US-Fernsehserie "Under The Dome":Unter der Käseglocke

Fernsehserie "Under The Dome" nach einem Roman von Stephen King

Ausnahmezustand: In der amerikanischen Serie "Under The Dome" werden die Bewohner der fiktiven Kleinstadt Chester's Mill unter einer unsichtbaren Käseglocke eingeschlossen.

(Foto: obs)

Was passiert, wenn die Menschen einer Kleinstadt von einer unsichtbaren Wand eingeschlossen werden? Stephen King hat es auf mehr als 1000 Seiten ausgemalt - die dank Steven Spielberg zur TV-Serie werden.

Von Bernd Graff

Das Setting ist gewöhnungsbedürftig. Sowohl für den Zuschauer, der mit einigem Hokuspokus aus der TV-Trickkiste in diese Story geworfen wird. Erst recht aber für die betroffenen Gestalten innerhalb der Story, die nicht wissen, wie ihnen geschieht. Denn das geschieht: Auf die fiktive Kleinstadt Chester's Mill an der amerikanischen Ostküste stürzt an einem helllichten Vormittag so etwas wie eine gigantische Käseglocke. Sie ist durchsichtig und unzerstörbar, sie ist weder zu untergraben noch zu überfliegen. Ein Tatbestand, den die ersten Minuten der 13-teiligen Fernsehverfilmung des Stephen King-Romans Under The Dome in opulenten Inferno-Bildern auskosten.

Da knallt ein Kleinflugzeug gegen die unsichtbare Wand, da wird eine Kuh längs in zwei Hälften gespalten und fällt dann blutig auseinander, da rast ein Truck gegen - ja, was eigentlich? Gegen was auch immer der Laster da fährt, und warum auch immer es da ist, man erfährt es neun Folgen lang nicht. Außer der wunderbaren Bemerkung eines Eingeschlossenen: "Das da kann nicht von der Regierung gemacht worden sein, weil es funktioniert", lernt man nichts über seine Herkunft. Es wehrt sich jedenfalls mit Stromstößen, wenn man es anfasst, was für die spektakuläre Explosion des Herzschrittmachers in der Brust des tastenden Sheriffs sorgt.

Überhitzt wie ein Dampfkessel

Nachdem sich ihr erstes Entsetzen dann gelegt hat, begreifen die Überlebenden, dass sie von außen abgeschnitten sind, dass ihre Welt nun sehr enge Grenzen aufweist, die nicht einmal mehr durch Kommunikation - außer durch handgeschriebene Zettel, Graffiti und Gebärdensprache - zu überwinden sind: Die Menschen in Chester's Mill sind mit sich allein, sie sehen, dass draußen die Nationalgarde anrückt, die in einer späteren Folge versuchen wird, den "Dom", wie die Glocke dann getauft ist, mit ihren mächtigsten Raketen zu sprengen. In der lichten Abgeschiedenheit dieser ehemals ländlichen Idylle voller netter normaler Menschen beginnt nun der eigentliche Horror.

Stephen King hat das mehr als 1000 Seiten lange Fantasy-Stück Under The Dome im Jahr 2009 als Buch herausgebracht (deutscher Titel: Die Arena), der amerikanische Sender CBS und Amblim Television, das ist die Produktionsfirma von Steven Spielberg, haben daraus eine Fernsehstaffel gemacht, die in den USA seit dem 24. Juni läuft.

Nach dem von Stephen King selber verfassten Pilotfilm, der von Pro Sieben am 4. September nur zehn Wochen nach dem US-Start gezeigt wird, hat Brian K. Vaughan die Funktion des Drehbuchautors und Leitenden Produzenten übernommen. Der Mann war in denselben Funktionen von Staffel drei bis fünf für die Serie Lost verantwortlich. Pro Sieben wird die 13 Episoden in Zweier- und Dreierblöcken auf dem früheren Sendeplatz der Serie How I Met Your Mother ausstrahlen.

Trügerische Idylle

Auch wenn die Fernsehstaffel erheblich von der Buchfassung abweicht, gestaltet sich das Miteinander in Chester's Mill natürlich Stephen-King-mäßig furchtbar und alles andere als idyllisch. Es war dort, das kommt nun zum Vorschein, auch ohne Dom nie beschaulich. Hinter den Kulissen gab es immer schon Verwerfungen und Machtkämpfe, aber auch ein ungehemmtes Irresein und Verbrechen, dazu Heimlichkeiten, Vorurteile und Fanatismus.

Doch erst die Abkoppelung unter der Kuppel des Doms setzt all das nun ungefiltert frei. Die Situation überhitzt wie in einem auf der heißen Herdplatte vergessenen Dampfkessel. Und das liegt nicht nur daran, dass in Chester's Mill irgendwann Wasser und Lebensmittel knapp werden - und zudem bei fehlenden Medikamenten eine Seuche ausbricht.

Mörder und Gebrauchtwagenhändler

Da gibt es zum Beispiel den mysteriösen Fremden. Barbie nennt er sich. Er war auf der Durchreise, als die Stadt eingeschlossen wurde, er hat dort eigentlich gar nichts verloren, jetzt hängt er fest. Nach und nach erfährt man, dass Barbie ein Irak-Veteran ist, dass er gerade einen Mann getötet und die Leiche beseitigt hatte, als es zum Einschluss kam. Dieser Getötete entpuppt sich als der Gatte von Julia, sie ist die rothaarige Lokalreporterin - und alsbaldige Geliebte von Barbie.

Dann gibt es in der Stadtprominenz den von dem großartigen Dean Norris gespielten James "Big Jim" Rennie, einen zweitklassigen Provinzpolitiker und Gebrauchtwagenhändler, der nun seine Chance wittert, groß rauszukommen. Man weiß gar nicht, wie abscheulich man ihn finden soll. Dean Norris ist bekannt geworden als DEA-Agent Schrader in der AMC-Serie Breaking Bad. Da war er fürchterlich, unter der Kuppel des Doms ist er noch widerlicher. Man hört, er habe seine Frau verloren, später erfährt man, wie sie gestorben ist. Jedenfalls zieht er seinen Sohn James, genannt Junior, alleine auf, was soviel heißt: Er überlässt den Twen sich selbst.

Ein Fehler. Denn Junior ist verrückt. Er hört die Stimme der toten Mutter, die ihm allerlei Vorhaltungen macht. Deren Berechtigung stellt Junior unter Beweis, indem er die hinreißende Kellnerin Angie entführt und gefangen hält. Und dann gibt es noch - ebenfalls gestrandet - das lesbische Elternpaar, das feststellen muss, dass ihr Töchterlein in der Nähe der Dom-Wand Anfälle bekommt und mit fremder Stimme wundersames Zeug brabbelt. Auf sie hat der gleichaltrige, ebenfalls von solchen Krämpfen geplagte Waise Joe McAlister ein Auge geworfen hat. Er ist es auch, der herausfindet, dass beide gleichzeitig krampfen und im Chor brabbeln, wenn sie sich berühren.

Alle sitzen im selben Käfig

Es ist also ein typischer Stephen-King-Zoo, der da fürs TV aufgebaut wurde: Es gibt Löwen, Hyänen, Schlangen und Schafe - nur, dass hier alle im selben Käfig sitzen. Der Autor King hat einmal behauptet, dass er es geradezu liebe, sich gewöhnliche Menschen in außergewöhnlichen Situationen vorzustellen, um sich dann auszumalen, welcher Wahnsinn wohl als nächster passiere. Das Dom-Szenario ist ihm da ganz nach Gusto gelungen.

Während die Webseite Metacritic, die Kritikermeinungen aus den wichtigsten Publikationen in den USA auswertet, feststellt, dass der Pilot mit der Benotung: 72 von 100 Punkten sehr gut dasteht, ist aber auch festzuhalten, dass die Kritik mit jeder danach ausgestrahlten Episode zunehmend ernüchtert. Niemand findet für seine Enttäuschung darüber bessere Worte als Rachel Hyland vom Geek Speak Magazine, die über Episode Neun schreibt: "Acht Wochen lang addierte sich Under The Dome zu einer Menge, die geringer war als die Summe ihrer Teile. Hoffen wir, dass sich Summe und Teile eines Tages angleichen können."

Under The Dome, Pro Sieben, mittwochs 20.15 Uhr.

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