Udo Reiter: Schlechter Witz via Twitter:MDR-Intendant verzwitschert sich

MDR-Intendant Udo Reiter twittert einen schlechten Witz - und wird dafür von seinen Lesern abgestraft. Eine harte Lehre für den Chef des öffentlich-rechtlichen Senders.

MDR-Intendant Udo Reiter könnte eigentlich ein Vorbild für moderne Journalisten sein: Anstatt vor den Gefahren der neuen Medien zu warnen, stürzt er sich mitten ins Web 2.0-Getümmel und nutzt den Microbloggingdienst Twitter (http://twitter.com/mdrreiter).

Twitter

Unser "Bundespräsident Mohammed Mustafa": Diesen über Twitter verbreiteten Witz von MDR-Intendant Udo Reiter fanden nur wenige Follower lustig. Er bescherte dem Journalisten seinen ersten "Shitstorm".

Allein diese Tatsache ist erstaunlich für einen 66-Jährigen. Am Dienstagabend sorgte Reiter allerdings bei seinen Followern für ein Erstaunen, das Züge des Entsetzens trug: "Einheitstag 2030: Bundespräsident Mohammed Mustafa ruft die Muslime auf, die Rechte der Deutschen (sic.!) Minderheit zu wahren", teilte er via Twitter der Welt mit (http://twitter.com/mdrreiter/status/26372991295).

Der peinliche Witz, ein Seitenhieb auf die Einheitstagsrede des Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU), wurde schnell zum Rohrkrepierer: Innerhalb weniger Minuten verbreitete sich die Verbalentgleisung des MDR-Intendanten. "Geschmacklos", "Dieser Witz ist eines ARD-Intendanten unwürdig" oder "GEZ-subventionierter Rassismus", waren nur einige der empörten Reaktionen von Twitter-Nutzern.

Wenig später ruderte Reiter zurück. "Der Tweet war vor einiger Zeit ein gezeichneter Witz in einer deutschen Zeitung", schrieb er, "War natürlich als Joke gemeint. Sorry." Zu diesem Zeitpunkt war das Urteil vieler Twitter-Nutzer allerdings längst gefallen. "Ich bleibe dabei, Herr Reiter, mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch!", textete beispielsweise der Journalist Mario Sixtus.

Bei diesem bedankte sich Reiter später sogar artig: "Herzlichen Dank an alle Beteiligten, vor allem an @sixtus. Das war der erste #Shitstorm meines Lebens", schrieb er in seiner bislang letzten Botschaft.

Ein Shitstorm, also eine Situation, in der jemand sich durch eigenes Fehlverhalten heftiger öffentlicher Kritik ausgesetzt sieht, ist auf Twitter keine Seltenheit: Neben amüsanten Kommentaren und Verweisen auf aktuelle Meldungen verbreiten sich vor allem verbale Fehltritte oft in rasender Geschwindigkeit. Die Möglichkeit des Retweets, des Zitierens eines anderen Nutzers, beschleunigt dabei die Verbreitung und steigert damit auch den Grad der Aufgeregtheit. Vor allem wenn prominente Nutzer mit vielen Followern ein Thema entdecken, findet es schnell seinen Weg durch das Twitter-Universum.

Reiters Fauxpas zeigt aber auch, dass gerade bekannte Nutzer mit ihren Äußerungen vorsichtig sein sollten: In den USA unterscheiden Journalisten längst zwischen "Lifecasting" und "Mindcasting" (http://jayrosen.tumblr.com/post/110043432/mindcasting-defining-the-form-spreading-the-meme). Lifecasting bedeutet, jeden Gedanken und auch private Begebenheiten über Twitter zu veröffentlichen. Dies ist bei professionellen Vertretern der Zunft verpönt. Sie bezeichnen sich als "Mindcaster", erfüllen also eine Rolle als Kurator für Links und Informationen, aber auch als Diskursteilnehmer. Dabei geben sie keine persönlichen Informationen preis, sondern bleiben stets in der Rolle des Journalisten.

Die Aufregung um den schlechten Witz des MDR-Intendanten dürfte sich bald legen. Allerdings zeigt sich an den Reaktionen auch, dass die Empörungsmechanismen auf Twitter nicht nur auf Gegenliebe stoßen: Viele Nutzer geben zu Protokoll, dass sie die Heftigkeit der Kritik nicht verstehen: "Der Witz war nicht so schlecht, wie Lena singt", analysiert ein Nutzer trocken.

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