Süddeutsche Zeitung

Unfall bei "Wetten, dass..?":Größer, höher, weiter

Neue Vorwürfe im Fall Samuel Koch: Ein Freund des jungen Mannes behauptet, das ZDF habe Koch überredet, über größere Autos zu springen als ursprünglich geplant. Hat der Sender Druck ausgeübt?

Cornelius Pollmer

In einem Beitrag des Radiosenders NDR 1 Niedersachsen hat ein Bekannter Samuel Kochs Vorwürfe gegen das ZDF erhoben. Christian H. sagte, der Sender habe von Koch vor der Wette gefordert, über größere Autos als ursprünglich geplant zu springen. Die Idee, den 23-Jährigen als Höhepunkt über einen Geländewagen springen zu lassen, stamme vom ZDF. Koch sei sich nicht sicher gewesen, ob es ihm gelänge, ein so großes Auto zu überspringen - und habe deshalb in der Kirchengemeinde, der auch Christian H. angehört, um Rat und Beistand gebeten.

Ein Sprecher des ZDF sagte am Mittwoch, Koch habe dem Sender gegenüber keine Zweifel geäußert. Ob es Idee des ZDF gewesen sei, ihn über einen Geländewagen springen zu lassen, sei ihm "persönlich nicht bekannt". Die für die Wette eingereichte Liste mit Wagen stamme aber von Koch, nicht vom ZDF. Die endgültige Form der Wette sei "im Dialog mit dem Kandidaten entstanden. Niemand wäre im Traum auf die Idee gekommen, Herrn Koch über etwas springen zu lassen, über das er nicht springen wollte", sagte der Sprecher.

Der Norddeutsche Rundfunk wiederum hat "keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit des jungen Mannes zu zweifeln", sagte Eckhart Pohl, Hörfunkchef im Landesfunkhaus Niedersachsen. ChristianH. habe einen "ernsthaften Eindruck" gemacht, eine eidesstattliche Erklärung sei angefordert und zugesagt, liege aber noch nicht vor.

Samuel Koch war am Samstag vor einer Woche in der ZDF-Show Wetten, dass..? bei dem Versuch, mit Sprungstelzen über fahrende Autos zu springen, schwer gestürzt. Aufgrund schwerer Verletzungen an der Halswirbelsäule wurde er zunächst zwei Mal in der Uniklinik in Düsseldorf operiert und am vergangenen Samstag dann in eine Spezialklinik in Nottwil in der Schweiz verlegt. Der ihn dort behandelnde Arzt, Michael Baumberger, sagte am Dienstag, Koch werde "nie mehr normal laufen" können. Lähmungen an Beinen und Armen und des vegetativen Nervensystems haben sich bestätigt. Für eine definitive Prognose aber sei es zu früh, sagte Beat Villiger, Geschäftsführer der Klinik.

Villiger beklagte die Aggressivität deutscher Medien. Obwohl in dem Zentrum schon viele Spitzensportler betreut worden seien, übertreffe der aktuelle Rummel "alles, was ich bisher erlebt habe", sagte er in einem Video-Interview mit der Webseite 20min.ch. Nur wenige Stunden nach dem Bekanntwerden der Verlegung Kochs nach Nottwil habe das erste TV-Team vor der Klinik gestanden. Es seien Mitarbeiter bedroht worden. Das Paraplegiker-Zentrum habe einen Sicherheitsdienst anheuern müssen, der um die Intensivstation postiert wurde. Zudem müsse die Familie von Koch, die zur Zeit auch in der Schweiz ist, geschützt werden. "Wir mussten sie bereits dreimal umplatzieren", sagte Villiger.

In einem Video-Interview mit der Webseite der Basler Zeitung sagte der Klinik-Chef, der von Koch bei der Wette getragene Helm sei "völlig ungenügend" gewesen. Der Kandidat hätte einen "hochmodernen Helm" aufsetzen müssen, wie ihn auch Formel-1-Fahrer trügen. Auf die Frage, wer den Helm ausgesucht habe, sagte der ZDF-Sprecher: "Der Kandidat hat entschieden."

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SZ vom 15.12.2010/kar
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