TV: "Lost" bei Apple:Das Ende der Erstausstrahlung

Apple und Disney bieten einen Tag nach der Ausstrahlung die Erfolgsserie Lost bei iTunes an. Das hat Folgen fürs Fernsehen.

Jürgen Schmieder

Es war eine lapidare Erklärung, die Damon Lindelof abgab. "Einen Tag nach der Ausstrahlung wird es die aktuelle Folge zum Download bei iTunes geben", sagte der Produzent der erfolgreichen Fernsehserie Lost. In den Vereinigten Staaten sorgte dieser Satz für ungefähr so viel Aufregung, als hätte Präsident Barack Obama kurz einmal gegähnt. Schließlich kann jede Folge dort digital aufgezeichnet und einen Tag später auf der Homepage von Sender ABC kostenlos angesehen werden.

Lost, itunes, Foto: oh

Warten auf einen deutschen Sender, der

Lost

dann nach monatelanger Verzögerung ausstrahlt? Das ist wohl vorbei.

(Foto: Lost, itunes, Foto: oh)

In anderen Ländern wurde der Ankündigung mehr Beachtung geschenkt - schließlich gilt Lost nicht nur als popkulturelles Phänomen, sondern als weltweit erfolgreichste Fernsehserie. Allerdings nicht aufgrund der Einschaltquoten, sondern aufgrund der Aufzeichnung mit digitalen Videorekordern - und der illegalen Dowloads im Internet.

Obama verschiebt Rede

"Es gab noch keine Serie, die eine derartige Fanbasis hatte wie Lost", sagt Michael Benson vom Disney-Sender ABC. Vor der Premiere der sechsten Staffel flogen 12.000 Menschen nach Hawaii, um die erste Folge einen Tag eher sehen zu können.

Präsident Obama verschob seine Rede zur Lage der Nation, um nicht gleichzeitig mit Lost auf Sendung zu sein. Und nun sollen die aktuellen Folgen von Lost rasch über iTunes des Computerriesen Apple weltweit Verbreitung finden.

Online und Download

Bisher standen die Folgen schon wenige Stunden nach der US-Erstausstrahlung zum illegalen Herunterladen bereit, oftmals sogar mit deutschen Untertiteln. Die Download-Zahlen waren enorm.

Allein in Deutschland wurde die letzte Folge der fünften Staffel mehr als eine Million Mal aus dem Netz gezogen. Eine Studie des Marktforschungsinstituts tfactory zeigt, dass heutzutage mehr als 50 Prozent der 15- bis 25-Jährigen Serien nicht mehr im Fernsehen, sondern online verfolgen oder herunterladen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was die Rechteinhaber sich davon versprechen.

2,99 Euro pro Folge

Das indes ist ebenso illegal wie das Ansehen per Stream. "Dabei ruft der Benutzer die gewünschte Videodatei ab und startet die Wiedergabe sofort, ohne dass die Datei auf der Festplatte gespeichert werden muss", sagt der Hamburger Rechtsanwalt Andreas Roy. "Dennoch wird die Datei im Arbeitsspeicher zwischengespeichert, hierdurch kommt es zur Vervielfältigung, die strafbar ist."

Bisher wussten die Rechteinhaber der Serien nicht so recht, wie sie gegen die illegale Vervielfältigung im Netz vorgehen sollten. Es könnte sein, dass ihnen beim Durchsehen der zahlreichen Foren die neue Idee für iTunes gekommen ist. "Ich will nicht warten, bis sich ein deutscher Sender erbarmt, Lost mit einjähriger Verspätung auszustrahlen", ist da zu lesen. Ein anderer Fan schreibt: "Ich bin gerne bereit, dafür zu bezahlen - wenn es in hoher Qualität und legal ist."

Illegale Downloads minimieren

2,99 Euro müssen die Nutzer nun pro Folge bezahlen, dafür bekommen sie sowohl die High-Definition-Version als auch eine in abgespeckter Qualität. Für 50 Cent weniger gibt es nur die weniger hochwertige Version, es gibt auch ein Format mit deutschen Untertiteln.

Rechteinhaber Disney und der Sender ABC hoffen durch diesen Vorstoß, illegale Downloads zu minimieren und durch den Verkaufspreis noch etwas vom üppigen Lost-Kuchen abzubekommen. ABC hat bereits angekündigt, das Experiment bei einem Erfolg auf Serien wie Desperate Housewives auszuweiten.

Was dieses Projekt für deutsche Fernsehsender bedeutet, ist noch nicht abzusehen - es sind jedoch deutliche Konsequenzen zu erwarten. Durch das zeitnahe Bereitstellen im Internet, auch noch mit deutschen Untertiteln, fehlt den deutschen Sendern die Exklusivität, das Prädikat "Deutschland-Premiere". Es könnte das Ende der Erstausstrahlung bedeuten, zumal die Folgen eben nicht als illegales Filmchen in schlechter Qualität bereitstehen, sondern als Originalversion mit gestochen scharfem Bild und digitalem Surround-Sound.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welchen Erfolg die Auftaktfolgen hatten.

Illegale Downloads

Denn wer sollte sich die fünfte Staffel von Lost ansehen - die derzeit übrigens gerade auf Kabel 1 läuft -, wenn er bereits die sechste legal herunterladen kann? Es könnte einen Teufelskreis für deutsche Sender geben: Die Zuschauer besorgen sich die künftigen Staffeln über das Internet. Die Einschaltquoten im Free-TV sinken, was die Sender veranlasst, der Serie einen schlechteren Sendeplatz zu geben. Noch weniger Menschen schalten ein, die Serie wird abgesetzt und ist gar nicht mehr zu sehen.

Auch deutsche Pay-TV-Kanäle könnten ihr Alleinstellungsmerkmal der schnellen Veröffentlichung verlieren. Auf dem Sender Fox des Pay-TV-Angebots Sky wird die erste Folge der sechsten Lost-Staffel vom 17. März an zu sehen sein - bei iTunes wird da schon die zehnte Episode zum Download bereitstehen. Beim Bezahlsender Sky gibt man sich derzeit besorgt, hofft aber, dass die Einschaltquoten dennoch stabil bleiben. Bei Navy CIS etwa sei zu beobachten gewesen, dass die Quoten auch dann nicht rückläufig waren, als die Folgen nicht mehr zuerst ausgestrahlt wurden.

Ein unschönes Ruckeln

Die Bereitstellung bei iTunes indes ist ebenfalls nicht unproblematisch, es gibt die Apple-üblichen Einschränkungen. So ist es etwa nicht möglich, eine heruntergeladene Folge auf einem Datenträger zu speichern und dann in hoher Qualität über die Playstation3 zu sehen.

Die einzige Möglichkeit derzeit ist, diese über den Computer abzuspielen, der mit dem Fernseher verbunden ist - dazu benötigt der Zuschauer jedoch die TV-Box von Apple, die etwa 269 Euro kostet. Bei der ersten Folge, die erst 36 Stunden nach der Erstausstrahlung bereitstand, war zudem ein unschönes Ruckeln festzustellen.

Spitze der iTunes-Charts

Illegale Downloads dagegen, die nur nur zwei Klicks entfernt sind, lassen sich ohne weiteres auf DVD brennen oder auf USB-Sticks kopieren und überall abspielen - und da liegt derzeit das Problem: Wer Bezahlinhalte im Internet anbietet, der muss dafür sorgen, dass sie gegenüber illegalen Downloads und anderen Versionen einen Mehrwert bieten.

Es sind Kinderkrankheiten, mit denen die Verantwortlichen da zu kämpfen haben - und die dringend beseitigt werden müssen. Produzent Lindelof äußerte sich positiv über die Bereitstellung im Internet, auch wenn er mit den genauen Download-Zahlen ebenso geheimnisvoll umgeht wie mit dem Ausgang der Serie.

Die beiden Auftaktfolgen jedenfalls schossen an die Spitze der iTunes-Charts. Es könnte sein, dass nicht nur die Serie selbst als eine der innovativsten Formate in die Geschichte eingeht - sondern auch Pionier für die Bereitstellung im Internet wird. Dann müssen sich deutsche Sender etwas einfallen lassen.

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