US-Armee:Wer anderen eine Grube gräbt, bleibt selbst daheim

General McChrystals Karriere endete nach dem Interview mit dem "Rolling-Stone". Konsequenzen gibt es nun auch für Reporter Michael Hastings: Die US-Armee will ihn nicht mehr bei der Truppe "einbetten".

Janek Schmidt

Der Schaden war groß, den der Artikel angerichtet hatte. "Der durchgebrannte General", hieß das Stück, das der freie Journalist und Kriegsberichterstatter Michael Hastings im Juni für die Zeitschrift Rolling Stone geschrieben hatte. Seine Beschreibung des damaligen Nato-Oberbefehlshabers in Afghanistan, Stanley McChrystal, und dessen Lästereien über die amerikanische Regierung hatten solch einen Schock in Washington ausgelöst, dass sich US-Präsident Barack Obama gezwungen sah, McChrystal zu entlassen. So verständnisvoll die amerikanische Militärführung auf den Rauswurf des dekorierten Generals reagierte, so groß war bei vielen Kommandeuren der Groll auf den Journalisten Hastings - und umso brisanter war dessen jüngster Antrag, erneut US-Truppen in Afghanistan zu begleiten.

Retirement Ceremony Held For Army Gen. Stanley McChrystal

Musste seinen Hut nehmen, weil er im Interview mit Michael Hastings Klartext sprach: US-General Stanley McChrystal.

(Foto: AFP)

Nach der Veröffentlichung seines folgenreichen Artikels hatte Hastings beteuert, er habe sämtliche Zitate von McChrystals Mitarbeitern vor der Veröffentlichung absegnen lassen. Zudem habe er stets die Regeln eingehalten, die für Journalisten gelten, die von der US-Armee embedded (deutsch: "eingebettet") sind, und damit eine bestimmte Truppe begleiten dürfen. Umso kniffliger ist nun die Situation des US-Militärs, nachdem Hastings vergangene Woche über den Nachrichtendienst Twitter mitgeteilt hatte: "Meine Einbettung in die Armee war für September bereits genehmigt, jetzt wurde sie zurückgewiesen."

"Kein Recht, ein Privileg"

Ein Militärsprecher erläuterte daraufhin, die Einbettung bei den Truppen sei kein Recht, sondern ein Privileg. "Und so hat die Militärführung in Afghanistan beschlossen, dass das nötige Vertrauen fehle und hat den Antrag abgelehnt." Die Regeln, auf die er sich dabei berief, hatte die frühere Presse-Chefin des Pentagons, Victoria Clark, vor dem Einmarsch in den Irak 2003 für den damaligen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld entworfen. Demnach können Journalisten eine Einbettung in eine Armee-Einheit beantragen. Dabei müssen sie versichern, dass sie keine Militär-Geheimnisse preisgeben oder sonstige Informationen veröffentlichen, die die Sicherheit der Truppe gefährden könnten.

Kritik an diesem Verfahren war zuletzt im vergangenen August laut geworden. Damals hatte das Magazin Stars and Stripes, eine Zeitschrift des amerikanischen Verteidigungsministeriums mit unabhängiger Redaktion, bemängelt, dass das Militär ein Unternehmen dafür bezahlte, die Berichterstattung von Journalisten als "positiv", "neutral" oder "negativ" zu bewerten.

Die schwarze Liste der Nato

Um der Entrüstung über dieses Aussieben kritischer Berichterstatter zu begegnen, beteuerte der designierte Staatssekretär für Öffentlichkeitsarbeit im Pentagon, Douglas Wilson, vor seiner Ernennung Anfang 2010: "Wir sollten nie den Versuch unternehmen, sogenannte ,freundliche' Reporter einzubetten und sogenannte ,unfreundliche' Reporter zu blockieren."

Wie groß dennoch die Abhängigkeit der Kriegsberichterstatter in Afghanistan bleibt, berichtet der prominente Reporter Glenn Greenwald in der Internet-Zeitung Salon. Vergangenes Jahr sei er in einem Einsatz mit einem Sonderkommando der Marines gewesen, schreibt Greenwald. Als das Militär jedoch erfuhr, dass er zuvor über strittige Todesfälle von Zivilisten berichtet hatte, sei er umgehend aus der Einheit entfernt worden. "Als freier Reporter, wie ich es damals war, war die schwarze Liste der Nato eine einschüchternde Aussicht", schreibt er und fügt an: "Natürlich sind nicht alle eingebetteten Reporter korrumpiert, aber der Prozess der Einbettung ist korrumpierend und dafür ist er auch entworfen."

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