TV-Kritik zu "Der klügste Deutsche":Intellektuelle Schwerkost

Wer ist "der klügste Deutsche"? Das Erste hat keine Mühen gescheut und will ihn mit einer neuen Quizshow finden. Allerdings: Das Ganze gerät etwas trocken. Die ARD nimmt sich und ihren Bildungsauftrag etwas zu ernst.

von Meike Mai

Hätten Sie's gewusst? Was ist eine Majuskel? Was die bevölkerungsreichste Stadt Indiens? Was wird bei einer Daktyloskopie untersucht? Und wie um Himmelswillen finde ich den "klügsten Deutschen" und mache daraus eine anständige TV-Show?

'Der klügste Deutsche' mit Kai Pflaume

Moderator und Jury: Kai Pflaume sucht nach dem "klügsten Deutschen". Seine Juroren: Judith Rakers, Eckart von Hirschhausen und Matthias Opdenhövel (l).

(Foto: dpa)

Die Antworten auf die ersten drei Fragen sind einfach (Majuskel = großer Anfangsbuchstabe; Indiens größte Stadt = Mumbai und bei einer Daktyloskopie werden Finger und Zehen untersucht.)

Die Antwort auf die letzte Frage allerdings ist schwieriger zu beantworten. Und hat etwas mit einem lila Bus, einem Hirnforscher - und der Top-Riege an ARD-Moderatoren zu tun.

Aber der Reihe nach: Den ganzen Sommer schickte das Erste einen Castingbus durch die Lande, um kluge Deutsche zu finden. Von der See bis Schloss Neuschwanstein testete die ARD Tausende Bundesbürger. 100 blieben übrig. Die wurden nochmals auf Allgemeinwissen und Kameratauglichkeit geprüft. Da waren es nur noch zwölf.

Ein Physikstudent aus Erlangen ist dabei, eine Gymnasiallehrerin aus Göttingen und eine Pilotin aus Berlin. Im ersten Halbfinale gestern Abend mussten sechs Kandidaten je eine Schnellfragerunde bestehen. Welches Tier ist Isegrim? Wolf. Wer war der erste Bergsteiger, der alle Achttausender bestieg? Messner. Was ist O3? Ozon. Wikipedia-Wissen eben.

Darüberhinaus - jetzt könnte der Bildungstest zu einer Show werden - müssen sie Praxisaufgaben lösen. Wie etwa der Puppenspieler Hartwig aus Trier. Er soll sich beim Gepäckstück-Memory Koffer und deren Inhalt merken. Oder Tierärztin Susanne aus München, die allein anhand der Augen Beruf und Alter der Augenbesitzer zuordnen muss. Erfunden und/oder zumindest kuratiert hat diese IQ-Abfrage der Hirnforscher Prof. Dr. Martin Korte.

Loben oder trösten

Doch damit nicht genug Kompetenz. Um zu demonstrieren, wie wichtig diese Show dem öffentlich-rechtlichen Sender ist, schickt die ARD einige ihrer bekanntesten Mitarbeiter ins Rampenlicht: Kai Pflaume, 18 Jahre lang Herzschmerz-Spezialist bei Sat1 und seit kurzem Allesmoderierer der ARD, gibt den charmanten Gastgeber der alten Schule. Einer, der eine Show eben nicht zu einer One-man Show macht - und wohl gerade deshalb für dieses Format ausgesucht wurde.

Denn genauso wichtig wie der Moderator ist beim "klügsten Deutschen" die Jury. Und auch die hat die ARD mit ihren Stars besetzt: "Tagesschau"-Sprecherin Judith Rakers ist dabei, Spaß-Arzt Eckart von Hirschhausen und "Sportschau"-Moderator Matthias Opdenhövel.

Die drei dürfen loben oder trösten - und sind ansonsten ganz ernsthaft dabei, ihre Hausaufgabe zu lösen: Die ARD sucht an diesem Abend nämlich in der Tat nach dem "klügsten Deutschen". Mit heiligem Bildungsauftrag, Feuereifer beim Casting und durchaus wissenschaftlich anerkanntem Verfahren macht die ARD ernst. Nur: Besonders showtauglich ist das nicht.

Obwohl die Praxisaufgaben teils sogar spannend sind und lustige Namen tragen wie etwa "Diamantenraub". Aber "Der klügste Deutsche" ist kein amüsantes Ratespiel wie Günther Jauchs "Wer wird Millionär?". Hier wird kein Kreuzworträtsel-Wissen gefragt, mit dem auch Omi auftrumpfen könnte. Beim "klügsten Deutschen" sind die Fragefolgen für den durchschnittsbegabten oder auch nur entspannungssuchenden TV-Zuschauer zu schnell und die Praxisaufgaben zu kompliziert.

Und: Die 100.000-Euro-Siegprämie gibt es erst nach dem Finale am 29. Oktober. Die ARD hat weder Kosten noch Mühen gescheut, ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden. Doch Spaß macht die Suche nach dem klügsten Deutschen nicht.

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