Urteil im Fall Böhmermann:Man kann das Schmähgedicht nur ganz oder gar nicht verbieten

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Ohne die entsprechenden Passagen ist Böhmermanns Text nicht mehr zu gebrauchen und nicht mehr zu verstehen. Das Urteil des Hamburger Landgerichts ist Unsinn.

Kommentar von Heribert Prantl

Das Hamburger Urteil im Fall Böhmermann ist Unsinn. Man kann so einen Text, der sich Gedicht nennt, nur entweder ganz verbieten oder gar nicht - aber nicht die Hälfte, drei Viertel oder einzelne Passagen. Es handelt sich ja nicht um ein Buch, bei dem man, wenn bestimmte Passagen Persönlichkeitsrechte verletzen, diese einfach schwärzen lassen kann; das Buch verliert dadurch seine Substanz nicht.

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Von Carolin Gasteiger und Annette Ramelsberger

Bei einem kurzen Text ist das anders. Ob der Text nun gelungen ist oder nicht, ob man ihn Gedicht nennen mag oder nicht - er wird durch ein teilweises Verbot so entstellt, dass er nicht mehr zu gebrauchen und nicht mehr zu verstehen ist. Das ist so nicht in Ordnung.

Das Landgericht windet sich wie ein Aal

In Böhmermanns sogenanntem Schmähgedicht wird Erdoğan unter anderem Sex mit Tieren unterstellt. Strafrechtlich hat Böhmermann schon nichts mehr zu befürchten, die Bestrafung wegen Beleidigung wurde von der Justiz abgelehnt. Jetzt geht es um das Zivilrecht, um Unterlassung also, um ein Verbot der Wiederholung der Schmähkritik. Man kann der Meinung sein, das sich auch ein so schlimmer Finger wie Erdoğan nicht alles gefallen lassen muss; Recht geht ja nicht danach, ob einem der Kläger sympathisch ist oder nicht. In diesem Fall müsste das ganze Gedicht verboten werden.

Man kann aber auch mit gutem Grund der Meinung sein, dass diese Schmähkritik eine Art Notwehr ist gegen einen Staatschef, der in seinem Land die Meinungsfreiheit brutal unterdrückt; man kann der Meinung sein, dass ein solcher Grundrechtsunterdrücker sich mehr gefallen lassen muss, als, sagen wir, Papst Franziskus. Man muss, so sagen das die Juristen, den gesamten Kontext sehen. In diesem Fall muss das ganze Gedicht erlaubt bleiben, wofür einiges spricht.

Das Urteil wurde vom Landgericht Hamburg gesprochen. Es windet sich wie ein Aal. Die nächste Instanz sollte sich nicht winden, sondern urteilen.

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