Süddeutsche Zeitung

TV-Tipps zum Wochenende:Poetisch brutal

Es geht tief hinein ins Sumpfland - ganz real und auch im übertragenen Sinn. Aber Liselotte Pulver zieht einen wieder raus aus dem Schlick.

Von Fritz Göttler

In the Electric Mist

Thriller, Arte, Sonntag, 21.10 Uhr

Davon hatte Regisseur Bertrand Tavernier, Jahrgang 1941, immer geträumt - einen Film drehen in Louisiana, mit Tommy Lee Jones, John Goodman und Peter Sarsgaard, nach einem Roman des verehrten Krimiautors James Lee Burke. Dann aber kamen die Probleme, die viele europäische Regisseure kriegen, wenn sie in den USA drehen. Tommy Lee Jones, der den legendären Bayou-Sheriff Dave Robicheaux verkörpert auf der Suche nach einem Frauenkiller, ist kein ganz einfacher Schauspieler, die Produzenten wollten Tavernier nicht den final cut zugestehen. Aber der Film schwebt dennoch gelassen zwischen Wasser und Sumpfland, beschwört, poetisch und brutal, die Schatten der Vergangenheit - des amerikanischen Bürgerkriegs. In the Electric Mist with Confederate Dead war der komplette Titel des Romans, bei uns lief der Film unter dem Titel Mord in Louisiana.

Das Leuchten der Stille

Liebesdrama, ARD, Nacht zu Montag, 0.35 Uhr

Die amerikanischen Südstaaten, beschworen nicht als geschlossene, auf ihre dunkle Vergangenheit fixierte Welt, sondern offen nach draußen, mit einer frischen Brise vom Meer - das ist die Welt des Nicholas Sparks und der Filme, die nach seinen Erfolgsromanen entstanden. In der Ferne ist in Lasse Hallströms Film der Soldat John (Channing Tatum) stationiert, der sich während eines zweiwöchigen Urlaubs in die Studentin Savannah (Amanda Seyfried) verliebt. Das Liebesversprechen der beiden kann nicht gleich erfüllt werden, John muss zurück - verlängert seinen Dienst nach den Attacken aufs World Trade Center. Die Liebenden müssen, bevor ihr Glück dann fällig ist, noch einige Übungen in Pflicht und Entsagung absolvieren, die mit perverser Exaktheit durchkalkuliert sind im Melodramen-Universum des Nicholas Sparks.

Im Reich der Sinne

Erotikthriller, 3Sat, Samstag, 23 Uhr

Damals, im Jahr 1976, machte der Film von Nagisa Oshima gehörig Skandal, heute läuft er im TV-Programm, schon vor Mitternacht. Eine Amour extrêmement fou in einem Geisha-Haus, ein Mann und eine Frau, die in ihrer radikalen, brutalen Lust keine Grenzen kennen, ein Orgasmus, der in den Tod führt. Als der Film auf dem Forum der Berlinale lief, wurde er nach der ersten Vorführung beschlagnahmt und als pornografisch aus dem Verkehr gezogen. In Cannes, wo er bereits gezeigt worden war, gab es ganz andere Reaktionen - "direkt und rein wie eine erotische Zeichnung von Utamaro", befand die Londoner Times. "Er konzentriert sich", hatte Frieda Grafe über Oshimas Werk geschrieben, "auf den Punkt, in dem die Gewalttätigkeit der Gesetze und die, die in ihrer Übertretung liegt, sich zum Verwechseln ähnlich werden."

Die Zürcher Verlobung

Komödie, 3Sat, Sonntag, 16.40 Uhr

Zum 90. von Liselotte Pulver holen die Sender die bewährten Stücke mit ihr aus dem Keller, darunter auch dieses, von Helmut Käutner, 1957. Davor laufen im selben Programm Das Wirtshaus im Spessart (13.30 Uhr) und Ich denke oft an Piroschka (15.05 Uhr), beide von Pulvers Leibregisseur Kurt Hoffmann, der sie sehr gut brauchen konnte, wenn er das Gefühlige hochtreibt, bis es ins Komische kippt, und umgekehrt. Die Zürcher Verlobung ist ein Film über Film, genauer den Schweizer Film und seine Geruhsamkeit. Es ist natürlich, trotz Lilo, der Film Bernhard Wickis, der einen Regisseur spielt mit ziemlich dicker Haut, der einen Weisheitszahntermin beim Zahnarzt übersteht oder auch, dass Lilo, die unbedingt zum Film will, in dem Drehbuch, das sie schreiben darf, klarmacht, dass sie seinen Spitznamen okay findet: Büffel!

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Quelle:
SZ vom 12.10.2019
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