TV-Kritik zum "Euro Hawk"-Debakel:Thomas, deine Misere

Siebenmal hat sich Drohnen-Minister de Maizière am Mittwoch erklärt: Dreimal vor dem Parlament, einmal vor der Hauptstadtpresse, dreimal im Fernsehen. Nur in Anne Wills Talkrunde gibt es eine wirklich kritische Auseinandersetzung mit der "Euro Hawk"-Affäre. Dort war der Minister jedoch gar nicht zu Gast.

Von Thorsten Denkler und Michael König, Berlin

Bettina Schausten lässt den Minister Sätze vervollständigen. "Wenn sein Name jetzt als 'Thomas de Misère' verballhornt wird ...", beginnt die ZDF-Redakteurin und der Minister ergänzt: "Dann ärgert mich das." Es ärgert ihn also, dass mit seinem Namen Späßchen gemacht werden. Es ist ja auch ein ehrenwerter Name, den er da trägt. Einer mit langer Tradition.

Dass er sich ärgert, hat er an diesem Tag schon einmal gesagt. Vor der Bundespressekonferenz in Berlin. Da ärgerte es ihn "ziemlich", dass er von seinen Staatssekretären nicht früher und nicht wesentlich deutlicher über Zulassungsprobleme mit der Aufklärungsdrohne Euro Hawk informiert worden sei. Aber so sehr, dass er sich selbst oder einen der Staatssekretäre gefeuert hätte, ärgerte er sich dann auch wieder nicht. Und dass solche Vorgänge auf Staatssekretärsebene entschieden würden, das sei "gelebte Tradition in der Bundeswehr".

Siebenmal hat er das am Mittwoch erklärt: Vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestages, vor der Bundespressekonferenz, vor dem Haushaltsausschuss, im Plenum des Bundestages. Am Abend dann folgten ein Termin bei Sat 1 und zwei ungleich wichtigere Termine bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Wichtiger zumindest, was die Frage angeht, wer die Deutungshoheit über die Befähigung des Drohnen-Ministers für sein Amt behält: Der Minister? Seine Kritiker? Die Öffentlichkeit?

Fast zeitgleich ist de Maizière in den Sondersendungen "Farbe bekennen" der ARD und eben "Was nun?" im ZDF mit Bettina Schausten zu sehen. Am späten Abend dann, diesmal allerdings ohne ihn, beschäftigten sich auch noch die Talkgäste von Anne Will mit dem Fall von Thomas und seiner Misere.

Ein Mann aus Fleisch und Blut

In ARD und ZDF wiederholt de Maizière seine Verteidigungsstrategie, die er den ganzen Tag über vertreten hat. Der Stopp des Drohnen-Projektes sei richtig gewesen und auch zum richtigen Zeitpunkt erfolgt. Nur das Verfahren sei fehlerhaft gewesen. Er habe halt von nichts gewusst. Aber das werde jetzt verbessert. Von ihm persönlich.

"Zwei von drei" Punkten seien okay gelaufen, sagt er in der ARD. Dort stellt Ulrich Deppendorf die beiden Fragen, die wohl gestellt werden müssen: "Sind Sie in Ihrem Ministerium Koch oder Kellner?" Die wenig überraschende Antwort: "Ich bin der Minister." Die zweite Frage: "Haben Sie über einen Rücktritt nachgedacht?" De Maizière neigt den Kopf zur Seite: "Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut, kein Automat."

Das Ergebnis dieser Überlegungen könnte eindeutiger nicht sein: "Ich möchte gerne diesen sehr schwierigen Weg, Neuausrichtung der Bundeswehr und Umstrukturierung des Ministeriums, gerne noch vier Jahre weiterführen", sagt de Maizière. Neue Amtszeit statt Rücktritt. Nach Schuldgefühlen klingt das nicht. Im Gegenteil. Es scheint für einen Moment, als sei er das Opfer dieses ganzen Drohnen-Debakels. Er sei "mit einem kräftigen blauen Auge" davongekommen. "Aber das kann ja verheilen." Schnief, schneuz, da wird einem warm ums Herz.

Die Taktik de Maizières

Wen das beeindruckte, der hätte vielleicht später noch eine weitere Sendung in der ARD gucken und sich eines Besseren belehren lassen sollen: Anne Will hatte neben den Koalitionspolitikern Elke Hoff (FDP) und Andreas Schockenhoff (CDU) nämlich drei Gäste um ihren weißen Couchtisch versammelt, die sich von de Maizières Tränen-Hascherei nicht irritieren ließen - im Gegenteil: Harald Kujat, einst Generalinspekteur der Bundeswehr, Politikberater und Publizist Michael Spreng sowie Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin.

Spreng lässt schon zu Beginn der Talkshow keinen Zweifel daran, dass das Krisenmanagement des Ministers ein entscheidendes Detail schmerzlich vermissen lässt: Er lässt die Frage der personellen Konsequenzen komplett unbeantwortet, hält sich die Option lediglich offen. "Ist Herr de Maizière Chef des Verteidigungsministeriums oder ein Gefangener des Verteidigungsministeriums? Wenn er Chef ist, muss er sich wie ein Chef verhalten", findet Spreng. Heißt: Er muss einen oder beide Staatssekretäre feuern.

Oder selber gehen. "Warum hat er das heute nicht entschieden?", fragt Spreng und schiebt die Antwort direkt hinterher. Weil de Maizière weiß, dass die Opposition weiter Pfeile auf ihn schießen wird. Solange er die Staatssekretäre noch hat, kann er die einfach in die Schusslinie stellen. Abberufen kann er sie später immer noch.

Formfehler mit Konsequenzen

Das wäre taktisch wohl durchaus ein geschickter Schachzug. Weitaus geschickter jedenfalls als sein Umgang mit der ganzen Causa Euro Hawk im vergangenen Jahr. Anne Will fragt Kujat, einst Deutschlands oberster Militär, warum de Maizière offenbar nie selbst nachgefragt habe, wie es um das Hunderte Millionen Euro schwere Beschaffungs- und Entwicklungsprogramm bestellt sei. Kujats vernichtende Einschätzung: "Ich habe keine Erklärung dafür."

Kujat verweist auf ein ähnliches Drohnen-Projekt der Bundeswehr, den Global Hawk. Es sei "das wichtigste Projekt, das wir haben". Da sei es "natürlich nicht erklärlich, wenn das gleichgelagerte Projekt (Euro Hawk, Anm. d. Red.), nicht die gleiche Aufmerksamkeit bekommt." Das sei jetzt "diplomatisch ausgedrückt", schiebt Kujat noch hinter. Beharrt aber darauf, dass de Maizière im Ergebnis richtig gehandelt habe: "Das, was zu tun war, hat er getan. Und er hat es sehr ordentlich gemacht."

CDU-Mann Schockenhoff versucht dagegen, den Eindruck zu wecken, es ginge nur um ein paar lässliche Formfehler. Die Entscheidung des Ministers, das Projekt Euro Hawk zu stoppen, bevor viel Geld verbrannt wird, sei richtig. Die Liberale Elke Hoff sekundiert, dass System sei ja künftig in militärischen Operationen einsetzbar, nur eben nicht im zivilen Luftraum. Sie könne sich da durchaus ein oder zwei Einsatzszenarien vorstellen. Dann wären die Anschaffungskosten der Drohne von 260 Millionen Euro nicht völlig aus dem Fenster geschmissen.

Also doch alles irgendwie gut? Spreng ist irritiert: "Dann verstehe ich nicht, warum wir überhaupt zusammensitzen."

Trittin gibt einen Hinweis, warum auch der Formfehler erhebliche Konsequenzen nach sich gezogen habe: Im März 2012 habe de Maizière erstmals von den Problemen erfahren. Hätten er und seine Staatssekretäre schon damals die Verteidigungs- und Haushaltspolitiker über die Probleme mit der Zulassung der Drohne für die zivile Luftfahrt informiert, hätten diese vielleicht nicht so zügig eine halbe Milliarde Euro für das andere Drohnen-Projekt - Global Hawk - bereitgestellt. Doch der Minister und seine Mitarbeiter hätten das nicht getan. Es seien nicht mal de Maizières Ministerkollegen im Bundeskabinett ausreichend informiert worden. Dass es diese Unterrichtung nie gegeben habe, sei "eine Misstrauenserklärung an das Parlament", findet Trittin. Kujat nickt.

In Wills Runde geht wohl niemand davon aus, dass de Maizière zurücktreten wird. Und was ist mit seinem blauen Auge, will Will wissen. Spreng hat da eine pragmatische Erklärung: "Ja gut", sagt er, "er hat ja nur noch dreieinhalb Monate Amtszeit bis zur Bundestagswahl." Das wird er wohl irgendwie überstehen.

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