Die Vereidigung des neuen österreichischen Regierungskabinetts ist eine ernste Angelegenheit. Die zukünftigen Amtsträger treten in der Hofburg an, vor blutroten Seidentapeten, unter Stuck und Kristallkronleuchtern, und geloben vor dem Präsidenten, was man zu einem solchen Anlass eben gelobt. Alles sehr ehrwürdig. Wer am Dienstag allerdings die Sondersendung des ORF zur Zeremonie in der Mediathek des Senders - mit Untertiteln - anschaute, sah Präsident van der Bellen beherrscht gestikulieren, sich zum alten und neuen Bundeskanzler wenden, zum 33-jährigen Sebastian Kurz, und sagen: "Na? Na ... du ... Küken?".
Was war das? Ein Coup von oben? Eine väterliche Autoritätsgeste? Van der Bellen schob sein Manuskript zurecht, "sollen wir ihr einen Namen geben? Oder ihm." Er redete etwas von zierlichen Füßen, um dann, in einem etwas anderen Sprechakt, als man erwartete, zu sagen: "Okay, ich taufe dich auf den Namen ... Isabelle."
Folgendes war geschehen: Üblicherweise hätte der ORF zur Sendezeit der Angelobung, wie es im Österreichischen heißt, die ZDF-Telenovela "Alisa - Folge deinem Herzen" gezeigt. "Aufgrund eines Abwicklungsfehlers", schrieb der ORF später, sei die Sondersendung in der Mediathek falsch untertitelt worden, der ORF entschuldige sich dafür. "Das Hauptprogramm von ORF2 sowie der TVthek-Livestream waren nicht betroffen", twitterte ORF-Pressesprecher Martin Biedermann.
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Ein Fehler nur, aber was für einer. Die Herzschmerz-Untertitel gaben der Politik für einen kurzen Moment das, was Politiker sich sonst immer wünschen: ein menschliches Antlitz - und Social-Media-Tauglichkeit. Beobachter twitterten, sie hätten Tränen gelacht und, immerhin, das Beste des bisherigen Jahres gesehen. Die falschen Dialoge funktionierten nämlich auch erstaunlich gut als Kommentar zur Wiederwahl von Kurz: "Ich möchte das nicht", ließen die Untertitel van der Bellen noch während der Vereidigung sagen und später, als er neben Kurz am Schreibtisch von Kaiserin Maria Theresia saß: "Der schon wieder." Kurz wiederum lächelte gelöst van der Bellen an, schien zu sagen "Grazie. Wofür haben wir das verdient?", und dann, gönnerhaft: "Du kannst hier anfangen. Als Kellner." Am Ende war das Kabinett vereidigt, Sebastian Kurz war neu getauft und der ORF-Moderator verabschiedete sich: "Bon Appetito."