TV-Serie "Dahoam is Dahoam" im BR:"Des schmeckt wie eigschlafene Fiaß"

Dahoam is Dahoam

Gegessen wird immer: In fast jeder Szene von "Dahoam is Dahoam" bekommen die Figuren was zwischen die Zähne.

(Foto: Jo Bischoff)

Brotzeit statt Crystal Meth: "Dahoam is Dahoam" zeigt seit 1500 Folgen im Bayerischen Rundfunk ganz unaufgeregt oberbayerisches Lebensgefühl. Nirgends finden sich Zuschauer besser wieder als zwischen Fischkuchen und Schweinsbraten.

Von Dorothea Wagner

Der Gang zwischen den Studios riecht nach Bratfett und Kümmel. Eine Mitarbeiterin steht an einer Küchenzeile und brät Kartoffeln für die nächste Szene. Sie schabt die braunen Scheiben vom Pfannenboden, dann kratzt sie mit einer Gabel Weißkrautsalat aus einem Plastikkübel und verteilt ihn auf Tellern. "Am Anfang haben sie gesagt, dass es in der Serie höchstens ab und zu eine Breze geben wird - mittlerweile essen die Schauspieler in fast jeder Szene", sagt sie.

"Dahoam is Dahoam" ist die erfolgreichste Serie des Bayerischen Rundfunks der vergangenen Jahre. Fast jeder fünfte Fernsehzuschauer in Bayern sieht zu, wenn Familiengeschichten aus dem fiktiven Ort Lansing erzählt werden. In Zeiten, in denen in US-Serien Crystal Meth gekocht wird, gibt es bei "Dahoam is Dahoam" Schweinsbraten, Brotzeitplatten und Bratkartoffeln.

Die Serienfiguren sind Familienersatz

Die Serie kommt ohne Ekstase aus; sie bringt das Lebensgefühl eines oberbayerischen Dorfes in die Wohnzimmer der Zuschauer. Die Serienfiguren kämpfen für schnelleres Internet auf dem Land oder sind wütend, weil ihre Kinder die Fahrräder nicht abgesperrt haben.

Die meisten Szenen werden in Dachau gedreht, auf einem ehemaligen Fabrikgelände. Hinter der Lansinger Kirche und dem Maibaum steht eine Halle mit eingeschlagenen Fenstern und Graffiti. Die Studios sind in einem Wellblechgebäude untergebracht, gleich nebenan liegt der Friedhof des Filmsets. Doch es gibt nur wenige Gräber: In der Serie stirbt fast nie jemand.

Ein Herz: verliebt. Durchgestrichenes Herz: nicht mehr verliebt

Für manche Zuschauer verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Die Serienfiguren sind für sie Familienersatz. Wenn es einer Figur schlecht geht, leiden sie mit. "Das ist wie im echten Leben: Jeder hat seinen Liebling und trauert", sagt Daniela Boehm. Die verantwortliche Redakteurin überprüft alle Schritte der Produktion. Boehm glaubt, dass die Serie so erfolgreich ist, weil sie täglich läuft: "Man kann sich in der Welt auf nichts verlassen, außer darauf, dass die Serie kommt."

Boehms Büro liegt im ersten Stock des Hauptgebäudes. Die 44-Jährige mit den Lachgrübchen sitzt vor einer Steckwand. Auf Zetteln stehen die Beziehungen der Figuren. Ein Herz: verliebt. Durchgestrichenes Herz: nicht mehr verliebt.

Es gibt Menschen, die sich in der Serie verlieren

Die Zuschauer schreiben der Redaktion viele E-Mails und Briefe. In den meisten davon wird klar: Die Zuschauer sehnen sich nach Harmonie. "Oft schreiben sie: Jetzt war so viel Streiterei, wann wird es wieder schön bei euch?", erzählt Boehm.

Als eine Familie in der Serie Geldprobleme hatte und sich eine Figur beschwerte, dass es deswegen so oft Nudeln gibt, schickte ein Zuschauer zehn Euro, damit sich die Familie etwas Anständiges kochen könne. Kürzlich hatte eine Köchin in der Serie einen Unfall und konnte eine Weile nicht arbeiten. Bei Boehm landeten drei Bewerbungen für den Job. "Es gibt Menschen, die sich nach dem zweiten oder dritten Jahr in der Serie verlieren und daraus eine kleine Ersatzfamilie bauen."

Teils fehlende Beherrschung der bairischen Sprache

"Dahoam is Dahoam" läuft seit sieben Jahren, immer montags bis donnerstags, an diesem Donnerstag wird die 1500. Folge ausgestrahlt. Die Serie war Teil einer Neuausrichtung des Bayerischen Rundfunks: Früher erklärten dort Männer in Pullundern Mathe und Chemie, heute setzt der Sender auf Unterhaltung und Heimat. Mit "Dahoam is Dahoam" hat sich der BR ein Stammpublikum aufgebaut. Was das bedeutet, wird an den Fan-Tagen deutlich: Jahr für Jahr reisen Tausende Zuschauer nach Dachau, wenn der BR das Set öffnet. Vergangenes Jahr kamen 12 000.

In der Öffentlichkeit steht die Vorabendserie immer wieder in der Kritik - zuletzt, weil Finanzminister Markus Söder in einer Folge aufgetreten ist und für seine Politik werben durfte. "Dass das solche Auswirkungen hat, haben wir unterschätzt, weil wir ja auch andere Politiker eingeladen hatten", sagt Boehm, "ich habe daraus gelernt." Kritisiert wurde die Sendung auch für den Dialekt. In Internetforen wird er als verkitscht und zu künstlich beschimpft. Gerhard Holz vom Förderverein Bairische Sprache bemängelte kurz nach dem Start der Serie die "teils fehlende Beherrschung der bairischen Sprache bei einigen Darstellern". Mittlerweile arbeitet "Dahoam is Dahoam" mit dem Verein zusammen.

Hundswillen? Oder: oh leck?

Am Set achtet an diesem Tag Claus Steigenberger auf die richtige Aussprache. Der 57-Jährige ist Schauspiel-Coach. Er muss auch darauf achten, dass der Dialekt richtig herauskommt - vor allem, wenn geflucht wird. Steigenberger sitzt für die Sprechprobe mit den Schauspielern an einem Tisch im Lansinger "Brunnerwirt".

Im Studio reihen sich runde Holztische aneinander, darauf Bierkrüge mit Besteck und Servietten. Hinter der Theke drängen sich leere Masskrüge auf Regalbrettern, die anderen Wände sind in Bewegung; zwei Mitarbeiter bauen das Set um und schieben die holzvertäfelten Wandstücke zusammen. Darstellerin Carina Dengler liest gegen das Quietschen der Umbauarbeiten an: "Au weh!" In der Serie spielt sie Kathi, eine Dorfbewohnerin, die aus der Oberpfalz kommt und viel flucht. Steigenberger hakt ein: "Würdest du auf oberpfälzisch nicht sagen: Hundswillen? Oder: Oh leck?"

Steigenberger hat Theaterwissenschaft studiert, mit Schwerpunkt Volkstheater, und stand jahrelang als Kabarettist auf der Bühne. Ihm ist bewusst, dass der Dialekt in der Serie nicht vollkommen authentisch sein kann: "Man muss schauen, dass man ein spielbares Bairisch hinbekommt. Damit können wir allerdings nicht jedem Dialektfreund gerecht werden." Hinzu kommt der Zeitfaktor: Manche Produktionen schaffen pro Drehtag weniger als fünf Minuten. Bei "Dahoam is Dahoam" werden täglich mehr als 20 Minuten produziert.

Stell dir vor, du beißt in einen Fischkopf

Die Sprechprobe ist vorbei, die Darsteller laufen in die Metzgerei, wo die Szene aufgezeichnet wird. Im Regal hängen Salamis und Blutwürste, in der Theke liegen Weißwürste und Schinken. Eine Mitarbeiterin trägt Brotzeitplatten vorbei, die gleich verkauft werden sollen. Durchs Studio weht Wurstgeruch. Er verfliegt schnell - die anderen Würste sind aus Plastik.

Die Stellprobe beginnt. In der Szene geht es darum, ob Fischkuchen das richtige Essen ist für ein Date. "Des schmeckt doch wie eigschlafene Fiaß. Uaaaah!", mosert Schauspielerin Carina Dengler alias Kathi. Dialekt-Coach Steigenberger rollt das Drehbuch in seinen Händen und schreitet auf sie zu. "Verstärk das noch, buuuah, stell dir vor, du beißt in einen Fischkopf." Die Maskenbildnerinnen laufen in das Set und pudern die Gesichter der Darsteller. Letzte Korrektur vor der Aufnahme.

Drei Kameramänner filmen die Szene simultan aus mehreren Richtungen. Eine Mitarbeiterin wechselt während der Aufnahme zwischen den Kameraperspektiven und schneidet die erste Rohfassung. Was dabei herauskommt, läuft auf einem Monitor hinter den Kameras. Totale, Schnitt, Großaufnahme. Kathis verzerrtes Gesicht, der Tipp mit dem Fischkopf hat geholfen.

Das Team wechselt das Studio, die neue Szene spielt in einem Wohnzimmer. Am Anfang liegt Darsteller Lucas Bauer, der in der Serie Patrick heißt, auf dem Sofa. "Kann er eine Zeitung lesen?", ruft die Regisseurin. Die Ausstatterin bringt eine selbst gebastelte Fernsehzeitschrift. Auf der Vorderseite ist ein Model mit Locken und Plastik-Ohrringen zu sehen, auf der Rückseite Werbung für das BR-Magazin Blickpunkt Sport. Ein Mitarbeiter ruft aus dem Hintergrund: "Läuft das überhaupt noch?"

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