US-Auslandssender:Im Westen nichts Neues

US-Auslandssender: Mission im Kalten Krieg: VoA-Programm 1951 in tschechischer Sprache.

Mission im Kalten Krieg: VoA-Programm 1951 in tschechischer Sprache.

(Foto: AP)

China und Russland investieren in Propaganda - und "Voice of America" steckt in der Sinnkrise.

Von Viola Schenz

Er hatte einen ganz alltäglichen Moment gewählt, um die große Neuigkeit zu verkünden. David Ensor nutzte die kleine Runde der mittäglichen Redaktionskonferenz des 7. April in der Washingtoner Zentrale, um seinen Mitarbeitern mitzuteilen, dass er als Direktor der Voice of America Ende Mai zurücktreten werde. Das war's - keine schriftliche Stellungnahme, kein Tweet, kein öffentlicher Auftritt. Envor nannte keine Gründe. Und eigentlich, scheint es, hat er auch keinen Grund: Der 64 Jahre alte Journalist könnte auf erfolgreiche vier Jahre an der Spitze des amerikanischen Auslandssenders zurückblicken. Ensor hatte den Sender digital ausgebaut, ebenso das Sprachangebot, Voice of America (VoA) sendet jetzt auch auf Birmanisch, Kreolisch, Mandarin oder Ukrainisch. In seiner Zeit nahm die Zahl der weltweiten Zuhörer und Zuschauer um 49 Millionen auf 172 Millionen pro Woche zu.

Es war der zweite hochrangige Rücktritt in kurzer Zeit. Anfang März hatte bereits Andrew Lack, der Leiter des Broadcasting Board of Governors (BBG), abgedankt. Das BBG ist eine Art oberste Rundfunkbehörde und als solche für alle international verbreiteten, nicht militärischen Hörfunk- und Fernsehprogramme der amerikanischen Regierung verantwortlich, also für Radio Free Europe, Radio Liberty und Radio Free Asia, und eben auch für Voice of America. Lack hatte das Amt nur 42 Tage bekleidet, dann wechselte er zurück zum Medienunternehmen NBC Universal.

Weder für Lack noch für Ensor stehen Nachfolger fest. Die überraschenden Rücktritte und die Vakanzen sind der bisherige Höhepunkt einer schwierigen und angespannten Lage, in der sich die mit Steuergeld finanzierte "Stimme Amerikas" befindet. Seit Monaten steht der Sender in der Kritik von ausgerechnet denjenigen, die ihn betreiben, den Vertretern der amerikanischen Regierung. Abgeordnete werfen ihm Schwäche vor in Zeiten, in denen ihrer Meinung nach Stärke besonders gefragt wäre: in Zeiten der Propaganda, mit der die autoritären Regime in Russland oder China ihre Politik über ihre Auslandskanäle schönsenden. Und in Zeiten der perfiden Internet-Botschaften der islamistischen Terrororganisation IS. VoA könne nicht mithalten mit den Desinformationskampagnen von "Diktatoren, Despoten und Terroristen", kritisiert der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, der Republikaner Ed Royce. Die Berichterstattung der Voice sei zu langsam und technologisch rückständig. Wladimir Putin setze eine "Informationsarmee ein, die die USA angreift und unsere Interessen weltweit unterminiert". Royce spielt auf die gut 200 Trolle an, die Putin dafür bezahlt, von St. Petersburg aus Unwahrheiten im Internet zu verbreiten.

David Ensor hatte seinen Job als VoA-Chef 2011 angetreten, um aus dem einstigen Kalter-Krieg-Sender einen modernen Auslandssender zu machen, eine Art Regierungs-CNN. Allerdings mit einem seit Jahren schrumpfenden Budget. Voice of America war 1942 ins Leben gerufen worden, als Bollwerk gegen die Propaganda aus Nazi-Deutschland und aus Japan. Im Kalten Krieg war der Sender für Dissidenten im Ostblock oft die einzige Quelle freier Informationen.

Heute sendet VoA 200 TV- und Radioprogramme in mehr als 40 Sprachen, dafür stehen ihm knapp 200 Millionen pro Jahr zur Verfügung. Wenig Geld für viel Programm, dessen Ausrichtung unklar und umstritten ist. Während die chinesische Regierung Milliarden in den Ausbau seines CCTV-Netzes pumpt - mehr als 70 Büros gibt es weltweit - steckt VoA in seiner Sinnkrise fest: Soll man nun objektive Nachrichten verbreiten oder Amerikas Politik unterstützen oder irgendwas dazwischen tun? David Ensor war dieser Querelen offensichtlich überdrüssig.

Dass der Sender keiner Rolle gerecht wird, prangert der Kongress schon länger an. Im Juli 2014 verabschiedete das Repräsentantenhaus ein Gesetz für eine Neuausrichtung des Senders. Demnach soll Amerikas Stimme künftig die "Public Diplomacy" der Regierung unterstützen - eine Abkehr vom Auftrag, wonach sich der Sender als "zuverlässige Nachrichtenquelle" zu verstehen habe, "korrekt, objektiv, umfassend". Die Mitarbeiter protestieren, sie fürchten um die Integrität und Unabhängigkeit ihres Senders. Den Budgetausschuss des Repräsentantenhauses kann das nicht beeindrucken; er empfahl, das Geld zu kürzen, solange es keine "wesentlichen Reformen" gebe.

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