TV-Kritik zum Echo 2013:Der alte Mann und der Punk

Die Kontroverse um den Ausschluss der Band Frei.Wild findet beim Echo 2013 vor allem vor der Tür statt. Die Verleihung selbst ist ungefähr so aufregend wie ein Besuch im Supermarkt. Der für sein Lebenswerk geehrte Hannes Wader bescherte der Show am Ende doch noch einen Hochmoment - bis Campino auf die Bühne stürmte.

Eine TV-Kritik von Matthias Kohlmaier

Am Ende geht alles ganz schnell. Helene Fischer taucht noch mal aus dem Publikum auf, sagt Auf Wiedersehen, wünscht viel Spaß bei den Tagesthemen und nur Sekunden später erklärt Tom Buhrow: "Zypern taumelt dem Abgrund entgegen." Das fühlt sich ein bisschen an wie: Alle silbernen Briefbeschwerer bei den Echos 2013 sind verliehen, jetzt aber ganz schnell zurück zu Europas Finanzkrise. Der ARD-Zuschauer könnte ja was versäumen.

Freilich bricht der Euro an diesem Donnerstagabend um 23:10 Uhr dann doch nicht zusammen. Es wäre also gar nicht nötig gewesen, die Echo-Verleihung so abrupt zu verlassen - und ausgerechnet den einzigen Moment des Abends, in dem in der Halle und vor der heimischen Mattscheibe ein bisschen Stimmung aufkam, derart abzuwürgen. Aber dazu später mehr.

Denn auch wenn die Verantwortlichen das gerne galant überspielt hätten, waberte das Brimborium um die in der Kategorie "Rock/Alternative National" von der Liste der Nominierten gestrichene Band Frei.Wild durch diese Echo-Verleihung 2013. Vor der Halle demonstrierten Fans der Südtiroler gegen den Rausschmiss und zugleich gegen ein paar Hansel der NPD, die besagtes Brimborium gerne für ihre Zwecke genutzt hätten.

Umstrittene Kategorie wird durchgepeitscht

Und drinnen? Dachte man wohl, wenn in dieser einen Kategorie schon bloß noch vier Nominierte übrig sind, könnte man doch eigentlich die hübsche Sängerin Katie Melua als Laudatorin rausschicken, möglichst flott den Sieger (Unheilig mit Sänger Der Graf) verkünden lassen und gut. Dazu muss man wissen: In allen anderen Kategorien wurden die Namen sämtlicher Nominierten verlesen; selbige wurden in kleinen Filmchen vorgestellt. Dann erst wurde der Sieger bekanntgegeben und der Echo überreicht.

Dass nach all dem Ärger vor dem Abend an der Messe Berlin nun auch noch die Vergabe dieses Preises so seltsam durchgepeitscht wurde, sah und sieht nicht hübsch aus und wurde sicherlich den anderen in der Kategorie nominierten Künstlern nicht gerecht. Denn die können am wenigsten dafür, dass die Deutsche Phono-Akademie als Veranstalter durch ihre eigens angelegten Kriterien - wer viele Platten verkauft, wird nominiert - so in Bedrängnis geraten war. Ein Dank geht in dieser Sache noch an den Sänger von Unheilig. Denn der sagte in seiner Dankesrede zu der Causa Frei.Wild: nichts.

So kann die Diskussion nun in den Gremien der Echo-Verantwortlichen geführt werden, wo sie hingehört. Und wo hoffentlich bis zum kommenden Jahr eine Lösung gefunden wird, die vielleicht mit einer Generalüberholung des deutschen Musikpreises endet. Denn die Veranstaltung, die sich laut Echo-Homepage "nahtlos in die Reihe der Brit Awards und des Grammy" einfügt, ist ob ihres Nominierungsprinzips ungefähr so spannend wie ein Einkauf beim immergleichen Supermarkt. Denn eingeladen werden nicht zwangsläufig die besten Sängerinnen und Sänger, sondern diejenigen, die die meisten CDs verkauft und Songs per Download an den Fan gebracht haben. Erst in zweiter Instanz entscheidet eine Jury über die Gewinner.

Dass sie das 2013 insgesamt dreimal im Sinne der Toten Hosen tat und sie damit zum großen Sieger des Abends (Album des Jahres, Gruppe Rock/Pop National und Hit des Jahres) machte, ganz zu schweigen vom Produzenten-Echo des Vorabends, sei hier noch aus Chronistenpflicht erwähnt. Auch Rapper Cro - der mit der Pandamaske - wurde mehrfach geehrt, ebenso Sängerin Lana Del Rey und die Gastgeberin des Abends, Helene Fischer.

Helene Fischer gibt den Robbie Williams

Was die Schlagersängerin betrifft, wäre es an dieser Stelle wohl cool und hip, ein wenig über sie im Allgemeinen und ihre Leistung als Moderatorin des Abends im Besonderen herzuziehen. Aber: Das ist gar nicht nötig. Denn Fischer machte einen soliden Job, obschon zwei ihrer drei Outifts mit ihrem Silberglanz ein unangenehmes Gefühl in den Augen verursachten. Vor allen Dingen dürfte Fischer - plus die unsägliche Diskussion um Frei.Wild - dafür gesorgt haben, dass es für die ARD mit den Quoten bergauf ging. Waren doch die Echos 2012 auf das geringste Publikumsinteresse gestoßen, seit die Verleihung im Fernsehen ausgestrahlt wird. Diesmal schalteten nach Senderangaben 3,73 Millionen Menschen ein (1,15 Millionen mehr als im vergangenen Jahr), der Echo 2013 erreichte damit einen Marktanteil von 13,3 Prozent.

Singer Wader poses with his award during Echo Music Awards ceremony in Berlin

Liedermacher Hannes Wader wird bei den Echos 2013 für sein Lebenswerk geehrt.

(Foto: REUTERS)

Nur über zwei Dinge konnte die 28-jährige Fischer nicht hinwegtäuschen: die nicht vorhandene Stimmung im Saal sowie, und fast noch schlimmer, den grausig geplanten Ablauf des Abends. Zu Beginn schwebte Fischer zum Beispiel über die Köpfe des Publikums auf die Bühne, "Let me entertain you" von Robbie Williams schmetternd. Der parallel ablaufende Totentanz im Saal war sogar auf der heimischen Couch deutlich zu sehen, einzig die eingekauften Klatscher rund um die Bühne sorgten notdürftig für Stimmung.

Ob es wirklich nötig war, Deutschlands Beitrag beim Eurovision Song Contest in Malmö, Cascada mit "Glorious", direkt im Anschluss an die Ehrung der Rocker-Legenden von Led Zeppelin für ihr Lebenswerk einzuplanen, bleibt zumindest fraglich. Völlig außer Frage jedoch steht, dass dem Abend ein wenig Humor gutgetan hätte. So musste selbst der geneigte Zuseher schon sehr glücklich sein, als Bariton Max Raabe die französische Sängerin - und Ehefrau von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy - Carla Bruni mit den Worten ankündigte: "Von Zeit zu Zeit begegnet sie dem ehemaligen französischen Präsidenten - wenn auch nicht auf Augenhöhe."

Glückwunsch, Hannes Wader - danke für nichts, ARD

Aber dann kam er schließlich doch noch, der eine Moment, der alles zum immerhin relativ Guten hätte wenden können. Eingeleitet hatte ihn Reinhard Mey, mittlerweile 70 Jahre alt und trotzdem in Biker-Lederjacke auf die Bühne geschlendert. Er hielt eine wirklich ergreifende Laudatio auf den Lebenswerk-Preisträger des Abends, den "wahrhaft großen Liederpoeten" Hannes Wader.

Als Wader unter stehenden Ovationen die Bühne erreicht hatte und sagte, er müsse sich das alles "morgen noch mal bei Youtube" anschauen, war man schon ein wenig mit der lauen Show-Kost der vorangegangenen zweieinhalb Stunden versöhnt. Als Wader dann auch noch "Heute hier, morgen dort" sang, stellte sich dieses warme Gefühl in der Magengegend ein, das immer kommt, wenn man sich aufrichtig für jemanden freut. Und das hätte so bleiben können, wenn die Bühne hinter dem Liedermacher sich nicht plötzlich aufgetan und die Toten Hosen auf den armen Mann zugestürmt wären.

Dass Campino es als "große Ehre" empfunden hat, mit Wader zu singen, ist für ihn persönlich bestimmt nett. Dass Wader anzusehen war, wie wenig glücklich der 70-Jährige darüber war, plötzlich mit gefühlt 150 Dezibel beschallt zu werden, ist dagegen sehr schade. Was von den Kreativen im Hintergrund als abschließendes Highlight angedacht war, wirkte unnötig bis peinlich. In diesem Sinne: Glückwunsch, Hannes Wader - danke für nichts, ARD.

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