Urteil zur "Tagesschau"-App:Warum der Konflikt nicht entschieden ist

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Das Landgericht Köln verbietet die "Tagesschau"-App vom 15. Juni 2011. Dabei macht sich das Urteil kleiner, als es ist. Es geht um nicht weniger als um die Ordnung zwischen Gebührenrundfunk und Presse. Und da ist ein Tag so gut wie jeder andere.

Claudia Tieschky

Das Landgericht Köln hat am Donnerstag ein wichtiges Urteil gefällt, das sich kleiner macht als es ist. Es geht um nicht weniger als um die Ordnung zwischen Gebührenrundfunk und Presse. Diese Ordnung hat die ARD mit ihrer beim NDR hergestellten Tagesschau-App vom 15. Juni 2011 nach Auffassung des Gerichts verletzt. Nur diese eine App-Ausgabe hatte die Kammer geprüft - und sie stellt klar, dass sich ihre Entscheidung "einzig und allein" auf den Befund dieses Tages beziehe.

Die Richter untersagen der ARD und dem NDR, die von ihnen angebotene, umstrittene Tagesschau-App vom 15. Juni 2011 weiterzuverbreiten. Sie gaben damit den acht Presseverlagen (unter ihnen ist auch der Süddeutsche Verlag) recht, die gegen die gebührenfinanzierte App geklagt hatten, weil sie das Angebot für illegal halten. Gesetzeswidrig sind laut Rundfunkgesetz presseähnliche Angebote der Sender - im Internet, worüber der Streit derzeit geführt wird. Aber nicht nur dort.

Die kostenlose Tagesschau-App sei presseähnlich, erklärte das Gericht, weil sie "aus der Sicht der Nutzer geeignet ist, als Ersatz für die Lektüre von Zeitungen oder Zeitschriften zu dienen - mit einer Informationsbreite, die an diejenige herkömmlicher Presseerzeugnisse heranreicht". Daran ändere auch die Verknüpfung mit Hörfunk- oder Fernsehbeiträgen nichts, befand die Kammer. Die Angebote der App seien "nicht hinreichend sendungsbezogen". Wegen der punktuellen Prüfung enthalte das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, keine "allgemeine Aussage zur nach dem Rundfunkstaatsvertrag zulässigen Länge und Ausführlichkeit von Texten".

Die Richter wehrten sich gegen die Rolle

Das Gericht hätte dieses Urteil gerne vermieden, das ist im Laufe des Prozesses überdeutlich geworden, der nach der Klage der Verleger vom 21. Juni 2011 folgte, die mit Screenshots des App-Angebots vom 15. Juni bestückt war. So forderten die Richter die Streitparteien eindringlich zu Schlichtungsgesprächen auf. Eine gemeinsame Erklärung von Verlagen und ARD/ZDF über die Regeln für die Apps hätte den Streit befrieden sollen, wurde mehrfach angekündigt und nie unterzeichnet. Die Kölner Richter kündigten schon früh an, den Streit "nicht allgemein verbindlich regeln" zu können. Sie wehrten sich gegen die Rolle, den Schiedsrichter in einem Streit zu geben, der einen klar benennbaren Grund hat: einen schwammigen, von der Politik oberflächlich und sorglos formulierten Gesetzestext über die Grenzen dessen, was die öffentlich-rechtlichen im Digitalen tun dürfen.

Als der betreffende 12. Rundfunkstaatsvertrag formuliert wurde, wussten alle Beteiligten, dass es vollkommen unterschiedliche Vorstellungen davon gab, was im Digitalen verbotenerweise "presseähnlich" sei. Trotzdem haben die Länderchefs das Gesetz so verabschiedet und im Ungefähren belassen, was gemeint war. Dass es Streit geben würde, war schon damals klar, und die Kölner Richter hatten wohl keine Lust oder sahen es verständlicherweise nicht als ihre Aufgabe an, mit den Konfliktparteien festzusetzen, wovor sich der Gesetzgeber drückte. Die Tagesschau-Redaktion in Hamburg hat sich dann entschlossen, die Spielräume einfach zu nutzen. Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Zeitungsverlegerverbandes BDZV, erklärte am Donnerstag, das Urteil hebe darauf ab, dass die ARD "unlauteren Wettbewerb betrieben" habe. Der Verbund habe "bis heute" behauptet, dass sein "Angebot auch an diesem 15. Juni 2011 rechtmäßig war, das war es aber nicht".

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