Twitter-Account @TatortWatch:Wenn Grüne den "Tatort" beobachten

Twitter-Account @TatortWatch

@TatortWatch dokumentiert Rechtsverletzungen im Tatort

(Foto: Twitter)

Da will doch tatsächlich jemand der Deutschen liebsten Krimi kritisieren: Unter @TatortWatch dokumentieren Grünen-Politiker "BürgerInnenrechtsverletzungen" im "Tatort". Die CDU wittert sogleich den Versuch politischer Indoktrination, ein SPD-Politiker spricht von "grünem Nannytum".

Von Matthias Kohlmaier

9,31 Millionen Zuschauer haben am Sonntagabend den Kieler Tatort "Borowski und der brennende Mann" gesehen. Da ist es nicht sonderlich überraschend, dass auch ein paar Grünen-Politiker vor Fernseher oder Laptop saßen, ebenso wenig, dass selbige den Film via Twitter kommentierten. Neu hingegen ist: Dass Grünen-Politiker sich unter dem Twitter-Account @TatortWatch zusammengefunden haben und von nun an allsonntäglich "BürgerInnenrechtsverletzungen" in der Deutschen liebstem Krimi dokumentieren.

Wer nun an einen Scherz oder Satire glaubt, dem sei gesagt: Die meinen es ernst. "Wenn ohnehin so viel über den Tatort getwittert wird, kann man das auch mal von der Bürgerrechtsseite betrachten", sagt Paula Riester im Gespräch mit SZ.de. Die 29-jährige Juristin und Grünen-Bundestagskandidatin aus Berlin saß bei der Premiere der Tatort-Beobachter am vergangenen Sonntag an der Tastatur. Als die Kommissare dann etwas zu forsch vorgingen, sah die Reaktion so aus:

Grundsätzlich eine schöne Idee, denn hat sich nicht jeder Krimi-Fan schon einmal gefragt, ob die fiktive TV-Handlung so auch in der Realität ablaufen könnte? Die Reaktion vieler Tatort-Fans via Twitter lässt dagegen vermuten, dass sich die Macher von @TatortWatch quasi einer Gotteslästerung schuldig gemacht hätten.

"Natürlich haben wir damit gerechnet, dass ein paar Leute denken: 'Jetzt kommen hier die Grünen und wollen uns bevormunden'", sagt Riester. Dass die Aktion eine Steilvorlage für den politischen (Twitter-)Gegner von der CDU sein könnte, war aber in der Form wohl nicht ganz abzusehen:

Alles in allem habe sie aber hauptsächlich positives Feedback bekommen, sagt Riester. Eine Handvoll Tatort-Zuschauer, die sich nicht via Twitter in ihren Krimi reinreden lassen wollen, haben dagegen auf ihre ganz eigene Weise reagiert und den Gegen-Account @WatchTatort aufgemacht. Wirft man einen Blick auf die Followerzahlen, scheinen die Beobachter von den Grünen aber deutlich beliebter beim Twitter-Publikum zu sein. Ihr Account hat innerhalb einer Nacht bereits die 1000-Follower-Marke geknackt, während @WatchTatort sich schwertat, wenigstens 100 Fans zu mobilisieren.

Zum Politikum wird die Geschichte trotz aller Kritik aus dem CDU-Lager dennoch kaum taugen, obwohl sich sogar die politischen Freunde von der SPD teils kritisch über @TatortWatch geäußert haben. Christian Soeder, Vorstandsmitglied der SPD Rhein-Neckar, sprach beispielsweise vom "grünen Nannytum". Daraus kann man jetzt eine rot-grüne Diskrepanz konstruieren. Muss man aber nicht. Und auch Paula Riester sagt: "Ich sehe das sportlich. Das ist trotz der bevorstehenden Bundestagswahl eine andere Partei, da darf jeder seine eigene Meinung vertreten."

Von politischer Indoktrination keine Spur

Bleibt festzuhalten: @Tatortwatch ist sicher kein Grund, gleich einen Twitter-Tornado heraufzubeschwören. Wer nicht wissen will, dass der Kommissar dem Beschuldigten eben zwingend seine Rechte hätte vorlesen müssen und dass das ja so überhaupt nicht geht, der folgt dem Twitter-Account eben nicht. Und wen derlei Dinge über die Polizeiarbeit im realen Leben interessieren, der schaut eben hin. Die Grünen jedenfalls wollen den Account mit wechselnder Besetzung weiterführen, beim nächsten Mal twittert Europaparlamentarier Jan Philipp Albrecht.

Von politischer Indoktrination, die einige CDU-Twitterer erkannt haben wollen, kann bei @TatortWatch keine Rede sein. Man wolle einfach ein paar nicht so reale Elemente im Tatort ansprechen, "ohne das gleich bierernst zu nehmen", sagt Riester. Und schließt mit einer kleinen Botschaft an alle, die wegen ihres Projektes den Sturz eines TV-Denkmals befürchten: "Wir machen das nicht, um den Zuschauern den Sonntagabend zu verderben."

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