Medien in der Ukraine:Einmal Oligarch

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Rinat Achmetow besitzt Medien - und den Fußballklub Schachtar Donezk. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Der ukrainische Unternehmer Rinat Achmetow zieht sich aus dem Mediengeschäft zurück. Ein Erfolg für Präsident Selenskij im Kampf gegen die Superreichen oder ein PR-Trick?

Von Sonja Zekri

Rinat Achmetow, der reichste Mann der Ukraine, zieht sich aus dem Mediengeschäft zurück. Unfreiwillig, wie er sagt. Seine Media Group Ukraine werde alle Lizenzen für Fernsehsender und Printmedien an den ukrainischen Staat zurückgeben, so hatte er am Montag erklärt, seine Online-Veröffentlichungen werden eingestellt. 1,5 Milliarden Dollar habe er in sein Medienunternehmen investiert, 4000 Mitarbeiter seien dort beschäftigt.

Nun aber reagiere er auf ein soeben in Kraft getretenes "Oligarchen"-Gesetz, das Unternehmer in "Oligarchen"-Registern auflistet, wenn sie verschiedene Kriterien erfüllen. Eines davon lautet, dass sie "bedeutenden Einfluss auf die Medien" haben. "Oligarchen" dürfen keine politischen Ämter ausüben, keine politische Werbung oder Parteien finanzieren. Achmetow, der bis 2012 Abgeordneter im Parlament war, erklärte nun, als größter "privater Investor" der Ukraine sei er "nie ein Oligarch" gewesen und werde auch "niemals einer sein".

"Oligarchen" dürfen keine politischen Ämter ausüben oder Parteien finanzieren

Zwar lobte der Präsidentenberater Mychailo Podoljak die Rückgabe der Lizenzen als "neue Seite in der Beziehung zwischen Staat und Wirtschaft" und Kulturminister Oleksandr Tkatschenko sprach von einem "Präzedenzfall". Ukrainische Medienexperten sind hingegen zurückhaltender. War Achmetows Schritt eine Reaktion auf das Oligarchen-Gesetz oder doch wirtschaftlichen Ursachen geschuldet? Und wird die Medienlandschaft der Ukraine dadurch vielfältiger oder der Zugriff des Staates noch stärker?

Zu Achmetows Geschäftskonglomerat gehören nicht nur Energie-, Industrie- und Metallunternehmen wie das wochenlang umkämpfte Asow-Stahlwerk in Mariupol, sondern auch ein Medienimperium mit mehr als zehn Fernseh- und Digitalkanälen, darunter der beliebte Nachrichtensender Ukraine 24, ein Fußballsender und die Plattform Vogue.UA. Entgegen allen Beteuerungen war sein politischer Einfluss in der Vorkriegsukraine gewaltig, vor allem unter der russischsprachigen Bevölkerung im Süden und Osten des Landes. Achmetow hatte einst den moskautreuen Präsidenten Wiktor Janukowytsch unterstützt, der durch die Maidan-Proteste aus dem Amt gejagt wurde, war später aber kaum noch durch politische Opposition aufgefallen. Umso überraschender schien es deshalb, dass Selenskij ihm im Herbst Putschpläne vorgeworfen hatte - ohne dass dies ein juristisches Nachspiel gehabt hätte.

Noch ist nicht klar, was mit den 4000 Mitarbeitern und der Infrastruktur der Sender geschieht

Nach fünf Monaten Krieg allerdings ist der Süden und Osten des Landes umkämpft oder unter russischer Kontrolle, die Fernsehsender haben - freiwillig, wie es oft heißt - ihr Programm vereinheitlicht, der Einfluss des Staates auf die Medien ist deutlich gewachsen, Achmetows Vermögen allerdings um Milliarden geschrumpft. Lohnt sich die Investition in ein Medienimperium, wenn der gesellschaftspolitische Einfluss nicht mehr garantiert ist? Andrij Janizkyj, der Leiter des Journalismuszentrums der Kyiv School of Economics, wies im Informationszentrum für Menschenrechte Smina außerdem darauf hin, dass Achmetow längst erfolgreich andere Kanäle wie Youtube bespielt. Alles, auch die Werbung in den sozialen Netzwerken oder Großveranstaltungen, sei billiger als eine riesige Medienholding.

Die Online-Kanäle sind inzwischen abgeschaltet, aber noch ist offen, ob dies tatsächlich ein Rückzug für immer ist. Noch ist nicht klar, was mit den 4000 Mitarbeitern und der Infrastruktur der Sender geschieht. Gleichzeitig berichten ukrainische Medien, dass Achmetow auf der polnischen Digitalplattform Polsat neun neue ukrainische Sender gestartet hat.

Für die ukrainische Informationsvielfalt ist der Rückzug ohnehin kein reiner Fortschritt, fürchten Experten. Der Einfluss des Staates sei schon jetzt übergroß. Und das warnende Beispiel einer staatlich kontrollierten Medienlandschaft steht allen vor Augen: Russland.

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