Süddeutsche Zeitung

TV-Moderatoren vor neuen Herausforderungen:Mein Feind, der Zuschauer

Erst Harald Schmidt, dann Thomas Gottschalk, bald auch Günther Jauch? Die Ära der großen TV-Entertainer neigt sich ihrem Ende zu. Denn das Fernsehen verändert sich und zum Quotendruck gesellt sich ein neuer Trend: Das Publikum will sich nicht mehr bevormunden lassen und selbst ein Teil der Sendung sein.

Carolin Gasteiger

Zwei TV-Granden nehmen ihren Hut: Harald Schmidts letzte Sendung sendete Sat 1 Anfang Mai, vergangene Woche hat sich auch Thomas Gottschalk vorerst vom TV-Publikum verabschiedet. Keiner der beiden schaffte es, mit seiner jüngsten Sendung im TV-Quotendschungel zu überleben. Also mussten sie gehen. Auch wenn es nur ein Abschied auf Zeit sein soll.

Harald Schmidts Sender-Hopping - von Sat 1 ins Erste, erst ohne, dann mit Oliver Pocher, dann wieder zurück zu Sat 1 - hat ihm das Publikum nicht verziehen. Ebenso wenig goutierte es Thomas Gottschalks Vorabend-Selbstversuch, mit dem sich der Entertainer selbst demontierte. Sogar das ARD-Nachtprogramm hatte zum Teil bessere Quoten.

Vorbei also die Zeiten, in denen Schmidt und Gottschalk bis zu zehn Millionen Zuschauer vor den Bildschirm locken konnten. Man muss sich das klarmachen: Das deutsche Fernsehen hat in weniger als einem Jahr zwei TV-Titanen verheizt. Ihr Abschied ist gerade verdaut, da fragen sich viele: Wer kommt nach? Welche Moderatoren haben das Potenzial, in die übergroßen Fußstapfen der Altherren-Riege zu treten?

An talentiertem Nachwuchs mangelt es nicht. Raab-Zögling Matthias Opdenhövel oder die MTV-Jungspunde Joko & Klaas stehen schon in den Startlöchern. Opdenhövel moderiert neben der Sportschau inzwischen auch seine eigene Show Opdenhövels Countdown im Ersten und geriert sich damit zum neuen ARD-Aushängeschild. Und Joko & Klaas, die mit neo paradise ihren Kultstatus beim Fanpublikum verfestigen, das sie in ihren MTV-Home-Zeiten gewonnen haben, diese beiden handelt Pro Sieben gerade als "exklusive Verpflichtung". Nach den Samstagabendshows 17 Meter und Die Rechnung geht auf uns sind weitere Projekte geplant.

Aber es geht nicht nur darum, wer nachkommt, sondern auch, in welchem Umfeld. Denn das Fernsehen wandelt sich und des Moderators neue, größte Gefahr ist nicht mehr nur die Quote, sondern bald der Zuschauer selbst.

Der Trend geht zum zweiten Bildschirm

Denn der hat beim Fernsehen immer öfter sein Smartphone in der Hand und holt sich dort zusätzliche Infos zum Programm, checkt seine Mails, tauscht sich mit Freunden oder anderen Fans über das aktuelle TV-Geschehen aus oder stimmt bei Live-Votings ab. Drei von vier Zuschauern sollen jüngsten Studien zufolge während des Fernsehens auch Computer oder Handy nutzen.

Second Screen lautet das Phänomen im Fachjargon, also zweiter Bildschirm, nämlich der des Smartphones, iPads oder Laptops. Und je mehr die Zuschauer auf ihr Handy und weg vom TV-Bildschirm schauen, desto mehr tritt der Moderator in den Hintergrund. Dann ist eben gerade interessanter, was die Freunde, die ebenso online sind wie der Zuschauer selbst, zur Sendung sagen.

Nun liegt das Scheitern Schmidts oder Gottschalks nicht allein daran, dass die Zuschauer mehr mit ihrem Smartphone beschäftigt waren, als den beiden Moderatoren zu lauschen. Aber hätten die beiden dem Phänomen Social TV, zu dem Second Screen gehört, noch adäquat begegnen können? Gottschalk war es mit dem ursprünglichen Sendekonzept zu Gottschalk Live ja sogar angegangen: Via Facebook und Twitter konnte das Publikum Fragen stellen, sich zur Sendung äußern, mit dem Moderator selbst nach Ausstrahlung chatten. Allein, es scheiterte an der konsequenten Umsetzung und nach nur wenigen Monaten wurde das Sendungsschema über den Haufen geschmissen und das Publikum saß nicht mehr vor seinem Computer oder Smartphone, sondern live im Studio.

Mitbestimmung ist Trumpf

"Fans wollen Teil ihrer Lieblingssendung sein", konstatiert Pro-Sieben-Sat-1-Manager Stephen Strubel die Entwicklung. Im Oktober will die Sendergruppe zur zweiten Staffel von The Voice of Germany auch neue Programme fürs Smartphone starten. Auf der sendungseigenen App erwartet die User ein Livestream - außerdem News, Videos sowie eine Chatfunktion.

Auch die BR-Sendung Rundshow probiert sich an Social Media aus. Per Google Hangout, das Videokonferenzen ermöglicht, Twitter oder Facebook können die Internetuser an den Redaktionskonferenzen teilnehmen, eigene Themen einbringen und so die Agenda der Show mitbestimmen. Auch noch während der Ausstrahlung. Im Netz können besonders eifrige Fußballfans ihren einstigen Vorbildern wie Marcel Reif nun Konkurrenz machen - und selbst ein EM-Spiel kommentieren. Aber hat das Zukunft? Oder sind das nur Spielereien?

Als "Identitätsstützen der Gesellschaft" bezeichnet Zeit-Autor Ijoma Mangold Schmidt, Gottschalk und Co., deren Zeiten nun passé sei. Jetzt, da der Second Screen auf dem Vormarsch ist, scheint der Moderator eher wieder zu seiner ursprünglichen Aufgabe zurückzukehren: den Input aus der Redaktion, aber vor allem aus dem Publikum zu bündeln und dem Zuschauer zu präsentieren.

Neue Qualitäten sind gefragt

Entertainerqualitäten spielen dabei kaum mehr eine Rolle, Selbstbeweihräucherungsattitüden sind fehl am Platz. Stattdessen identifiziert sich der Moderator zunehmend mit seinen Zuschauern und beide kommunizieren auf Augenhöhe. Oder braucht es nach wie vor charismatische Figuren, die den Zuschauer an die Hand in die interaktive TV-Zukunft führen?

Schmidt und Gottschalk dürfte Second Screen kaum noch tangieren. An ihrem Publikum ging der aufkommende Social-Media-Hype weitgehend vorbei. Sollte das Fernsehen tatsächlich immer interaktiver werden, wird für die Moderatoren alter Prägung kaum mehr Platz sein. Da kann sich Gottschalk Spiegel Online gegenüber noch so optimistisch zu seiner Zukunft äußern - ein breites Publikum werden sie dann nur noch schwer überzeugen können.

Diskutieren Sie mit: Sind Harald Schmidts und Thomas Gottschalks Zeiten vorbei? Oder werden Sie mit einer neuen Sendung erfolgreich auf den Bildschirm zurückkehren? Und wie schätzen Sie die Zukunft von Günther Jauch ein, der mit "Wer wird Millionär?" zwar nach wie vor erfolgreich ist, mit seiner Talksendung aber so gerade die Quote erfüllt. Sagen Sie uns Ihre Meinung! In der Bildergalerie zum Thema können Sie außerdem über die einzelnen Moderatoren abstimmen.

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