Unruhe bei der FAZ  :Vertrauen verloren

Holger Steltzner

Der FAZ-Herausgeberrat hat sich von ihm getrennt: Holger Steltzner.

(Foto: Helmut Fricke/dpa)

Warum sich der FAZ-Herausgeberrat von Mitherausgeber Holger Steltzner getrennt hat, sagt er nicht. Um eine Premiere hat es sich nicht gehandelt. Aus der Redaktion gibt es Anzeichen dafür, dass sein Stil und seine Ansichten umstritten waren.

Von Caspar Busse, Harald Hordych und Katharina Riehl

Die unauffällige Zeile unter dem Schriftzug Frankfurter Allgemeine Zeitung auf der Titelseite des Blattes wird eher selten gelesen. In der Dienstagsausgabe aber verriet sie, was die Redaktion in Unruhe versetzt: Unter den dort angegebenen Herausgebern fehlt der Name Holger Steltzner. Die tags zuvor veröffentlichte Begründung für den Abgang des 56-Jährigen lädt in ihrer vagen und zugleich negativen Intonierung zu Spekulationen ein: "Die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den anderen Herausgebern war nicht mehr gegeben", hieß es am Montag in der Stellungnahme.

Aus Frankfurt ist auch am Tag danach viel Ratlosigkeit zu hören, der Abgang soll sogar für viele Ressortleiter überraschend gekommen sein. Zuletzt, heißt es, sei Steltzner nicht mehr in der Redaktion gesehen worden sei, angeblich aus gesundheitlichen Gründen. Informiert wurde die Redaktion am selben Tag wie die Öffentlichkeit, die verbleibenden Herausgeber besuchten jedes Ressort einzeln, um die Neuigkeit zu überbringen. Über die genauen Hintergründe der Trennung ließen sich Werner D'Inka, Jürgen Kaube und Berthold Kohler nicht aus, sie sollen aber betont haben: Inhaltliche Meinungsverschiedenheiten seien nicht der Grund.

Eine derart schroffe wie spektakuläre Trennung ist für den Stil des Hauses nicht ganz ungewöhnlich. Zwei Mal hatte die Zeitung einen ihrer Herausgeber entlassen. 1970 musste Jürgen Tern gehen, 2001 Hugo Müller-Vogg. Auch damals gab es in beiden Fällen keine offizielle Begründung. Als nun der Abgang von Steltzner gemeldet wurde, twitterte der seinerzeit geschasste Müller-Vogg: "Das wäre ja mal ganz was Neues, dass die @faznet den wahren Grund nennt, wenn sie einen Herausgeber feuert." Und 13 Stunden später: "Ich weiß bis heute nicht, warum ich 2001 bei der @faznet rausgeworfen wurde. Woher soll ich also wissen, welcher Intrige #Steltzner zum Opfer fiel". Mit Heiligenschein-Emoij.

Bei Müller-Voggs Rauswurf hieß es damals in einem ebenfalls knappen Kommuniqué, die Herausgeber hätten "keine Grundlage mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit" gesehen. Damals waren Branchenkenner von unterschiedlichen politischen Einschätzungen ausgegangen. Weitgehend unstrittig ist im Fall Steltzner bislang, dass das Klima im Herausgebergremium belastet gewesen sein muss. Wer in den Stunden nach dem Rausschmiss nach Gründen forscht, hört viel vom angeblich schwierigen Führungsstil Steltzners, es ist von mindestens einer Kündigung die Rede, die erklärtermaßen darauf zurückzuführen ist. Thema ist auch Steltzners politische Einstellung - seine einseitig-kritischen Kommentare zur Politik der EZB und der Eurorettung und sein Anzweifeln des Klimawandels waren auch in der FAZ-Redaktion nicht unumstritten.

Es ist nicht die erste schroffe Trennung im Gremium. Nun ist eine Nachfolgerin im Gespräch

Selbst unüberwindbare Meinungsunterschiede innerhalb einer Redaktion sind in großen Zeitungen nicht ungewöhnlich, doch die Konstellation der FAZ-Spitze hat es traditionell in sich: Die Leitung der überregionalen Zeitung ist dort allein dem Herausgebergremium überlassen, die Herausgeber sind gleichberechtigt, jeder von ihnen ist für einen Redaktionsbereich zuständig. Wo in anderen Redaktionen die letzte Entscheidung bei einem oder zwei Chefredakteuren liegt, herrscht bei der FAZ zumindest theoretisch ein Führungsvakuum. Steltzner war für Wirtschaft und Sport zuständig, Werner D'Inka verantwortet die Rhein-Main-Zeitung, Jürgen Kaube das Feuilleton und Berthold Kohler die Politik.

Für den 2014 aus Altersgründen aus dem Herausgeberrat ausgeschiedenen Günther Nonnenmacher war kein Nachfolger bestimmt worden, nun sind von ehedem fünf Herausgebern drei übrig. Da drängt sich die Frage der Nachfolge auf. In der Redaktion fällt vor allem ein Name häufig: Heike Göbel. Die 59 Jahre alte Ressortleiterin Wirtschaftspolitik aus dem Rheinland ist seit 27 Jahren bei der FAZ und genießt in der Redaktion und der Branche ein hohes Ansehen.

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