Süddeutsche Zeitung

TV-Serie:Die fiktive Roseanne würde sich für die echte schämen

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Der Sitcom ging es darum, amerikanische Arbeiter als raue, aber gute Menschen darzustellen - nicht als Rassisten. Dieser versöhnlichen Botschaft hat Roseanne Barr mit ihren Tweets den Boden entzogen.

Kommentar von Kathleen Hildebrand

Mit ihrem rassistischen Tweet über eine afroamerikanische frühere Beraterin von Barack Obama hat Roseanne Barr, die reale Person, das zerstört, was Roseanne Conner, die fiktive Figur, geleistet hat. Dass der amerikanische Fernsehsender ABC, der die neuen Folgen von "Roseanne" ausstrahlt, die Serie daraufhin abgesetzt hat, ist richtig. Und es ist nicht selbstverständlich.

Es wird ABC wehgetan haben, sich von einer Sitcom zu verabschieden, deren neue Staffel mit ihren sehr guten Einschaltquoten der große Hit der vergangenen Fernsehsaison war. Es hätte gute ökonomische Gründe gegeben, Barrs Entschuldigung für ihren Tweet, die ein paar Stunden später folgte (sie erklärte ihn damit, unter dem Einfluss von Schlaftabletten getwittert zu haben), anzunehmen. Zu sagen: So ist sie eben, so war sie schon immer - provokant bis über alle Schmerzgrenzen hinaus.

Denn es stimmt ja: Roseanne Barr ist nicht nur Trump-Unterstützerin wie ihre Serienfigur. Sie hat auf Twitter auch rechte Verschwörungstheorien wie "Pizzagate" verbreitet. Sie hat behauptet, Chelsea Clinton sei mit einem Neffen von George Soros verheiratet, der wiederum ein Holocaust-Profiteur sei. Sie hat Hillary Clinton als Antisemitin bezeichnet.

Dass ABC nach Barrs neuer Ausfälligkeit so schnell eine so klare Konsequenz gezogen hat, ist richtig. Es zeigt, dass es trotz eines Präsidenten, der ungehindert Verschwörungstheorien verbreitet, doch noch Grenzen gibt für das, was im öffentlichen Diskurs an Widerwärtigkeiten toleriert wird. Trotzdem werden sich die Anhänger der amerikanischen Rechten auf die Entscheidung stürzen und übertriebene "politische Korrektheit" dafür verantwortlich machen.

Der Graben, den Roseanne, die Serie, schließen sollte, hat sich mit einem heftigen Ruck weiter geöffnet. Und wegen dieses Grabens ist es so bedauernswert, dass es diese Sitcom nicht mehr geben wird. Wie nur wenige Formate im amerikanischen Fernsehen vermittelte "Roseanne" die Hoffnung, dass sich da doch wieder etwas kitten lassen könnte im Verhältnis zwischen den politischen Lagern von Demokraten und Trump-Republikanern.

In ihrer Neuauflage sollte "Roseanne" die vom Abstieg bedrohte untere Mittelschicht der USA als Menschen zeigen. Als anständige Leute, die sich zwar mit ihrer liberalen Schwester über Politik streiten und Trump wählen - aber die eben auch lieben und lachen. Die mit wenig Geld zurechtkommen müssen und das Beste für ihre Familien wollen. Die Botschaft der neuen Staffel der Serie war: Wir wissen vielleicht nicht, wie die aktuell vollständige Reihung der LGBTQ*-Etcetera-Buchstaben lautet, aber wir wollen niemandem etwas Böses. Lacht mit uns über das allgemein Menschliche.

"Rassist" wäre die letztmögliche Beleidigung für den "White Trash", dessen Würde Roseanne retten will

Kritiker haben der neuen Staffel von "Roseanne" vorgeworfen, dass sie zu oberflächlich mit den aktuellen Problemen des gespaltenen Landes umgehe, dass sie viele Themen nur antippe, statt sich tiefgehend mit deren Konfliktpotenzial auseinanderzusetzen. Aber dass sie den angeblichen Rassismus jener Bevölkerungsgruppe rechtfertige, die sie abbildet, konnte man ihr nur mit großer Mühe unterstellen. "Roseanne" ging es, früher wie heute, darum, die medienöffentliche Würde der Menschen in der wenig glamourösen Mitte des Landes zu retten. Und das tut man nicht, indem man sie als Rassisten zeigt, die im Einklang mit ihrer Überzeugung leben. Denn das wäre ja die letztmögliche Beleidigung für sie. Und sie sollte es auch sein.

In einer Folge der neuen Staffel beobachtet Roseanne ihre neuen muslimischen Nachbarn, die irritierend viel Dünger im Garten stehen haben. Sie kämen aus "Talibanistan", sagt sie - "Schläfer, die die ganze Nachbarschaft in die Luft jagen wollen". Aber dass Roseanne das tut, ist der Witz. Die Szene macht sich lustig über sie. Denn später in der Folge, als sie bei ihren Nachbarn Wlan schnorren geht, sagt sie zu ihnen, und da ist die Serie wieder ernster: "Wir hassen euch nicht, wir haben Angst vor euch." Der viele Dünger, stellt sich heraus, war nur ein Kaufunfall beim Online-Shopping.

Um diese Art von Differenzierung ging es "Roseanne". Schon immer. In einer der alten Folgen stellt Roseanne ihren kleinen Sohn zur Rede, weil er in der Schultheater-Probe ein Mädchen deshalb nicht küssen will, weil sie schwarz ist. Roseanne sagt, dass sie ihn nicht zu einem kleinen Rassisten erzogen habe. "Schwarze Menschen sind genau wie wir. Sie sind genauso gut wie wir." Leute, die das nicht so sähen, seien peinlich "für respektablen White Trash wie uns."

Deswegen: Natürlich kann man die Serie "Roseanne" weiterhin gut finden, die alten Staffeln wie die neue, die nun keine Nachfolger mehr haben wird. Aber man kann die Grenzen zwischen fiktiver Roseanne und echter Roseanne nicht verwischen, und sie dann wieder hochziehen, um die Serie zu behalten. Mit ihren Tweets hat Roseanne Barr der versöhnlichen Botschaft von Roseanne Conner den Boden unter den Füßen weggezogen.

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