Süddeutsche Zeitung

Nachruf auf Ulrich Kienzle:Mehr als ein Rededuellant

Seine "Frontal"-Rededuelle mit Bodo Hauser machten Ulrich Kienzle berühmt. Darüber geriet manchmal in Vergessenheit, was er im Journalismus wirklich Großes geleistet hat.

Von Hans Hoff

Was waren das für Zeiten in den 90er Jahren, als CDU und SPD noch taugten als Minus und Plus der deutschen Polit-Elektronik. Man konnte Programm machen mit einem strammen Konservativen, der auf einen bekennenden Sozi traf, und dann haben sich die beiden gepflegt beschimpft. Dabei merkte man stets, dass sie zwar ihre politischen Positionen nicht teilten, sich als Kollegen aber überaus schätzten. Ruft man sich die Begegnungen von Bodo Hauser und Ulrich Kienzle noch einmal ins Bewusstsein, dann kommen einem diese Pseudoduelle im damals frisch eingeführten Magazin Frontal heute vor wie ungelenk gescriptete Aufführungen. Da passte es, dass das Duo 1995 für seine Duelle mit dem Showpreis Bambi ausgezeichnet wurde. Damals aber ließen die beiden einen besonderen Wind durchs deutsche Fernsehen wehen.

Für den "Sozi" Ulrich Kienzle schien dieses politische TV-Theater nie so wichtig, wie es außerhalb der Fernsehwelt gehandelt wurde. Er nahm den damit verbundenen Ruhm eher hin als dass er ihn genoss, denn durch die ganze Aufregung um das ach so neue Streiten im Fernsehen geriet ein wenig in Hintergrund, was der 1936 in Neckargröningen im Kreis Ludwigsburg geborene Journalist wirklich Wichtiges geleistet hatte. Bereits in den Sechzigerjahren war er als Redakteur beim Süddeutschen Rundfunk eingestiegen, wurde Anfang der Siebzigerjahre Redakteur und Moderator des Auslandsmagazins Kompass, bevor er 1974 als ARD-Korrespondent in den Nahen Osten ging und später dann nach Südafrika.

Er stieg danach zum Fernseh-Chefredakteur bei Radio Bremen auf und wechselte 1990 zum ZDF, wo er sich vor allem um die Auslandsberichterstattung kümmerte. Gleich zu Beginn seiner ZDF-Zeit bekam er die Gelegenheit, den irakischen Machthaber Saddam Hussein zu interviewen, der damals Kuwait besetzt hielt. "Es war das Aufregendste, was ich persönlich erlebt habe", resümierte Kienzle 2012 in der SWR-Landesschau. Für ihn war dieses Interview wichtig, weil Hussein in diesem Gespräch quasi den Amerikanern den Krieg erklärte. Gleichzeitig markiert es aber auch einen Tiefpunkt, weil Hussein am Ende des Gesprächs sehr lange Kienzles Hand festhielt, was nach dessen Einschätzung in der arabischen Welt als Anerkennung gewertet wurde. Die Anerkennung eines Massenmörders war aber das Letzte, was Kienzle wollte. "Das war für mich der peinlichste Moment in meinem Leben", wertete er später.

Zur Jahrtausendwende hat sich Kienzle schließlich aus ZDF-Diensten verabschiedet, blieb aber weiter als Buchautor aktiv und lieferte eine Weile für das Verbrauchermagazin "Wiso" die Rubrik "Kaufen mit Kienzle". Vor allem aber galt er als kundiger Nahostexperte, der gerne geladen wurde, wenn es darum ging, zu erklären, wie die arabische Welt tickt. Am Donnerstag ist Ulrich Kienzle im Alter von 83 Jahren in Wiesbaden gestorben.

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