Urheberrecht:Filter oder nicht Filter?

Das geplante europäische Urheberrecht ist seit Mittwoch einen großen Schritt weiter. Der federführende Rechtsausschuss im EU-Parlament sprach sich für die Einführung von sogenannten Uploadfiltern aus. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Thomas Kirchner

Es ist eine erste wichtige Entscheidung, wenn auch längst keine endgültige. Im Streit über die europäische Urheberrechtsreform sprach sich der federführende Rechtsausschuss im EU-Parlament am Mittwoch für die Einführung von Uploadfiltern aus, also für eine beim Hochladen vorgeschaltete Prüfaktion bei großen Online-Plattformen, und für das Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Der erste Artikel erhielt eine Mehrheit von 15 zu 10 Stimmen, beim zweiten war es mit 13 zu zwölf noch knapper. So setzte sich eine Mehrheit aus Christdemokraten, Konservativen und Liberalen gegen Linke und Grüne durch, wobei die Fraktionen keineswegs geeint auftreten. Ein Überblick über die Folgen.

Gerät nun das "freie Internet" in Gefahr, wie Kritiker meinen?

Das kommt auf die Sichtweise an. Die Reform versucht, eine Ungerechtigkeit zu beseitigen. Plattformen wie Youtube verdienen an Werbung, die sie zu Inhalten schalten, die Nutzer hochgeladen haben. Künftig müssten sie Lizenzen für urheberrechtlich geschütztes Material erwerben, den Erlös also fairer teilen. Mit Hilfe von Software sollen sie aber auch sicherstellen, dass geschützte Inhalte gar nicht erst hochgeladen werden. Hier wittern manche die Gefahr, dass auch Legales herausgefiltert, "zensiert" werde. Auch könnten Algorithmen Satire oder Parodien nicht erkennen, die womöglich gesperrt würden. In Erwägungsgrund 39 heißt es jedoch, die Überprüfung müsse angemessen und transparent und dürfe nicht "generell" sein. Sie sei auch auf einen kleinen Teil der Plattformen begrenzt, sagt Axel Voss (CDU), der die Vorlage schrieb. Laut Helga Trüpel von den Grünen, die wie Voss für die Reform gekämpft hat, müssten jene Plattformen, die korrekt Lizenzen erwürben, überhaupt keine Filter einsetzen. Die "hysterische Kritik" sei vollkommen überzogen.

Brauchen die Zeitungsverleger wirklich ein neues Leistungsschutzrecht?

Deutsche Verlegerverbände, allen voran das Haus Springer, sind davon überzeugt und haben EU-Kommission und die Bundesregierung auf ihrer Seite. Alle meinen, man müsse dringend die Verhandlungsmacht der Presse gegenüber den Internet-Giganten stärken. Portale wie Google News sollen daher künftig nicht mehr ohne Erlaubnis Überschriften oder kurze Ausschnitte von Pressetexten in ihren Ergebnissen anzeigen dürfen. Ob das Ziel damit wirklich erreicht wird, ist unsicher. Ein solches Gesetz gibt es in ähnlicher Form schon in Deutschland. Dort hat es dazu geführt, dass Verlage auf das Einklagen dieses Rechts auch verzichteten, weil sie keine Konfrontation mit Google wollten. Die Befürworter setzen darauf, dass Google bei einer europaweiten Regelung schlechtere Karten hätte.

Was wurde noch beschlossen?

Unter anderem größere Ausnahmen für das "Text and Data Mining", also die auf Algorithmen basierende Analyse großer Textmengen, mit deren Hilfe neue Trends entdeckt werden könnten. Hier muss nicht jedes Mal das Copyright benutzter Werke beachtet werden. Auch die "Panorama-Freiheit" wird geregelt, so dass Privatpersonen weiterhin Bilder von öffentlichen Bauwerken wie dem Eiffel-Turm aufnehmen und verbreiten können.

Bekommen Musiker und andere Kreative jetzt mehr Geld?

In Artikel 14a wird das Prinzip einer "fairen und angemessenen" Bezahlung festgehalten. Um es durchzusetzen, gäbe es künftig eine Pflicht zu Transparenz gegenüber den Kreativen (sie sollen genau wissen, wo und wie oft ihre Inhalte gezeigt oder gespielt wurden), das Recht, alte Verträge neuen Umständen anzupassen und einen Mechanismus, um Streitigkeiten zu schlichten. Ob das den Künstlern wirklich nützt, ist fraglich. Ihre Verbände hatten vergeblich ein neues "unveräußerliches Recht auf faire Bezahlung" gefordert, mit dem Verwertungsgesellschaften Geld von Plattformen wie Youtube hätten einsammeln können. Voss ging das zu weit.

Was sagen die EU-Regierungen?

Der Rat, die Vertretung der Mitgliedstaaten, hatte sich vor Monatsfrist auf eine Position verständigt, die trotz Abweichungen insgesamt in eine ähnliche Richtung zielt. So wollen auch die EU-Regierungen ein Leistungsschutzrecht, allerdings ohne Journalisten an Erlösen zu beteiligen. Deutschland wurde hier überstimmt.

Wie geht es weiter?

Mit dem Votum könnte das Parlament nun in die Verhandlungen mit dem Rat eintreten. Doch machen Grüne und andere Abgeordnete von der Möglichkeit Gebrauch, noch einmal im Plenum abstimmen zu lassen. Dort allerdings nur über das gesamte Verhandlungsmandat und nicht über einzelne Teile. Die Kritiker werden stattdessen einen Alternativvorschlag ohne Leistungsschutzrecht und Filterpflicht präsentieren. Das Ergebnis ist noch völlig offen. Julia Reda von der Piratenpartei rief sofort nach der Abstimmung schon zu einer großen Kampagne auf, ähnlich jener, mit der es vor Jahren gelungen sei, das Anti-Piraterie-Abkommen Acta im EU-Parlament zu stoppen.

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