TV-Kritik zu "Das Spiel beginnt!":Kerner macht den Louie

Das Spiel beginnt!; Das Spiel beginnt!

Abgehoben: Mit einer Fernsehshow über Brettspiele will das ZDF an den Erfolg von "Wetten, dass ..." anküpfen.

(Foto: Frank W. Hempel)
  • Das ZDF will den Sendeplatz von "Wetten, dass..?" für Shows nicht verloren geben und versucht ein neues Format.
  • Die Idee: Eine Spieleabend für Kinder und Erwachsene - moderiert von Johannes B. Kerner und Emma Schweiger, der Tochter von Til Schweiger.
  • Während die Erwachsenen angestrengt versuchen, die jungen Kandidaten gewinnen zu lassen, sind viele der Spiele eher für den Kinderkanal geeignet.

Von Daniel Wüllner

Nach wütenden Online-Petitionen gegen Markus Lanz und dem unrühmlichen Ende von "Wetten, dass ...?" hat das ZDF die Signale der Zuschauer richtig gedeutet: Es ist Zeit für eine neue Form der Fernsehunterhaltung am Samstagabend. Aus diesem Grund haben sich die Verantwortlichen ein paar simple Fragen gestellt: Was kennt jeder, macht Spaß und bringt die ganze Familie vor den Fernseher?

Die Antwort: Spiele. Die Absatzzahlen der Spielwarenindustrie und die Popularität der weltweit größten Spielemesse in Essen belegen diesen Trend. Es könnte also ein kluger Schachzug sein, Brett-, Karten- und Geschicklichkeitsspiele in einer intelligenten Fernsehshow umzusetzen.

Gelingt den Moderatoren Johannes B. Kerner und Emma Schweiger das Experiment? Eine Annäherung in vier Fragen.

Warum tun wir uns das an?

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen versucht, sich neu zu erfinden. Da keimt Hoffnung: Vielleicht werden die Milliardensummen aus den Rundfunkbeiträgen endlich für gute Unterhaltung ausgegeben.

Wer darf mitspielen?

Der Begriff "Spielleiter" bezeichnet in Fantasy-Rollenspielen eine Person, die die Mitspieler in eine fremde Welt entführt. Da das ZDF nicht mit einem talentierten Geschichtenerzähler aufwarten kann, gängelt Johannes B. Kerner die "erwachsene Party mit Kinderbeteiligung", wie er es nennt, durch seine ständigen Belehrungen ("Lily, Klara, die Erwachsenen sind dran!") und mit einer Moderation im Stile hypernervöser Helikopter-Eltern. Für die Einhaltung der Kinderquote auf Moderatorenseite steht ihm die zwölfjährige Emma Schweiger - ja, die Tochter von Til - zur Seite. Ihre Hauptaufgaben: Zwischenstände ansagen und Knöpfe drücken.

Als Kontrahenten stehen sich ein Kinder-Team (bestehend aus Lily, Klara, Johann und Roman) und eine Riege von Prominenten gegenüber (Schauspielerin Veronica Ferres, die beiden Schauspieler Hans Der Bergdoktor Sigl und Kostja Ullman sowie der Comedian Bülent Ceylan). Immerhin: Das sonst bei Samstagabend-Shows übliche Präsentieren von neuen Büchern, neuen CDs oder neuen Filmen fällt an diesem Abend weitgehend aus. Nur Nena darf ihr neues Album präsentieren.

Durch minutenlanges Geschiebe bis ins Unendliche gedehnt

Was wird da gespielt?

Bei der Deko hat das ZDF geklotzt: ein drei Meter hoher Würfelturm, quietschige Licht- und Soundeffekte und ein Dancefloor, gegen den selbst der wild blinkende Boden von "Saturday Night Fever" wie ein lahmer Abiball aussieht. Im Vordergrund sollen trotzdem die Spiele stehen: "Spitz pass auf!", "Memory", "Halli Galli", "Make'n'Break", "Mikado", "Boom Boom Ballon", "Looping Louie", "Trivial Pursuit", "Rush Hour" und "Vier gewinnt".

Vor jeder neuen Partie verkündet Kerner stolz, dass so die Spiele im Jahr 2015 aussehen - so als hätte er "Spitz pass auf" oder "Mikado" mal eben vom fahrenden Sofa aus revolutioniert.

Tatsächlich sind nur wenige der Spiele sinnvoll für eine Fernsehshow umgesetzt: Bei "Vier gewinnt" versucht die ZDF-Regie den fallenden Spielsteinen durch Super-Slow-Motion mehr Bedeutung zu verleihen. "Memory" und "Trivial Pursuit" werden durch die bunte Tanzfläche aufgehübscht.

Eigentlich wäre die Show eine Chance gewesen, um Zuschauer neugierig auf neue Spiele zu machen, etwa auf "Hanabi", "Acht-Minuten-Imperium", "Camel Up", "Love Letter" oder auch "King of Tokyo".

Stattdessen hält sich das ZDF an bekannte Spiele-Klassiker, die eigentlich schnell zu erklären sind, aber durch das Moderatorenteam Kerner-Schweiger unnötig in die Länge gezogen werden. Nur "Looping Louie", das von Kerner als studentisches Trinkspiel entlarvt wird, und "Rush Hour" funktionieren angenehm zügig.

Ist nach dem Spiel vor dem Spiel?

Wenn die Quote stimmt, heißt es beim ZDF, sollen weitere Folgen von "Das Spiel beginnt!" ausgestrahlt werden. Doch schon die erste Sendung zeigt deutlich, wie unvereinbar Kinderfernsehen und Samstagabend-Unterhaltung sind: Während die Erwachsenen angestrengt versuchen, die jungen Kandidaten gewinnen zu lassen, sind viele der Spiele eher für den Kinderkanal geeignet. Die Moderation von Kerner ist fehl am Platz. Wer krampfhaft versuchen muss, sein Publikum vom Spielspaß zu überzeugen, der bewirkt damit genau das Gegenteil.

"Da geht die Luft raus!", sagt der Moderator während eines der in der Sendung vorgeführten Spiele und beschreibt damit nicht nur das ballonartige Spielgerät sondern ungewollt auch seine Show.

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