Untersuchungsbericht MDR-Affäre:Freihändiger Sender

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Im Skandalsystem MDR handelten die Verantwortlichen wohl nach eigenem Gutdünken, fanden mal ein Angebotsschreiben nicht wieder, legten dann den Preis willkürlich fest. Dem aktuellen Untersuchungsbericht zufolge wurden die Missstände zwar bemerkt - nur passiert ist am Ende nichts.

Katharina Riehl

Als der Mitteldeutsche Rundfunk in diesem Sommer seinen Unterhaltungschef Udo Foht entließ, war Ingmar Weitemeier schon eine Weile mit einem Spezialauftrag im Einsatz.

"Ein effektives Konsequenzmanagement ist nicht implementiert", heißt es in dem Untersuchungsbericht. Im Bild: Szene aus dem MDR-Polizeiruf "Blutige Straße" mit Wolfgang Winkler, Isabell Gerschke und Jaecki Schwarz (v.l.). (Foto: dpa)

Der ehemalige Direktor des Landeskriminalamts sollte für den inzwischen in den Ruhestand verabschiedeten Intendanten Udo Reiter die Arbeitsabläufe im Sender auf mögliche Schwachpunkte untersuchen. Dass es die geben könnte, war klar. Beim vom MDR verantworteten Kika hatte ein Herstellungsleiter in zehn Jahren 8,2 Millionen Euro veruntreut. Die Affäre Foht, bei der es um dubiose Verträge und Geldflüsse geht, deckte Weitemeiers Kommission wohl eher beiläufig auf.

Von Mai bis Oktober 2011 - so heißt es in dem vertraulichen Untersuchungsbericht, den Weitemeier nun dem MDR-Verwaltungsrat vorstellte - hat die Kommission den Sender vor allem auf Mängel im internen Kontrollsystem untersucht. Das 45-seitige Papier zeichnet das Bild eines Unternehmens, in dem in vielen Fällen an den existierenden Bestimmungen vorbei gehandelt wurde und geäußerte Warnungen offenbar systematisch überhört wurden. Und es macht deutlich, wie groß die Aufgabe der neuen MDR-Intendantin Karola Wille sein wird, das Vertrauen in den Sender und dessen Leitung wiederherzustellen. Wille war unter Reiter stellvertretende Intendantin.

Die von Weitemeier entdeckten Mängel sind die klassischen Symptome einer wohl schludrig geführten Verwaltung. Mal sei ein Angebotsschreiben nicht auffindbar gewesen, mal ein Angebotspreis niedriger als der beim Vertragsabschluss. Mal sei ein Vertrag erst nachträglich geschlossen und nicht unterschrieben worden. In anderen Fällen seien Leistungsnachweise nicht von MDR abgezeichnet, eine Rechnung ohne Vertrag oder ohne erteilten Auftrag bezahlt worden. Ein anderes Mal wurde offenbar vor Erbringung der Leistung bezahlt. In Verträgen seien falsche Tätigkeiten angegeben, dann wieder der "Preis offenbar freihändig festgelegt" worden.

Vor allem aber kommt Weitemeiers Kommission bei der Überprüfung der internen Revisionsberichte auch zu dem Ergebnis, dass diese "zahlreiche, auch bedeutsame Feststellungen und Handlungsempfehlungen" enthalten. Besonders häufig habe die Revision in ihren Berichten auf die "fehlende sachgerechte und transparente Dokumentation der Geschäftsvorfälle hingewiesen". Dass die interne Revision zwar in Berichten auf diese Missstände hinwies, daraus aber wohl kaum Konsequenzen gezogen wurden, liegt offenbar daran, dass die Hinweise der Revision nicht verwertet wurden.

In den Berichten der Abschlussprüfer von 2006 bis 2009 findet sich dem Weitemeier-Rapport zufolge "keine kritische Berichterstattung zum Internen Kontrollsystem des MDR oder Hinweise auf die Revisionsberichte". Im Grunde heißt das: Es ist nicht so, dass nie jemand etwas bemerkt hätte von all den Mängeln. Es ist dann nur nichts passiert. "Ein effektives Konsequenzmanagement ist nicht implementiert" heißt es. Erst 2010, nachdem der Wirtschaftsprüfer gewechselt wurde, habe es eine "deutlich kritischere Berichterstattung" gegeben.

Bestellt werden die Wirtschaftsprüfer vom Verwaltungsrat als Kontrollgremium, nicht von der Intendanz als Geschäftsführungsorgan. In der Praxis, so schreibt Weitemeiers Kommission, sei aber häufig festzustellen, "dass eine intensive Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführungsorgan und Wirtschaftsprüfer stattfindet, das Überwachungsorgan aber nur am Rande eingebunden ist. Der MDR-Verwaltungsratsvorsitzende Gerd Schuchardt erklärt auf Anfrage, das Gremium habe sich stets gründlich mit dem Bericht der Wirtschaftsprüfer befasst - es habe nie Anhaltspunkte gegeben, dass dabei etwas vorenthalten wurde. Der Wechsel des Prüfers 2010 sei routinemäßig erfolgt.

Warum also ist nie jemandem etwas aufgefallen? Weitemeiers Bericht erhebt keine konkreten Vorwürfe: Die Ergebnisse müssten nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Prüfungsdurchführung nicht sorgfältig beziehungsweise nicht berufsrechtskonform durchgeführt worden wäre. An anderer Stelle heißt es: "Inwieweit hier auch eine möglicherweise artikulierte Erwartungshaltung des Auftraggebers hinsichtlich einer unkritischen Berichterstattung Berücksichtigung gefunden hat, kann durch die Untersuchungskommission nicht beurteilt werden".

Auch das wird Karola Wille klären müssen. Am Montag hat sie dem Verwaltungsrat mitgeteilt, mit einer temporären Stabsstelle in der Intendanz die Aufklärung noch offener Fragen zentral steuern zu wollen. Das Gremium sprach ihr sein "volles Vertrauen" aus.

© SZ vom 16.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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