TV-Technik:Ü-Wagen als Auslaufmodell

Die rollenden Produktionszentralen der Fernsehsender könnten bald der Vergangenheit angehören. Dort, wo es möglich ist, kommt schon heute die Remote-Technik zum Einsatz - das Rohmaterial wird digital versendet.

Von Stefan Fischer

Zu den lästigen Dingen des Fernsehschaffens gehört die viele Technik. In der Regel befindet sie sich nicht dort, wo etwas aufgezeichnet werden soll. Man muss sie also erst hinbringen, weshalb die rollenden Studios der Sender unentwegt von hier nach dort unterwegs sind. Allerdings: Wie lange noch? Der Übertragungswagen, kurz Ü-Wagen, dürfte in Zukunft wohl häufiger mal in der Garage bleiben.

Statt in teure Technik zu investieren und qualifizierte Mitarbeiter als Ü-Wagen-Besatzung auf die Autobahn zu schicken, setzen die Sender immer häufiger auf sogenannte Remote-Produktionen. Am Ort des Geschehens sind nur die Kameras und ein bisschen Elektronik zur digitalen Datenübertragung sowie kleinere Teams als bisher üblich. Produziert werden die Sendungen hingegen in den Regiestudios der Sender. Möglich ist das, weil inzwischen auch große Datenmengen über IP-Netze verschickt und nicht mehr ausschließlich per Kabel in den nebenan geparkten Ü-Wagen überspielt werden können.

Personal, Reisekosten und Investitionen: Die Remote-Idee hilft überall beim Sparen

Für die Sender bedeutet das eine finanzielle Ersparnis. Sinnvoll ist das Verfahren vor allem dann, wenn regelmäßig oder längerfristig vom gleichen Ort gesendet wird. So hatte die ARD etwa unter der Federführung des SWR während der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien vor zwei Jahren zwar ein schmuckes Außenstudio auf einer Dachterrasse hoch über Rio aufgebaut; eine Regieeinheit, wie bisher üblich, war dort aber nicht mehr installiert. Die Bilder wurden im Remote-Verfahren ins internationale Pressezentrum übermittelt, wo sich ohnehin ein Regieraum der ARD befand.

Auch Fußballspiele aus Drittliga-Stadien produzieren die Öffentlich-Rechtlichen zum Teil mit diesem neuen Verfahren, etwa der WDR aus dem Kölner Südstadion, der Heimat der Fortuna. "Dieses Verfahren spart Personal, Reisekosten und Investitionen", sagt Christoph Augenstein, Produktionsleiter beim WDR. Was angesichts der Sparmaßnahmen bei den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten dringend geboten ist. Der WDR wird überdies auf seinem Produktionsgelände in Köln-Bocklemünd eine Regiezone technisch nicht mehr erneuern, sondern dann überwiegend auch für diesen Standort das Remote-Verfahren nutzen.

Der SWR überlegt, den Stuttgarter Landtag Remote-tauglich auszustatten, damit nicht unentwegt Übertragungswagen dorthin geschickt werden müssen. "Synergien ergeben sich vor allem dann, wenn ein Regieteam, das ohnehin im Sender ist, eine weitere Sendung mitproduziert", sagt Carsten Higler, technischer Leiter beim SWR. Oder wenn die Logistikkosten sehr hoch sind: Der Privatsender RTL produziert seit dieser Saison die Übertragungen der Rennen zur Formel-1-Weltmeisterschaft per Remote. Das heißt, die Produktion der Übertragung wird von Köln aus gesteuert, egal ob die Rennen in Bahrain, Monza oder Hockenheim ausgetragen werden. Das sei inzwischen "ökonomisch sinnvoll", sagt Thomas Harscheidt, Mitglied der Geschäftsleitung von RTL Deutschland.

Das vollkommene Ende der Ü-Wagen bedeutet diese Entwicklung nicht. Wo keine ausreichende Infrastruktur vorhanden oder die digitale Datenübertragung zu teuer ist, wird er weiter zum Einsatz kommen. Experten in den Sendern rechnen jedoch damit, dass künftig 15 bis 20 Prozent des Produktionsvolumens im Remote-Verfahren bewältigt werden können. Nur beim ZDF ist man noch zögerlich. Man kenne die Technik, ist vom Mainzer Lerchenberg zu hören, sie sei aber derzeit noch nicht im Einsatz.

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