.
"Der Kampf ist vorbei und wurde gewonnen", erklärte jüngst Playboy-CEO Scott Flanders. Im Playboy-Narrativ war der Ausbau des Geschäfts immer vor allem ein Feldzug gegen die Prüderie. Fragliche Pionierleistungen in der ästhetisch umrahmten Objektivierung von Frauen wurden so zum Teil einer sexuellen Revolution, als deren Pate sich Hefner sieht. In diesem Altherren-Bezugssystem ohne Update-Funktion dürfte er sich, nachdem der Erfolg seines Unternehmens ihm über Jahrzehnte junge Models als Sexpartner zuführte, als Gewinner dieser Revolution fühlen.
Und so ist natürlich auch der neueste Schachzug eine geschickt verpackte Marken-Geschichte: Die Erfolgsaussichten des "neuen" Playboy-Magazins sind so groß wie Hugh Hefners Wiedererkennungswert, würde er seinen Bademantel plötzlich gegen einen Rentner-Anzug aus braunem Cord eintauschen. In einer Welt, in der das Internet sowohl Sexvideos in allen Variante als auch journalistische Texte im Überfluss liefert, steht das Magazin ziemlich nackt da.
Doch warum auch nicht, alles ist besser, als einfach unterzugehen. Playboy.com hatte den Nackten bereits im August die Tür gewiesen, kommt nun besser durch die Büro-Filter und ist auf den - ebenfalls der Prüderie verdächtigen - sozialen Netzwerken gut zu teilen. Die Reichweite steigt, und was gibt es Fabelhafteres, als zwischen den Fotos Werbung für Dosenbohnen sehen zu dürfen.
Accessoires mit Hasen-Logo
Die Wahrheit ist: Playboy verkauft kein Magazin, sondern in erster Linie eine Marke. Den Verlust, den das Unternehmen in den USA einfährt, gleichen die anderen Märkte - wo die Hefte noch fleißig Brustwarzen und Schamhaare zeigen - dem Vernehmen nach aus. Und inzwischen dürfte weit mehr als die Hälfte des Umsatzes aus dem Merchandise kommen.
Das größte Wachstum lockt im Riesenmarkt China: Dort, so berichtet es Quartz, sind Handtaschen, T-Shirts, Sportkleidung oder Schuhe mit dem Playboy-Hasen angesehene Mode-Accessoires. Und das, obwohl das Magazin wegen der strengen Zensur der Behörden in China nie erschienen ist. Dem neuen, züchtigeren Playboy würde das nicht passieren.