Uli Edel im Interview:"Und da kam der Anruf von Madonna"

Lesezeit: 7 min

Die Weite Amerikas - gedreht in Kroatien: Uli Edel am Set von "Der Club der singenden Metzger". (Foto: ARD Degeto/SWR)

Regisseur Uli Edel hat "Body of Evidence" gedreht - und viele sehr gute Filme. Jetzt kommt "Der Club der singenden Metzger". Ein Gespräch über Hollywood, Erfolge und wie man Goldene Himbeeren verdaut.

Interview von Harald Hordych

Uli Edel gehört zu den wenigen deutschen Film-Regisseuren, die nach dem Krieg ihr Glück in Hollywood gesucht haben, ermutigt durch den Erfolg von Wir Kinder vom Bahnhof Zoo und Letzte Ausfahrt Brooklyn. Edel drehte Kinofilme, aber auch große Fernsehproduktionen. Rasputin wurde mit dem Golden Globe für den besten Film ausgezeichnet. Edel lebt in Los Angeles, neuerdings hat er auch eine Wohnung in Berlin. Die Verfilmung des Louise-Erdrich-Romans Der Club der singenden Metzger hat auch viel mit seiner persönlichen Geschichte zu tun. Ein Treffen in der Kantine im Berliner Friedrichstadt-Palast, wo Edel gerade dreht.

SZ: Herr Edel, Der Club der singenden Metzger ist ein Film über deutsche Auswanderer in Amerika. So einer waren Sie auch mal. Hat sich mit diesem Film also ein Lebenskreis geschlossen?

Uli Edel: Ja, da ist was dran. Meine Vorfahren waren auch Bauern und Handwerker. Ich komme aus einem sehr einfachen Milieu im Badischen. Ich kenne diese Leute. Jeden Einzelnen; jeder, der in diesem Film auftaucht, ist mir vertraut gewesen. Ich hatte das Gefühl: Das sind die Leute, mit denen ich groß geworden bin.

Hat Ihnen das die Arbeit erleichtert?

Ich war vertraut mit dem, was diese Leute empfinden, die von dort gekommen sind, was sie zurückgelassen haben. Und was für sie jetzt Heimat bedeutet.

Kino
:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Regisseur Ron Howard porträtiert Luciano Pavarotti als bodenständigen Superstar mit Lausbubencharme. Und "Die Sehnsucht der Schwestern Gusmão" erzählt von zwei Frauen, die nach Möglichkeitsräumen in einer Welt der Unmöglichkeiten suchen.

Aus der SZ-Redaktion

Wie war das für Sie, als Sie selbst in die USA gezogen sind?

Das war genau vor 30 Jahren. 1989. Der Flug war ausgerechnet am 9. November. Irgendwo über dem Atlantik meldete sich plötzlich der Käpt'n: "Wir haben gerade die Bestätigung aus Berlin bekommen ... die Berliner Mauer ..." - dann stockte er. Ich dachte, er hat das Mikrofon fallen lassen. Wir Passagiere blickten verwundert herum. Und dann hörten wir über den Lautsprecher, dass der Käpt'n schluchzte. Sein Schniefen war deutlich zu hören. Schließlich räusperte er sich und sagte: "Entschuldigen Sie bitte, aber es ist bestätigt worden, die Berliner Mauer ist gefallen!" Und dann war da ein unglaublicher Ausbruch an Freude in diesem Flieger, die Leute, nicht nur Deutsche, fingen an zu weinen, jeder umarmte den, der gerade neben ihm saß.

Sie auch?

Ja klar. Neben mir saß eine Fremde aus Atlanta. Wenn Sie fragen: Was ist denn für Sie Heimat? In solchen Momenten merkt man, dass es für jeden, der da Freudentränen weinte, tief drinnen so was wie eine Sehnsucht nach Heimat gibt.

In dem Film fällt der Satz: "Die Heimat ist zu mir gekommen, ich bin jetzt angekommen in Amerika." Wann hatten Sie das Gefühl, in Amerika angekommen zu sein?

Ich bin ja nicht planmäßig nach Amerika ausgewandert. Das war eine spontane Entscheidung. Ich war noch Junggeselle, hatte also keine Verpflichtung. Und ich hatte ja gerade Letzte Ausfahrt Brooklyn in New York gedreht. Als der Film dann in Amerika anlaufen sollte, habe ich einfach meine Möbel und alles andere meinen Freunden gegeben und gesagt: Hier, ihr könnt alles haben. Wenn ich nach drei Jahren wiederkomme, weil's drüben nicht hingehauen hat, will ich mein Zeug wiederhaben. Jetzt sind's schon dreißig Jahre geworden, und die haben mein Zeug immer noch im Keller.

Gab es nicht ein bestimmtes Projekt, das Sie rübergezogen hat?

Ich hatte ein Drehbuch im Koffer - das nie realisiert worden ist. Die Geschichte der ersten Europäer, Wikinger, die sich in Amerika niederließen. Auch schon eine Auswanderergeschichte. Warner Brothers hat mein Drehbuch gekauft, aber dann nicht gemacht. Es war viel zu teuer.

Und wie fanden Sie Hollywood? Wenn man filmbegeistert ist, ist es toll, mal den Hollywood-Boulevard lang zu laufen. Aber eigentlich ist man doch enttäuscht, wenn man dann vor dem Dolby-Theatre steht.

Mein erster Eindruck war: Toll! Hier dreht sich alles um Film. Jeder redet über Film. Jeder sieht jeden Film. Die Kinos sind voll. Das zu realisieren, war großartig für mich, weil schon damals in Deutschland die Kinobegeisterung sich sehr in Grenzen hielt.

Das macht einem das Ankommen natürlich leichter, wenn man sofort Teil einer großen Film-Community ist.

Na so schnell ging das gar nicht. Aber ich bekam schnell das Gefühl, dass alle hier das machen wollen, was du selbst machen willst. Alle sitzen im selben Boot, und alle kennen das Risiko.

Finanziell?

Nicht nur finanziell. Auch künstlerisch. Filmemachen heißt dort: Interessante Filme machen, die möglichst viele Zuschauer sehen wollen, nicht nur in US-Kinos, sondern rund um den Globus.

Was lernt man denn noch , wenn man aus einem Filmförderungsland kommt?

Ein bisschen war ich darauf vorbereitet, denn schon mit meinen Studienkollegen und Freunden Bernd Eichinger und Herman Weigel waren wir auf der Filmhochschule in München der erste Kurs, der offen das kommerzielle Kino liebte. Mein absoluter Meister war Sergio Leone, der mit Spiel mir das Lied vom Tod Kunst und Kommerz, Europa mit Hollywood vereinte.

War dann Last Exit to Brooklyn so etwas wie Ihr Türöffner in Hollywood?

Das war er. Ein bisschen zu düster. Aber ein Türöffner.

Schon kurios: Zwei Deutsche, Eichinger und Sie, drehen einen derart amerikanischen Film: Amerikanischer Autor, amerikanische Story, amerikanisches Setting.

Bernd ist als Produzent finanziell voll ins Risiko gegangen. Ein Kritiker hat uns im Spiegel vorgeworfen: Diese beiden Deutschen bilden sich in ihrer Hybris ein, über Amerika Bescheid zu wissen. Und dann hat der Film super US-Kritiken bekommen, Jennifer Jason Leigh den New York Critics Award. Obwohl ich den amerikanischen Traum als Albtraum gezeigt habe.

Danach gingen Sie direkt nach Hollywood.

Dazu folgende Geschichte: Eine der ersten Einladungen, die ich in Hollywood bekam, war von Steven Spielberg. Zur Begrüßung sagte er: "Ich wollte dir nur sagen, Last Exit to Brooklyn ist ein Meisterwerk. Ich kenne den Roman gut. Das ist ein Buch, da kann man nur Fehler machen, wenn man es verfilmt. Du hast keinen einzigen gemacht."

Glückwunsch.

Das habe ich wirklich gebraucht - nachdem die Feuilletons in der Heimat mir den Film um die Ohren gehauen hatten.

Haben Sie nicht den Bundesfilmpreis dafür bekommen?

Ja, da war ich echt überrascht. Für beste Regie und bester Film des Jahres.

Ihr Start in Hollywood war dann mit Body of Evidence nicht gerade ruhmreich.

Kann man nicht sagen, nein.

Das war Ihr erster Hollywood-Film, und er war in jeder Kategorie für den Negativpreis Goldene Himbeere nominiert. Wie sehr lässt man das an sich ran?

Die Goldene Himbeere wird nicht so ernst genommen. Und ich war in bester Gesellschaft. Einer meiner Regiefavoriten, Brian de Palma, war dafür schon fünf Mal nominiert. Selbst George Lucas und Stanley Kubrick mussten sich schon eine Himbeere gefallen lassen. Was soll ich sagen? Failure ist kein großer Makel in einer Branche, in der auch viel riskiert wird. Aber da war so eine Geschichte, wie das Ankommen in Hollywood wirklich ablief. Wollen Sie die hören?

Klar!

Das erste Angebot, das ich drüben bekam, war eine Folge von Twin Peaks. Ich kannte David Lynch, weil ich in Deutschland für zwei seiner Filme Trailer gemacht hatte. Als ich ihn in einem Hotel am Sunset zufällig treffe, ruft er: "Was machst du denn hier?" - "Ich suche einen Job." - "Ist ja cool! Mach doch eine Folge von Twin Peaks!"

Zweite Staffel?

Ja, ich habe den neuen Killer im Piloten für die zweite Staffel eingeführt. Danach sollte ich Dracula für Columbia machen. Ich habe mit dem Drehbuchautor Monate daran gearbeitet, den Film sollte ich für zwölf Millionen drehen. Das war damals gar nicht so wenig, aber das Geld hat trotzdem hinten und vorne nicht gereicht. Irgendwann kam ein Anruf: "Es tut uns wahnsinnig leid, Uli, wir mussten einen Regisseur ins Boot holen, mit dem wir auch ein höheres Budget von Columbia bekommen." Ich sage: "Wer?" Antwort: "Francis Ford Coppola." Und ich sage: "Mit dem bin ich doch gerade erst auf dem Oktoberfest gewesen, aber gesagt hat er nix!" Mit Coppola ist das Budget auf 50 Millionen aufgestockt worden.

Hat wehgetan, oder?

Das war ein Schlag. Und ich stand vor der Frage: Was mache ich jetzt? Und da kam der Anruf von Madonna aus Tokyo, die gerade auf Tournee war. Sie hatte auch Last Exit to Brooklyn gesehen und fragte, ob ich die Regie bei Body of Evidence übernehmen möchte. Natürlich hab ich Ja gesagt.

Die Kritiken waren verheerend. Was finden Sie heute noch gut daran?

Ich liebte Madonna für alles, für was sie stand. Ihre Performance im Film finde ich nicht so schlecht, wie sie dann gemacht worden ist. Aber sie sagte mir auch: "Ich spiele nicht gut. Ich bin überhaupt keine Schauspielerin." Madonna ist ja nicht jemand, der sich irgendwas vormacht. Aber sie liebt das Risiko. Und die Provokation.

Sie hatten immer auch ein Western-Faible.

Ich habe da drüben jedem erzählt, wie gern ich einen modernen Western machen würde. Und irgendwann bot mir Turner dann tatsächlich Purgatory, Fegefeuer, an. Den habe ich 1999 in 28 Tagen in der Mojave Wüste gedreht. Der war lange der erfolgreichste Basic-Cable-Film in der US-Fernsehgeschichte. Bei der Erstausstrahlung haben 31 Millionen zugeschaut. Das ist selbst für Amerika außergewöhnlich.

Der Club der singenden Metzger ist ja so was wie ein Western mit Autos. Hat Sie das zusätzlich gereizt?

Ich habe schon versucht, es nicht zu sehr als Western anzulegen, weil das kein Genrefilm werden sollte. Aber ich wollte bestimmte Bilder dieses Genres: die Weite Amerikas, the big sky, die endlosen Straßen, die Leere dieses offenen Landes.

Wie war das für Sie, diese amerikanische Weite in Kroatien herzustellen?

Am Anfang wollte ich das in Kanada drehen. Das grenzt ja im Norden unmittelbar an North Dakota an, das hätte gepasst. In Amerika selber dreht ja kaum jemand, das ist zu teuer. Weil Kanada dann auch noch zu teuer war, mussten wir neu überlegen.

Sie leben in Los Angeles, und dann spielt es für Sie keine Rolle, dass Ihr Amerika-Film in Südosteuropa gedreht wird?

Ich bin dann zum ersten Mal nach Kroatien geflogen, habe die Landschaften gefunden, die Sie auch im Film sehen, und gedacht: Hier machen wir's. Wir haben dann dort eine ganze Dakota-Stadt aufgebaut.

Der Film ist gerade in kleinen Momenten rührend. Was der Vater des Metzgers beim Abschied sagt: schlicht und ergreifend.

Werd' ein guter Metzger.

Es gibt viele solcher Momente. Ist das etwas, was Sie von Hollywood mitgenommen haben?

Das habe ich nicht aus Hollywood mitgenommen. Das hat mir meine Herkunft mitgegeben, mit welcher Bedeutung diese schlichten klaren Sätze aufgeladen sind. Wie viel dahintersteht. Und die Schauspieler haben das toll nachempfunden.

Viele Darsteller in Ihren Filmen haben große Preise bekommen: Allein Alan Rickman für seine Darstellung des Rasputin den Golden Globe, den Emmy und den Screen Actors Guild Award. Wie viel Anteil haben Sie als Regisseur an solchen Erfolgen?

Ich kann nur dazu sagen, dass für mich der Schauspieler immer wichtiger ist als die Kamera. Ich würde immer eine gute Einstellung opfern für die Performance des Schauspielers. Ich glaube, das ist nach wie vor das Grundelement des Filmischen. Nicht die Kamerafahrt, nicht die Großaufnahme. Und die Schauspieler spüren das. Die wissen, ich gebe nicht auf, bevor sie nicht wirklich gut sind.

Der Club der singenden Metzger. Das Erste, Freitag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 27.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bestseller-Verfilmung
:Volle Härte

Heinz Sobota ist ein brutaler Totschläger, Zuhälter - und Autor des Bestsellers "Der Minus-Mann". Ein Treffen mit ihm und dem Regisseur, der sein extremes Leben verfilmen möchte.

Reportage von Julia Niemann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: