TV-Kritik zu "Die nervigsten Deutschen 2011":"Promi-Primaten-Ballett"

Daniela Katzenberger ist die "nervigste Deutsche 2011": Dazu wurde die gelernte Kosmetikerin von den Prosieben-Zuschauern in einer Rankingshow gekürt. Wer hin und wieder einen Blick in die Boulevardpresse wirft, den dürfte das Ergebnis nur wenig überraschen. Weshalb die Läster-Sendung nur ein aufgewärmter Freak-Reigen ist. Eine kleine Nachtkritik.

Meike Mai

Daniela Katzenberger ist also "die nervigste Deutsche 2011". Darauf hätte man vielleicht auch selbst kommen können, wenn man nur oft genug sein Hirn von der Bild-Zeitung einwickeln lässt. Pro Sieben machte daraus eine gleichnamige Show. Zwei Stunden, gestern Abend zur besten Sendezeit. Und schaffte damit das Kunststück, die nervigsten Promis in einer der nervigsten Shows 2011 durchzunudeln.

TV-Kritik zu "Die nervigsten Deutschen 2011": Die Pro-Sieben-Zuschauer haben entschieden: Daniela Katzenberger ist die "nervigste Deutsche 2011". Das Ergebnis überrascht nicht wirklich, da die Läster-Show nur ein Abbild der Boulevardpresse ist.

Die Pro-Sieben-Zuschauer haben entschieden: Daniela Katzenberger ist die "nervigste Deutsche 2011". Das Ergebnis überrascht nicht wirklich, da die Läster-Show nur ein Abbild der Boulevardpresse ist.

(Foto: Agency People Image)

Da plappern Boris und Lilly über ihre Reisepläne (gähn); da wird die Affäre von Cora Schumacher nochmal aufgewärmt (mmh), Ballack bemitleidet, den Ehefrau und Fußballglück verließen (och nee) oder Roberto Blancos Prügelattacke nochmals gezeigt (pfui). Und das alles nur, weil der Privatsender seine Zuschauer im Internet dazu aufgerufen hatte, 50 prominente Namen zu nennen, die sie in den vergangenen Monaten auf die Palme brachten.

Rankingshow nennt man das Ganze. Nicht unbedingt ein neues Format, aber ein bewährtes. 2003 hatte Pro Sieben das erste Mal die nervigsten Deutschen ermittelt. Damals landete Daniel Küblböck an der Negativ-Spitze. Ein "Comedy-Ranking" hat sich nach acht Jahren noch längst nicht totgelaufen - jedenfalls nach Meinung der Prosieben-Macher. Warum? "Wer nervt, über den kann man lästern und lästern ist ja eines der schönsten Dinge der Welt", lässt Moderator Micky gleich zu Beginn wissen.

In Wahrheit gibt es zwei Gründe: Eine Rankingshow wie diese ist a) günstig zu produzieren, weil b) die ganzen Medien-Hypes der vergangenen Monate einfach noch einmal durchgekaut werden. Aus der Yellow Press rekrutiert sich nämlich der Großteil dieses "Promi-Primaten-Balletts" (O-Ton).

Abendshow unter dem Deckmäntelchen des Boulevard

Jedenfalls scheint die Platzierung in dieser zweifelhaften Hitliste proportional zu den Skandalen und/oder der schieren Präsenz in den bunten Blättern zu stehen. Da werden Politiker und Topmodels, Volkmusiker, C-Sternchen und sogar die entlaufene Kuh Yvonne abgewatscht. Das ist nur selten ironisch oder witzig, sondern meistens sexistisch, fäkalhumoristisch und einfach nur zum Fremdschämen.

So produziert Pro Sieben unter dem Deckmäntelchen des Boulevard eine komplette Abendshow. Sogar die Kulisse ist der Klatschpresse entlehnt: An der Rückwand hängen Bunte und Gala dutzendfach im Regal, die Sessel bestehen aus Zeitungsstapeln. Auf diesen Sesseln sitzt übrigens die selbsternannte Expertenrunde: Komikerin Carolin Kebekus, Moderator Micky Beisenherz, der Quotenblonde Simon Gosejohann und der Rapper Sido. Hätte den "nervigsten Deutschen" noch eine Peinlichkeit gefehlt, dann dieses unwitzige Quartett.

Ach herrje, wissen die denn nicht, wie herrlich zynisch, bitterböse und gleichzeitig charmant-witzig Klatsch und Tratsch im TV sein kann? Haben sie sich noch nie bei einer dieser Tratschrunden und -shows im US-Fernsehen amüsiert? "Die nervigsten Deutschen" jedenfalls hat nicht die Klasse einer unterhaltsamen Klatsch-Sendung. Vielmehr ist die Aufzeichnung schlicht eine Jahresrückblende von Lästermäulern. Ein aufgewärmter Freak-Reigen. Eine Schmäh-Show, die man selbst verspotten muss.

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