TV-Serien "PanAm" und "The Playboy Club":Als die Zukunft noch sexy war

"Mad Men" war nur der Anfang. Zwei wunderbare neue Serien im US-Fernsehen huldigen dem Amerika vor der sexuellen Revolution. Ihre Hauptfiguren sind Flugzeug-Stewardessen und Playboy-Bunnys. Beide beweisen, wie sehr Amerika die ungesunden Sechziger Jahre vermisst.

Anne Philippi

Ich war Bunny. Mein Ex-Freund hat mich so genannt. Ich habe einen "Bunny-Dip" gelernt. (Man beugt sich mit geschlossenen Knien vor, die Hüften nach hinten, um so ein Tablett abzustellen.) Der Dip hat nichts gebracht. Die Sache hielt nicht lange. Denn niemand kann für immer Bunny bleiben.

Publicity photo of the October 2011 cover of Playboy Magazine

Diesen Monat macht der amerikanische Playboy mit Laura Benanti als Bunny auf. Das soll an die Gründung des ersten Playboy-Clubs 1961 erinnern und die neue Serie, mit ihr als Hauptdarstellerin, bewerben.

(Foto: REUTERS)

Die Mutter von meinem Ex-Freund war eine PanAm-Stewardess. Die Mädchen galten in den 60-er Jahren als eine Art Service-Supermodel. Die Sache hielt auch deshalb nicht lange. Söhne von PanAm-Stewardessen haben bestimmte Vorstellungen.

Die ganze Playboy-Club-Bunny-PanAm-60er-Jahre-Welt ist natürlich trotzdem toll. Sie sieht gut aus. Sie ist vollgestopft mit Phantasien. Alles war noch möglich. Zukunft war sexy. Amerika hat derzeit große Sehnsucht nach dieser Welt. Und holt sie sich per Fernsehen wieder zurück

Mad Men machte den Anfang. Der Erfolg der Serie bei Publikum und der Intelligenzia öffnete Türen für zwei neue Serien: The Playboy Club über Hugh Hefners ersten Bunny-Club in Chicago ist seit einer Woche bei NBC zu sehen. Und PanAm über das Leben der glamourösen Stewardessen in den frühen Sixties, als der Beruf noch nichts mit Flugbegleitung zu tun hatte, läuft bei ABC.

Im Playboy Club steht eine Bunny-Blondine im Mittelpunkt, die sich in einen Mob-Anwalt verliebt, die um Hefners Aufmerksamkeit kämpfen und gleichzeitig die bösen anderen Bunnys abwehren muss. Hauptdarstellerin Amber Heard trägt ein rotes Bunny-Kostüm und rote Ohren. Ihr Mund ist immer halb offen. Man schaut ihn sich gerne an.

Bei PanAm steht Christina Ricci als Chef-Stewardess im Vordergrund. Sie ist über 18, sie will die Welt sehen und nicht im East-Village neben ihrem Beatnik-Freund versauern. Bevor sie mit ihrem hellblauen Käppchen die Wohnung verlässt, korrigiert sie ihn noch schnell, weil der Trottel immer Marx und Hegel verwechselt. Dann steigt sie in den Helikopter. Sie will Fun. Sie will fliegen in Zeiten der Kuba-Krise. Sie will Spione treffen und Affären haben. Der Werbeslogan für PanAm lautet: "Sie tun es alle. Und sie tun es in 30.000 Fuß Höhe."

Das Publikum wünscht sich "ungesündere Zeiten"

Bei beiden Serien geht es um zwei Dinge. Einmal um einen Lebensstil, der nach heutigen Maßstäben ohne Umwege zu einem schnellen Tod führt. Bunnys und PanAm-Girls schlafen kaum. Nach der Arbeit geht die Party erst richtig los. Sie trinken vor fünf Uhr nachmittags Alkohol (Stewardessen auch morgens). Und sie haben Sex auf Toiletten.

Das "Messy Life" von Mad Men

Chad Hodge, Produzent des Playboy-Club bestätigt: "Die Leute wünschen sich, in ungesünderen Zeiten zu leben. Sie wünschen sich, zu rauchen, zu trinken und Sex auf Toiletten zu haben. Dafür wird man aber heute bestraft."

Vielleicht nicht wegen Sex auf der Toilette. Und vielleicht nicht nach juristischen Maßstäben. Eher wegen der Ansage, man führe ein Leben voller Partys. Und bereut es nicht. Eher wegen der Ansage, man will erstmal, zumindest bis 30, an keiner Beziehung arbeiten, sondern mit Männern schlafen. Selbst Hollywoodstars würden es sich heute im Traum nicht mehr erlauben, mit Kater von gestern Nacht irgendwo aufzulaufen. Man bleibt höchstens lange auf, weil der Hund eine Lebensmittelvergiftung hatte und gepflegt werden muss.

Schon bei Mad Men (ebenfalls ABC) bestand die Faszination neben den gutaussehenden Don und Betty Drapers im sogenannten Messy Life. Man kippte fünf Martinis zum Mittagessen ohne als Süchtiger durchzugehen. Man rauchte als Schwangere, schlief mit heroinsüchtigen Künstlern. Und sah dabei aber aus, als ob man zur Konfirmation eingeladen ist.

Abendessen, bei denen sich die Konversation um Mandelmilch, die Gefahren von Zucker oder den Sinn von Pilates drehte, gab es nicht. Der Mad-Men-Konsum fühlt sich so gut an, weil man die Zeit vor der Revolution (der sexuellen, der geschlechterspezifischen etc.) sieht. Sie ist immer die aufregendere. Die aufgeladenere. Man sieht eine extrem angespannte Welt und darin Menschen, die kurz vor der Explosion stehen. Die Zeit nach der Revolution wirkt dagegen beinahe kraftlos. Alle haben sich beruhigt. Und alles ist irgendwie erlaubt. Dasselbe gilt für Bunnies. Und die PanAm-Girls. Sie wussten, sie waren Avantgarde. Das war aufregend.

Doch bei den zwei neuen Serien geht es nicht nur um Lebensstilfragen. Auf eine interessante Art beschäftigen sie sich mit den zwei Berufen, die jüngeren Frauen - neben Sekretärin, Lehrerin und Ehefrau - damals zur Verfügung standen. In der ersten PanAm-Folge erleidet eine Stewardess am Tag ihrer Hochzeit eine Panikattacke und flieht im Brautkleid mit dem Chevrolet ihrer Eltern. Sie ahnt, was sie in einem Reihenhaus erwartet. Kuchenbacken und Kreuzworträtsel. Als Bunny oder Stewardess konnten Mädchen von zu Hause ausziehen, ohne zu heiraten. Und sie verdienten mit Satinohren auf dem Kopf mehr Geld als ihr schuftender Working-Class-Vater jemals auf dem Konto hatte.

Aber: Warum gerade jetzt?

Warum aber will man sich gerade jetzt die Mädchen mit Satinohren und einem Hasenbommel am Hintern ansehen? Und vor allem: Warum wollen das Frauen? Die Serien-Erfinder scheinen sich jedenfalls darum zu bemühen, die Show nicht als Männersache zu verstehen. Hugh Hefner erklärt in Episode eins die Attraktion des Hasen: "Es waren die frühen 60er, und Bunnies waren die einzigen Frauen in der Welt, die sein konnten, wer sie wollten." Heffner sagt genau: "They could be anybody. Or anybunny." Ab sofort konnte sich das Mädchen also aussuchen, was für ein Lebens es leben konnte, wenn es denn wollte. Wow.

Zwei sehr coole Frauen waren Bunnys

Die Idee, möglichst viele verschiedene Frauentypen um sich zu versammeln, mag eher Hugh Hefners Phantasie entspringen. Doch Bunny sein bedeutete damals den Genuss einer Freiheit, die für ein Mädchen unüblich war. Und es bedeutete nicht, dass man sich als naives Flittchen ein paar Ohren aufsetzen ließ.

Der Beweis: Mindestens zwei sehr coole Frauen verdienten als Bunny ihr erstes Geld. Deborah Harry alias Blondie wechselte als Kellnerin von Max Kansas City, wo sie Andy Warhol und Lou Reed bediente, in den Playboy Club. Harry empfand die Arbeit als finanziell interessant. Und noch mehr. "Man konnte sehr sexy, feminin sein. Gleichzeitig ambitioniert und intelligent. Und man war beschützt." Kollegin und Fotomodell Lauren Hutton sagt es expliziter: "Ich war Bunny für drei Monate. Es war eine gute Erfahrung, weil mich der Job ,pussy power' lehrte. Ich sagte sogar zu Henry Kissinger: ,Für Sie keine Pussy!' Ich glaube wir waren pre-Hippie-Ära -Feministinnen."

Nicht alle fühlen sich beim Thema "Bunny" oder "Stewardess" an good times erinnert. Gloria Steinem, erste Feministin und Aktivistin im Land, hofft, dass "die Leute die Serie boykottieren. Sie erzählt nicht die Wahrheit über die Ära." Die sogenannte Wahrheit hatte Steinem damals persönlich getestet. Für ihre Undercover-Geschichte A bunny's tale bewarb sie sich 1963 und arbeitete ganz Günter-Wallraff-mäßig als "Bunny Marie" im New Yorker Club. Gloria sah in ihrem Kostüm atemberaubend aus. Aber es war einfach nicht Glorias Welt. Sie konnte die engen Korsagen nicht ausstehen. Die Ohren nicht. Und Hugh Hefner auch nicht: "Er versucht, sich selbst und die Clubs glamourös statt billig wirken zu lassen."

Steinem sah in den Mädchen ausgebeutete, unterbezahlte Unterwürfige mit einem Baumwoll-Schwänzchen. Geradezu lächerlich. Doch für Mädchen wie Hutton und Harry schien die Bunny-Welt eine Art Spielplatz, eine Testfahrt mit ihrem Körper. Wie wirkte er? Was wollte er, was konnte er? Und wie fühle ich mich, wenn er ausgestellt ist. Vielleicht gut. Mal sehen.

Mädchen mit Lust am Experiment

Bunny-Darstellerin Amber Heard findet: "Es geht letztendlich um eine Wahl. Wenn Frauen eine Wahl treffen (und bestimmen), was sie tun, ist das keine Ausbeutung." Christina Ricci sieht das ähnlich, wenn es um die PanAm-Mädchen geht. "Sie waren damals keine durchschnittlichen Frauen. Sie übernahmen die Kontrolle und lebten ihr Leben sehr feministisch."

Die Serien haben mit Nostalgie also nicht so viel zu tun. Sie zeigen, beinahe zeitlos, Mädchen, die kein Interesse an Selbstzerstörung und Selbsthass haben. Sondern eben am Experiment. Am Risiko. Am Herumreisen. Am Mal-schauen- was-passiert, wenn ich ein pinkfarbenes Kostüm trage und darin Drinks serviere. Oder während der Kuba-Krise auf dem falschen Flughafen lande.

Natürlich kann man nicht für immer Bunny bleiben. Das ist klar. Das Bunny-Leben ist kurz und nur ein Test, ein Kick-Start für das echte Leben ohne Hasen-Kostüm.

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