TV-Serie "100 Code":Scandinavian Noir

100 Code TV-Serie

Kollegen wider Willen: Michael Nyqvist (r.), der Schwede, findet Dominic Monaghan zu laut; der Amerikaner findet ihn dafür zu grantig.

(Foto: Red Arrow)

Der deutsche Bezahlsender Sky koproduziert zum ersten Mal eine eigene Serie. In "100 Code" bekämpfen sich ein New Yorker und ein Stockholmer Polizist, die gemeinsam Morde klären müssen. Ein Setbesuch.

Von Silke Bigalke

Um sich auf seine Rolle im düsteren Schwedenkrimi vorzubereiten, hat Dominic Monaghan viel Zeit allein verbracht. Er hat Skyrim auf dem Computer gespielt, ein Spiel mit Elfen, Drachen und Trollen. Er hat viele traurige Filme gesehen, eine Menge trauriger Bücher und düsterer Gedichte gelesen. Dantes Inferno war dabei und Krimis aus Skandinavien natürlich. Jo Nesbø hat ihm besonders gut gefallen.

Ein Wunder, dass der Schauspieler, bekannt als Hobbit Merry im Herr der Ringe und aus der Serie Lost, überhaupt noch lachen kann. Am Set von 100 Code im Stockholmer Vorort Huddinge scherzt er: Am liebsten würde er in Game of Thrones mitspielen, egal welche Rolle, Hauptsache, sie habe mit der blonden Schönheit Daenerys Targaryen zu tun.

Nun ist er in Schweden statt in Westeros: Monaghan spielt den amerikanischen Cop Tommy Conley, der vom New Yorker Police Department (NYPD) nach Stockholm geschickt wird. Conley soll helfen, eine besonders grausige Mordserie aufzudecken: Junge Mädchen, blond und blauäugig, wurden tot in einem Blumenfeld gefunden. Dabei muss der New Yorker mit dem schwedischen Ermittler Mikael Eklund (Michael Nyqvist) zusammenarbeiten. Die beiden hassen sich. Der Schwede findet den Amerikaner laut und unzivilisiert, der Amerikaner den Schweden alt und grantig. Gleichzeitig haben beide mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen: Eklund schaffte es nicht, seiner Tochter ein besserer Vater zu sein. Conley fühlt sich für den Tod seiner Freundin verantwortlich.

Junge Mädchen werden getötet, ein ungleiches Paar muss ermitteln. Kennt man alles schon?

Zwölf Folgen mit diesem ungleichen Paar hat Oscar-Gewinner Bobby Moresco (L.A. Crash) geschrieben, der auch Regie führt. Die Elemente kommen einem bekannt vor: Noch eine Krimiserie, noch ein depressiver New Yorker Cop, noch ein alternder schwedischer Polizist, noch ein Plot im Scandinavian Noir. Neu ist, dass 100 Code das alles mischt - einer dieser düsteren schwedischen Krimis, produziert im großen, amerikanischen Stil.

Und noch etwas ist neu: 100 Code ist die erste Serie, die der Bezahlsender Sky Deutschland koproduziert. Lange schon will Sky dem US-Vorbild HBO, bekannt für Serien wie Sopranos oder Game of Thrones, nacheifern. Sky stellt sich der Herausforderung nicht allein: Der schwedische Sender Kanal 5 und die Pro-Sieben-Sat-1-Tochter Red Arrow International produzieren mit. Sky hat sich die Senderechte für den deutschsprachigen Raum gesichert, geplant ist die Ausstrahlung ab Frühjahr 2015. Das internationale Team hofft auch auf Erfolg in den USA. 100 Code wird zum größten Teil auf Englisch gedreht.

Kaffee und belegte Brote statt Pizza und M&Ms

Auch der Moment scheint günstig gewählt, die skandinavische Abgründigkeit ist seit Stieg Larssons "Millennium-Trilogie" für Amerika interessant. Henning Mankells Wallander hat die britische BBC verfilmt. Und die norwegische Krimiserie Lilyhammer, in der sich ein New Yorker Gangster nach Skandinavien verirrt, geht in die dritte Staffel. Sie wird von Netflix koproduziert, dem amerikanischen Video-on-Demand-Anbieter, der auch mit House of Cards HBO Konkurrenz macht.

Die Grundidee für die Geschichte stammt aus dem Roman Merrick vom irischen Autor Ken Bruens. Er schreibt über einen Polizisten, der mit einem Austauschprogramm des NYPD aus Irland nach New York kommt. Bobby Moresco und Henrik Bastin von Fabrik Entertainment, US-Tochter von Red Arrow, drehten die Geschichte um, ließen den Amerikaner nach Europa kommen. "Was ich darin sehen konnte, waren noch größere kulturelle Unterschiede, größere Konflikte. Deswegen endete es in Schweden", sagt der gebürtige Stockholmer Bastin.

Schauspieler Monaghan, der in Los Angelos lebt, kann das bestätigen: Amerikaner drehten schneller, die Crews seien doppelt zu groß, die Schweden dafür sorgfältiger. Außerdem gäbe es in Schweden nur Kaffee und belegte Brote in den Pausen, aus Hollywood ist er Pizzaberge und M&Ms gewohnt. Anfangs war der Brite Monaghan dem Regisseur Moresco gar nicht amerikanisch genug. Erst ein Telefonanruf in glaubwürdigem New Yorker Slang brachte ihm die Rolle.

Ganz anders war es bei Michael Nyqvist, ihn wollte Moresco unbedingt. Sein Aufritt als Journalist Mikael Blomkvist in der "Millennium-Trilogie" prädestinierte ihn geradezu für die Rolle des schwedischen Schnüfflers. Natürlich hat auch sein Charakter in 100 Code eine dunkle Seite "aus Schuld und Ärger", sagt Nyqvist. "Wir Schweden sind besonders gut in Schuld." Am Set in Huddinge, zwischen gelben, grünen und blauen Mittelstandhäusern, ist davon nichts zu spüren. Hier durchsucht das ungleiche Ermittler-Paar einen Schuppen. Die Sonne scheint, die Gärten blühen. Nichts von nordischer Düsternis.

Kann es überhaupt gut gehen, wenn ein Amerikaner über Schweden schreibt? "Es ist sicher eine Herausforderung", sagt Moresco. Was die Dialoge angeht, hat er sich auf seine schwedischen Schauspieler verlassen. Sie sollten sich nicht ans Skript halten, sondern so sprechen, wie sie als Schweden nun mal englisch sprechen würden, wenn ein Amerikaner anwesend ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: