Urteil zu Informationsrecht der Medien:"Mit der Pressefreiheit nicht zu vereinbaren"

Journalisten dürfen gegenüber staatlichen Institutionen Auskunftsansprüche geltend machen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden und den Medien erstmals diesen verfassungsrechtlichen Anspruch zugesprochen. Den Prozess in dem Fall hat der klagende Journalist allerdings verloren, der Deutsche Journalistenverband kritisierte das Urteil.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Journalisten können gegen Behörden Auskunftsansprüche geltend machen - unter Berufung auf die im Grundgesetz geschützte Pressefreiheit, und zwar auch dann, wenn dies nicht explizit in einem Gesetz geregelt ist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden und damit den Medien erstmals einen solchen direkten verfassungsrechtlichen Anspruch gewährt.

Bisher war es unter Juristen umstritten, ob ein solches Recht existiert. Allerdings bestand dafür auch keine praktische Notwendigkeit, weil sich die Presse - wenn sie Auskünfte von widerstrebenden Behörden erzwingen wollte - auf die in den Landespressegesetzen geregelten Vorschriften stützen konnte.

In diesem Punkt hat das in Leipzig ansässige Bundesverwaltungsgericht nun die bisher gängige Meinung revidiert, die Landesgesetze hätten auch für Bundesbehörden Geltung. Weil den Ländern die Gesetzgebungskompetenz für den Bund fehle, seien deren Pressegesetze für die Bundesbehörden nicht mehr anwendbar, entschied das Gericht an diesem Mittwoch.

Geklagt hatte der Bild-Journalist Hans-Wilhelm Saure. Er hatte vom Bundesnachrichtendienst (BND) Auskunft darüber verlangt, wie viele seiner hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter - bezogen auf die Jahre zwischen 1950 und 1980 - Angehörige der NSDAP, der Gestapo, der SS oder der Abteilung "Fremde Heere Ost" waren. Zunächst verzögerte der Dienst die Bearbeitung des Antrags, doch als Saure Untätigkeitsklage erhob, verweigerte er die Auskunft, weil sie einen unvertretbaren Aufwand erfordere. Es sei bereits eine unabhängige Historikerkommission beauftragt, die Historie des BND aufzuarbeiten.

Im Ergebnis hat Saure den Prozess nun trotzdem verloren. Allerdings nicht, weil es für den Anspruch überhaupt keine rechtliche Grundlage gäbe. Sondern weil sein Interesse auf Informationen gerichtet gewesen sei, die als solche beim BND noch gar nicht vorhanden gewesen seien: "Das Auskunftsrecht führt nicht zu einer Informationsbeschaffungspflicht der Behörde", heißt es in der Mitteilung des Gerichts.

Pflicht des Staates zur Erteilung von Auskünften

Im Grundsatz aber verweist das Gericht auf die "besondere Bedeutung der Presse in einem freiheitlichen demokratischen Staatswesen". Hieraus folge die Pflicht des Staates zur Erteilung von Auskünften. Wenn spezielle Vorschriften fehlten, dann gewähre das Grundgesetz einen einklagbaren Anspruch - der freilich durch schutzwürdige Interessen privater oder öffentlicher Stellen eingeschränkt werde. Damit erklärt das Gericht indirekt doch wieder den Maßstab für anwendbar, wie er sich aus den Landespressegesetzen ergibt.

Dass die Landesgesetze nicht für Bundesbehörden gelten, hatte auch das Bundesinnenministerium (BMI) im Vorfeld des Verfahrens geltend gemacht. Allerdings wollte das Ministerium den Medien überhaupt keine Informationsrechte gegenüber Bundesbehörden mehr einräumen. "Ein Anspruch aus der grundgesetzlichen Pressefreiheit auf Zugang zu bei Behörden befindlichen Informationen besteht nach allgemeiner Ansicht nicht", hieß es in einem Schriftsatz. In der Verhandlung am Mittwoch lenkte der Vertreter des Ministeriums allerdings ein. Der Rückgriff auf die Verfassung sei wohl doch möglich.

Christoph Partsch, Anwalt des Klägers, wertete das Urteil als einen Erfolg für die Pressefreiheit. Mit der Niederlage will er sich aber noch nicht abfinden: Er werde wahrscheinlich Verfassungsbeschwerde einlegen.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisierte das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. "Mit dem Richterspruch können Bundesbehörden Informationen zurückhalten und kritische Recherchen blockieren", kritisierte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. "Das Urteil lädt alle Bundesbehörden geradezu ein, bei unbequemen Fragen künftig zu mauern." Es sei mit der in der Verfassung garantierten Pressefreiheit nicht zu vereinbaren.

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