Vorsicht, jetzt kommt ein wütender Kraftausdruck, aber es lässt sich nicht anders formulieren: Was für ein beschissenes Jahr! Leonard Cohen, Muhammad Ali, David Bowie, Prince - tot. Brexit. Amoklauf in München. Türkei. Syrien. Der britische Komiker John Oliver veröffentlichte in seiner HBO-Sendung Last Week Tonight am Sonntag passenderweise ein wunderbares Segment, in dem sich Promis wie Amy Schumer, Jeffrey Tambor und Larry David, aber auch Normalos von der Straße, einig sind: "Fuck 2016!"
Die aufmerksamen Leser dürften bemerkt haben, dass bei der Aufzählung der Gründe für ein bemerkenswert schlimmes Jahr noch nicht einmal erwähnt wurde, dass die Amerikaner gerade Donald Trump zu ihrem künftigen Präsidenten gewählt haben. Oliver sagt dazu: "Wir fühlen uns wie der Typ, der nach einem Junggesellenabschied in Las Vegas nackt in der Wüste aufwacht und bemerkt, dass er gemeinsam mit einem toten Clown an einen Kaktus gefesselt ist. Er denkt: Wie zur Hölle konnte das passieren?" Bedeutsamer jedoch dürfte seine nächste Frage sein: "Was zur Hölle machen wir nun?"
Ihre eigene Rolle im Wahlkampf - all die plumpen Trump-Gags - reflektieren sie bislang kaum
Die kommenden vier Jahre dürften reichlich Stoff liefern für die politisch motivierten Komiker in den Vereinigten Staaten, doch wie werden sie damit umgehen? Über ihre eigene Rolle im Wahlkampf - sie haben Trump lange nicht ernst genommen, sondern teils recht plump verkohlt - reflektieren sie bislang wenig. Alec Baldwin dürfte trotz seiner eher mäßig witzigen Trump-Parodien einen Vier-Jahres-Vertrag bei Saturday Night Live (SNL) bekommen, Stephen Colbert (veröffentlichte ein gefälschtes Interview mit Trump), Trevor Noah ("Nicht mal Trump kann es fassen, was da passiert ist: Er guckt wie ein Pokerspieler, der beim Bluffen erwischt worden ist") und Jimmy Fallon ("Hoffentlich hält Trump sein Versprechen und zweifelt die Wahl an") haben bereits mit der satirischen Aufarbeitung der Wahl begonnen.
Das sind bissige Kommentare, gewiss, allerdings ist kalte Ironie eine Luxushaltung, die gerade auf junge Menschen eher befremdlich wirkt. Ironie ist immer auch eine Flucht vor Haltung, und es ist dann doch eher harmlos, sich in komödiantischem Selbstmitleid zu suhlen und bei einem Besuch des künftigen Präsidenten - wie es Fallon getan hat - völlig zahm daherzukommen und ein bisschen in dessen Haaren zu wuscheln.
Kate McKinnon und Dave Chappelle dagegen haben bei SNL deutlich Stellung bezogen. McKinnon forderte ein Ende der Jammerei ("Ich gebe nicht auf - und das solltet ihr auch nicht"), Chappelle sagte: "Ich wünsche Donald Trump viel Glück, ich werde ihm eine Chance geben. Wir, die schon immer Ausgeschlossenen, verlangen allerdings von ihm, dass er uns auch eine Chance gibt."
Komiker sind keine Journalisten, sie müssen nicht objektiv berichten, statt Ironie dürfen sie auch andere Formen der Satire verwenden. In der letzten Sendung vor der Winterpause warnte John Oliver vor Trump ("Er ist der Typ, der dir in die Eier tritt - und dann deinem Penis dafür die Schuld gibt"), entlarvte einige Wahlversprechen Trumps (wie etwa die Ankündigung einer Gesetzesänderung zum Verklagen unliebsamer Journalisten) als nicht realisierbaren Blödsinn und forderte seine Zuschauer auf, qualitativ hochwertigen Journalismus und gemeinnützige Organisationen zu unterstützen: "Schon klar, die Sonne wird jeden Tag aufgehen - doch die Erdrotation sollte nicht unsere Grunderwartung an die amerikanische Gesellschaft sein."
Jon Stewart, zuletzt nur noch zu Gast in US-Satire-Shows, bastelt an seinem TV-Comeback
Oliver hat sein Handwerk mehr als sieben Jahre lang bei Jon Stewart gelernt, dem unbestrittenen Meister der politisch relevanten Satire. Stewart bezeichnete seine Sendung The Daily Show als "vertrauenswürdige Falsch-Nachrichten", ein Drittel der jungen Amerikaner betrachtete die Late-Night-Show als primäre Nachrichtenquelle. Stewart hat aufgehört, vor mehr als einem Jahr bereits, nach der Präsidentschaftswahl war er kurz in der Sendung Full Frontal zu sehen, wie er auf einem Malbuch trommelt und sagt: "Ich bin zu einem ziemlich skurrilen Kerlchen geworden."
Samantha Bee ist die Moderatorin von Full Frontal, sie ist zwölf Jahre lang von Stewart ausgebildet worden und gilt nun neben John Oliver als die bedeutsamste politische Komikerin. Sie eiert nicht rum und versteckt sich auch nicht hinter Ironie, ihre komödiantische Waffe ist wilde Wut. Sie schimpfte sogleich auf das mögliche Kabinett Trumps ("eine Bande bedauernswerter Außenseiter und karrieregeiler Extremisten"), motzte über den Trump-Vertrauten und Breitbart-Vorstand Steve Bannon ("ein Vertreter des weiß-nationalistischen Internet-Hasses") und klagte einstige Gegner wie Paul Ryan oder Ben Carson an, dass sie sich dem frisch gewählten Präsidenten nun anbiedern würden.
Geschliffene Sprache und feiner Humor sind nicht die Werkzeuge von Bee - sie redet vielmehr so, wie sich die Menschen in sozialen Netzwerken äußern: Ohne Umschweife und gern auch mal mit wütenden Kraftausdrücken kommt sie sofort auf jenen Punkt, der am meisten schmerzt. Die Hälfte von Bees Autoren ist weiblich, mehr als 30 Prozent sind nicht weiß. Noch wird ihre Sendung einmal pro Woche auf dem Sender TBS ausgestrahlt, das könnte sich jedoch schon bald ändern. Bee und Oliver könnten während der Präsidentschaft Trumps das werden, was Stewart während der Amtszeit von George W. Bush in Personalunion war: ein wütender Aufschrei und eine Stimme der Vernunft.
Stewart selbst übrigens bastelt gerade an seinem Comeback: In animierten Filmchen will er die US-Nachrichtensender parodieren und Kommentare zu aktuellen Ereignissen möglichst zeitnah im Internet anbieten, einmal wöchentlich soll es eine Zusammenfassung auf dem Pay-TV-Sender HBO geben. Der Start des Projekts wurde immer wieder verschoben, am Dienstag sagte HBO-Comedychef Casey Bloys, dass die erste Sendung spätestens im März ausgestrahlt werden soll. Es sieht ganz so aus, als könne 2017 ein grandioses Jahr werden. Zumindest für politische Satire.