Urheberrecht:So will Deutschland die umstrittene Reform umsetzen

Protest gegen neues Urheberrecht - Leipzig

Im Frühjahr demonstrierten in Deutschland Zehntausende Menschen gegen die EU-Urheberrechtsreform.

(Foto: Peter Endig/dpa)
  • Deutschland beginnt, die umstrittene EU-Richtlinie zur Reform des Urheberrechts in nationales Recht umzusetzen.
  • Ein Diskussionsentwurf des Justizministeriums beschäftigt sich vor allem mit dem sogenannten Leistungsschutzrecht.
  • Damit sollen Verlage an den Einnahmen von Plattformen und Suchmaschinenbetreibern beteiligt werden.
  • Die besonders heiklen Upload-Filter werden noch nicht behandelt.

Von Simon Hurtz

Am 15. April ist das Internet nicht gestorben. Ein Dreivierteljahr, nachdem die Europäische Union die umstrittene Urheberrechtsrichtlinie endgültig beschlossen hat, werden weiter Videos gebastelt und Links geteilt. Befürworter der Reform könnten sagen: Die Panik jener kritischen Netzgemeinde war unbegründet. Die Reformgegner argumentieren: Das Netz mag überleben - aber bald wird sich zeigen, was die EU mit der Neuregelung angerichtet hat.

Obwohl die Mitgliedsstaaten noch reichlich Zeit haben, um die Reform in nationales Recht umzusetzen, prescht Deutschland nun vor: Anderthalb Jahre vor dem Stichtag am 7. Juni 2021 hat das Justizministerium einen ersten "Diskussionsentwurf" veröffentlicht (PDF). Und der zeigt, wie schwierig es wird, ein Urheberrechtsgesetz zu entwickeln, das Verlage und Medienschaffende, Künstler, Kreative und Nutzer gleichermaßen zufriedenstellt.

Der Entwurf beschäftigt sich vor allem damit, wie sich das Leistungsschutzrecht (LSR) umsetzen lässt, das in der EU-Richtlinie enthalten ist. Es soll Verlage an den Einnahmen von Suchmaschinenbetreibern beteiligen. Unternehmen wie Google verdienten Geld, indem sie die Inhalte von Medien aufbereiteten, lautet die Argumentation. Deshalb müssten sie Verlage dafür bezahlen, dass sie Snippets anzeigten, also Teaser und kurze Textauszüge aus den Artikeln.

Ein solches LSR war in Deutschland seit 2013 in Kraft, bis es der Europäische Gerichtshof im September 2019 wegen einer Formalie für unwirksam erklärte. Das Gesetz galt allerdings ohnehin als gescheitert: Google weigerte sich, für die Vorschau zu zahlen und drohte den Verlagen, keine Textauszüge mehr in den Suchergebnissen anzuzeigen. Das wiederum machte den Verlegern Angst, weil ein signifikanter Teil der Leserschaft über Suchmaschinen und Dienste wie Google News auf ihre Angebote stößt. Also erlaubten sie dem Konzern, die Vorschautexte kostenlos zu nutzen.

Upload-Filter spart das Ministerium vorerst aus

Der heftige Protest gegen die Reform resultierte vor allem aus einem Artikel, der wohl auf Upload-Filter hinauslaufen wird. Ein solches System prüft bereits während des Hochladens von Inhalten, ob diese gegen Regeln verstoßen. Ein solcher Filter würde nötig, wenn Platformbetreiber künftig für Inhalte haften, sobald Nutzer diese hochladen.

Befürworter hoffen, dass Beiträge, die Urheberrechte verletzen, gar nicht erst in Umlauf geraten. Gegner warnen vor möglicher Zensur und fürchten, dass Remixe und Parodien aus dem Netz verschwinden, weil die Filter nicht fehlerfrei arbeiten. Deshalb demonstrierten im Frühjahr 2019 Zehntausende gegen die Pläne. Diese heikle Frage spart das Ministerium im aktuellen Entwurf aus. Stattdessen versucht es, die vagen Vorgaben der EU-Richtlinie in ein Gesetz zu übertragen, das dem alten deutschen Leistungsschutzrecht ähnelt.

Obwohl die Ausgaben für Prozesskosten die Einnahmen überstiegen und das LSR auch in anderen europäischen Ländern nicht funktioniert, drängten große deutsche Verlage darauf, bei der Reform des Urheberrechts ein europaweites LSR einzuführen. Vor allem Deutschland und Frankreich setzten sich in Brüssel dafür ein. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) räumte er, er habe die umstrittenen Upload-Filter mitgetragen, um "wenigstens das LSR" zu retten.

Vorschaubilder bitte nur im Briefmarkenformat

Das geplante LSR betrifft nicht nur Suchmaschinenbetreiber, sondern alle "Dienste der Informationsgesellschaft", also neben sozialen Netzwerken und Suchmaschinen auch Blogs. Der Diskussionsentwurf enthält Ausnahmen für "die private oder nicht kommerzielle Nutzung einer Presseveröffentlichung durch einzelne Nutzer", das Setzen von Links und "die Nutzung einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge einer Presseveröffentlichung". Es wird nicht genauer bestimmt, was unter privater Nutzung zu verstehen ist.

Als "sehr kurze Auszüge" definiert das Justizministerium Überschriften, "kleinformatige Vorschaubilder mit einer Auflösung von bis zu 128 mal 128 Pixeln" und "Tonfolgen, Bildfolgen oder Bild- und Tonfolgen mit einer Dauer von bis zu drei Sekunden". Anders ausgedrückt: Wenn Google oder Facebook Vorschaubilder anzeigen, die ein Briefmarkenformat übersteigen, müssten sie dafür zahlen.

Julia Reda fühlt sich an "Atari-Zeiten" erinnert

Die VG Media, die Leistungsschutzrechte gegenüber den Onlinediensten durchsetzen soll, sagte, sie prüfe den Diskussionsentwurf. Davor könne sie sich nicht dazu äußern. Die Kritik kam schneller: "Die Ausnahmen für kleine Ausschnitte sind absolut weltfremd definiert", schreibt die ehemalige EU-Abgeordnete Julia Reda, die in Brüssel den Widerstand gegen die Urheberrechtsform organisierte. Sie fühle sich an "Atari-Zeiten" erinnert. SPD-Europapolitiker Tiemo Wölken twitterte: "Besonders absurd ist natürlich, dass Vorschaubilder nur 128 x 128 Pixel groß sein dürfen."

Das Justizministerium begründet die Vorschaugröße damit, dass "Bilder mit dieser Auflösung am untersten Rand der im Computerbereich gebräuchlichen Bildauflösungen liegen". Damit sei gewährleistet, dass die Vermarktung von Presseveröffentlichungen nicht gestört werde.

Kritik kommt auch aus dem Bundestag. Es sei "ein denkbar unglücklicher Start für die Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform, ausgerechnet das umstrittene LSR vorzuziehen", schreibt Tabea Rößner, netzpolitische Sprecherin der Grünen. "Das schafft sicher kein Vertrauen für den gesamten Prozess."

Journalisten sollen Einnahmen wieder an Verlage abtreten

Das Justizministerium will zudem die Vergütungsansprüche von Verlagen neu regeln. 2015 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Einnahmen von Verwertungsgesellschaften wie der VG Wort vollständig an die Urheber ausgeschüttet werden müssen. Den Verlagen entgingen so Millioneneinnahmen.

Das will das Ministerium mit dem Entwurf ändern: Es entspreche einem "breiten politischen Konsens, eine kalkulierbare Beteiligung der Verleger" zeitnah wieder zu ermöglichen. Urheberinnen und Urhebern stünden demnach mindestens zwei Drittel der Vergütungsansprüche zu, der Rest den Verlagen.

Offenbar hat das das Justizministerium wirklich eilig: Teile des neuen Gesetzes sollen bereits am Tag nach der Verkündung in Kraft treten, heißt es in dem Entwurf. Bis Ende des Monats, gerade mal zwei Wochen, können Stellungnahmen eingereicht werden.

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