Brigitte Nielsen gewinnt Dschungelcamp-Finale:Chancenlos gegen Omageddon

Dieses Dschungelcamp war eine Show der netten Lethargiker: Ob Doppel-D-Promi in Zahnseidenbikini oder Ex-Fußball-Star: Alle integrierten sich perfekt in die gepflegte Camp-Langeweile. Umso mehr Raum war da für die One-Woman-Show der Brigitte Nielsen - die ihr am Ende auch den Titel einbrachte.

Mirjam Hauck

Das Dschungelcamp offeriert dem Zuschauer perfekt zubereitete Geschmacklosigkeiten - inklusive Kakerlaken und giftigen Nattern. Zumindest im vergangenen Jahr.

2012 dagegen war es eine Show der netten Lethargiker: Selbst Doppel-D-Promis in Zahnseidenbikinis integrierten sich perfekt in die gepflegte Camp-Langeweile. Deshalb, liebes RTL: Ich bin ein Zuschauer, ändere was!

Als RTL 2004 erstmals Ich bin ein Star, holt mich hier raus! ausstrahlte, war die Aufregung groß. Die Show sei ein Abgrund an Zynismus, sie befriedige niedrigste voyeuristische Instinkte, kurz, sie sei eine "schamlose Kommerzialisierung des Werteverfalls", schimpften Politiker.

Einige Jahre und einige Staffeln später ist die Empörungswelle abgeebbt. Mittlerweile protestiert nur noch der "Bund gegen Missbrauch der Tiere", und zwar wegen der unwürdigen Behandlung der Kakerlaken und Mehlwürmer.

Während die Empörungsmaschinerie ins Stocken geriet, sprang die wohlwollende, fast schon intellektuelle Begleitung der Sendung an. Da wird den Moderationstexten von Sonja Zietlow und Dirk Bach "Sprachwitz" attestiert und der Freitag schreibt in perfektem Magisterarbeits-Deutsch: "Das Dschungelcamp handelt nicht von ekligen Prüfungen, sondern von Interaktion und Kommunikation am Lagerfeuer."

Der philosophische Diskurs scheint auf die diesjährigen Camp-Insassen abgefärbt zu haben. Der durchschnittliche Dschungelbewohner 2012 reinkarnierte als altgriechischer Stoiker: Er döste viel und redete wenig. Kurzzeitig auftretende, durchaus kontrovers zu diskutierende Thesen wie "Abspülen ist Arbeit für Frau" (Ailton) oder "Frauen darf man nie zur Chefin wählen" ("Mentalist" Vincent Raven) spülte der Dauerregen im australischen Dschungel einfach weg. Von wegen Interaktion und Kommunikation: Kein Streit, keine Lästereien, kein Mobbing, nirgends.

Einziger Profi: Reality-TV-Animateurin Brigitte Nielsen

Einziger Kommunikationsprofi in der bräsigen Dschungelrunde: Brigitte Nielsen - Ex-Hollywood-Star, Ex-Frau von Sylvester Stallone und Ex-Affäre von Sean Penn. Seit zehn Jahren tingelt die Superblondine durch 13 (!) Reality-Formate. Sie entgiftete im Celeb-Rehab with Dr. Dre und ließ sich in der RTL-Doku Aus alt mach neu die Silikonkissen austauschen. Mit festgetackertem Dauergrinsen und fröhlichen "Yeaaaaaaaahhs", "Come oooons" und "Suuuuuuuuuupers" auf den Lippen umarmte sie nun im Dschungelcamp Schlangen, streichelte Maden und verspeiste Larven.

Brigitte Nielsen gewinnt Dschungelcamp-Finale: Brigitte Nielsen zog ihre One-Woman-Show ab, hier bei der Dschungelprüfung "Winterschlussverkauf", am Tag 8 des Camps.

Brigitte Nielsen zog ihre One-Woman-Show ab, hier bei der Dschungelprüfung "Winterschlussverkauf", am Tag 8 des Camps.

Als versierte Reality-TV-Animateurin versuchte sie mit Sätzen wie aus dem Motivationslehrbuch ("Schöner Körper, das wird funktionieren!") die dösigen Mitinsassen anzutreiben, die wie Martin Kesici entweder vorzeitig aufgaben ("Ick brauche meine Freiheit") oder wie Daniel Lopes mit dauernden Flenn-Attacken zur sofortigen Abwahl aufriefen.

Auch Doppel-D und Zahnseidenbikinis (Micaela Schäfer), amtlich attestiertes Schauspieltalent (Rocco Stark) und die toughe Pocahontas-Wiedergeburt Kim Debkowski waren letztlich nur Staffage der One-Woman-Show von Brigitte Nielsen. Und so krönten die durchschnittlich 6,5 Millionen Zuschauer pro Folge die "Omageddon" (Zitat Sonja Zietlow) zur Dschungelkönigin. Bei Nielsen merkt der Zuschauer eben: Gelernt ist gelernt.

Für die restlichen zehn ungekrönten Dschungelhäupter heißt es jetzt: Zurück ins Leben, zurück ins kalte Deutschland. Vielleicht meldet sich ja das ein oder andere Realityformat. Zumindest Dirk Bach würde sich freuen: "Das sind Langzeitarbeitslose, denen wir auf freundliche Art bei der Wiedereingliederung ins Berufsleben helfen wollen."

Womöglich ist genau das ein weiterer Grund für das ereignislose Dschungelcamp 2012. Wer einen neuen Job sucht, präsentiert sich als netter, friedliebender Mensch. Deshalb, liebes RTL: Im nächsten Jahr bitte nur Querulanten mit festem Job und ohne Steuerschulden einladen. Damit endlich wieder Interaktion und Kommunikation am Lagerfeuer stattfinden!

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