TV-Kritik zu "Das perfekte Model":Eklig - die essen!

Die neue Model-Casting-Show mit Eva Padberg und Karolína Kurková will Heidi Klum Konkurrenz machen und durch Andersartigkeit überzeugen. In der Tat ist die Sendung trotz Dragqueen und "Uralt"-Kandidatin realistischer als "Germany's Next Topmodel" - und damit ziemlich entlarvend.

Ruth Schneeberger

Die Sendung The Voice of Germany gilt als aktueller und anhaltender TV-Überraschungserfolg des noch jungen Jahres. Weil es ProSiebenSat1 mit der vergleichsweise heimeligen Musik-Casting-Show gelungen ist, die Allmacht von RTL-Dauerpöbler Dieter Bohlen, was das Casting, die Bewertung und den öffentlichen Diskurs um junge Gesangstalente angeht, vehement anzugreifen.

Das perfekte Model, Vox, Eva Padberg, Karolina Kurkova

Gegenentwurf zu Heidi Klums GNTM: Eva Padberg (l., 32) und Karolína Kurková (27) wollen in der neuen Castingshow auf Vox Das perfekte Model suchen.

(Foto: dpa)

Da so viele Zuschauer in den werberelevanten Zielgruppen die neue Show so gerne sehen und auch viele Kritiker sich von dem scheinbar neuen Konzept überzeugen ließen, wurde nun offiziell und noch vor dem Ende der ersten Staffel verkündet, dass schon in diesem Herbst die zweite Staffel gesendet werden soll, und zwar wegen der "einzigartigen Erfolgsgeschichte". Das sagte am Dienstag stolz Andreas Bartl als Fernsehvorstand von ProSiebenSat1.

Kein Wunder also, dass dem weiblichen Pendant zu Dieter Bohlen bei RTL, nämlich Heidi Klum auf ProSieben, nun auch eine Kuschel-Variante gegenübergestellt werden soll: Die neueste Casting-Show Das perfekte Model kommt, ähnlich wie The Voice of Germany gegenüber Deutschland sucht den Superstar, im Vergleich zu Klums Germany's Next Topmodel geradezu freundlich, heiter und damit erst einmal sympathischer daher.

Sieht man sich aber The Voice of Germany genauer an, greifen auch hier die alten Muster: Es kommt nicht alleine auf die Stimme an und außergewöhnliche Kandidaten werden fast genauso vorgeführt wie woanders - nur eben bei weitem nicht so offensichtlich. Ähnlich sieht es nun bei der neuen Sendung Das perfekte Model aus, die am Dienstagabend zum ersten Mal bei Vox ausgestrahlt wurde.

Blond und blond

Da wäre zum ersten die Jury: Ein deutsches blondes und ein tschechisches blondes Model (Eva Padberg und Karolína Kurková) sollen die Kandidatinnen sichten, aussortieren, die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Sie haben die längste Zeit ihrer internationalen Karriere hinter sich, sind aber durchaus noch vorzeigbar, auch wenn "wir beide eigentlich zu große Nasen haben", so Padberg. Männer sitzen diesmal nicht in der Jury, dafür sollen die beiden Topmodels den Mädchen als Mentorinnen zur Seite stehen und mit ihren jeweiligen "Mannschaften" auch gegeneinander antreten.

Das soll, genau wie bei The Voice of Germany, die "Coaches" dazu anhalten, sich ihren Schützlingen gegenüber nicht oberlehrerhaft wie Klum und nicht ätzend wie Bohlen zu verhalten, sondern sie zu fördern, um am Ende im Wettstreit die wirklich beste Kandidatin herauszufiltern - und nicht diejenige, die das größte Entertainment verspricht.

Doch Show bleibt Show, und so begegnen wir auch in dieser Sendung denselben Mustern wie bei allen Entertainment-Formaten dieser Art: Schon im Vorspann wird tüchtig gekreischt, es rollen unnötige Tränen, bereits in der ersten Folge werden die üblichen Rollen eingenommen: Es gibt die Zicke, das Küken, die Streberin, die Natürliche, die Wandelbare und die Burschikose - und alle, die ihre Rolle haben, so viel ist jetzt schon abzusehen, werden nicht so bald ihre Koffer packen müssen. Weil das Format sie offenbar braucht. Dass auch eine Dragqueen und eine 30-Jährige in der ersten Runde weiterkommen, ist der gewollten "Andersartigkeit" der neuen Sendung geschuldet.

Ein bisschen langweiliger als die Klum-Vorlage ist Das perfekte Model schon, wenn man die Sendung nach reinen Unterhaltungskriterien beurteilt. Weil die Kandidatinnen nicht so richtig fertiggemacht werden und sich damit der übliche Schadenfreude-Faktor begrenzt, wird die Sendung denjenigen nicht gefallen, die sich gerne über vom Schicksal vermeintlich besser oder, je nach Ausgangslage, schlechter gestellte Öffentlichkeitssuchende lustig machen. Sie wird aber denjenigen Zuschauern besser gefallen, die Interesse am echten Modelleben haben. Weil die Sendung weniger Show-, dafür etwas mehr dokumentarischen Charakter hat, weil gezeigt wird, dass Modelscouts normalerweise nicht aus einem Riesenangebot an Mädchen, sondern eher auf der Straße oder im Einkaufszentrum nach neuen Gesichtern suchen.

Todsünden des Model-Geschäfts

Schade aber, dass Eva Padberg ausgerechnet an der Uni (Münster) so gar niemanden finden mag, der sie optisch anspricht, dafür aber im Krankenhaus eine "Krankenschwester", als "Traum vieler Männer" bereitsteht, die selber sagt, dass die Klinik "eigentlich so gar nicht" ihre Baustelle sei, und von der auch die Kolleginnen offenbar froh sind, dass sie vom Fleck weg gecastet wird. Die "Nurse" wird sich später in einem Foto-Shooting zum Thema "Wollust" mit 17 weiteren Kandidatinnen auf dem Boden räkeln und von den Moderatorinnen bewusst aus der Mädchenmasse herausgehoben, unter anderem durch Verweis auf ihren nackten Hintern.

Die sieben Todsünden werden, ebenfalls zu Showzwecken, auf vier reduziert, weil die fotografische Umsetzung von Völlerei, Hochmut und Zorn in Verbindung mit ebendieser Wollust ja wohl ausreicht, um zu zeigen, was gemeint ist. Wiederum schade nur, dass ausgerechnet bei der Völlerei so viele Mädchen so derbe danebenlagen, was das Verinnerlichen von Modelqualitäten angeht:

Machen sich doch tatsächlich die dreisten kleinen Biester über das opulent dekorierte Festmahl her, das da so festlich zum Zwecke des schönen Scheins aufgebaut wurde. Da muss Eva Padberg am Ende vehement einschreiten, und die Kurková warnt noch, "Achtung, Eva wird jetzt tough!": Das sei "echt eklig", so das deutsche Topmodel, dass die Mädchen hier wirklich essen und nicht nur so tun würden. Sie sei "angewidert" und "echt schockiert", wie die Kandidatinnen, die Völlerei schließlich nur für das Foto darstellen und keinesfalls in Wirklichkeit praktizieren sollten, mit dem Essen "umgegangen" seien.

Eine härtere Wahrheit, als sie je bei GNTM verkündet wird

Diesem Ekel wird seitens der Moderatorinnen so ausgiebig und so vorwurfsvoll gefrönt, und eine Kandidatin schließlich mit genau jener Begründung nach Hause geschickt, sie habe "einfach alles gegessen: Truthahn und Granatapfel und Mandarine", dass die Ärmste sich genötigt fühlt, in die Kamera zu beteuern, sie habe doch in Wirklichkeit alles schon wieder ausgespuckt.

Das ist, liebe Heidi Klum, natürlich eine härtere Wahrheit als sie jemals bei GNTM eisig grinsend verkündet werden könnte: Models, so lehrt uns diese neue Sendung, dürfen ans Essen nun wirklich nur in Ausnahmefällen denken. Alles andere ist nicht tolerierbar. Wie auch Karolína Kurková im anschließenden "Exklusiv-Interview" bei Vox beschreibt, dass sie nämlich vor Jahren "böse Kritiker" in ihre "größte Existenzkrise getrieben" hätten, weil sie wegen einer Schilddrüsenerkrankung einmal 18 Kilo zugenommen und auf der Bühne für ihre runderen Formen verlacht worden sei. "Die wussten nichts von meiner Krankheit und dachten, ich säße vor dem Fernseher und würde Schokolade essen", so Kurková. Letzteres ist in diesen Kreisen offenbar die größte Todsünde, die man überhaupt begehen kann. Vor dem Fernseher sitzen und Schokolade essen. Pfui Teufel.

Eva Padberg ließ vor der Sendung verlauten, sie wundere sich, dass neben Heidi Klum noch niemand anders gewagt habe, sich im deutschen Fernsehen auf das Model-Casting zu stürzen, da sei doch noch "Luft nach oben". Damit mag sie recht haben. Natürlich warten, unter anderem angeheizt durch sechs Staffeln GNTM und teilweise damit aufgewachsen, ganze Heerscharen junger Mädchen darauf, entweder singend, tanzend oder eben möglichst anmutig ausgehungert über eine Bühne staksend, entdeckt zu werden. Und es wachsen ständig neue davon nach.

Doch auch wenn die neue Show ein wenig mehr vom echten Modelleben zeigt als die etablierte, auch wenn sie sich ein kleines bisschen weniger auf die Moderatorinnen und damit eine Winzigkeit mehr auf die Kandidatinnen konzentriert, und auch wenn Letztere hierbei ein paar deutliche Grad wärmer und freundlicher behandelt werden und damit eventuell einen Hauch weniger zur totalen Unterwürfigkeit erzogen werden als bei Kühlschrank Klum:

Auch die Macher von Das perfekte Model zementieren damit weiterhin ein Bild in den Köpfen junger Mädchen, das gefährlich ist, und dessen Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft gerade erst erkundet werden. Je öfter und auf je mehr Sendern Zuschauerinnen und auch Zuschauern gebetsmühlenartig vorgelebt wird, dass je dünner desto besser und je weniger Nahrung desto vorteilhafter ist, desto mehr Leute glauben daran, und desto mehr Probleme werden sich daraus in den Köpfen und Körpern vorwiegend junger Frauen ergeben. So einfach ist das - und vielen doch so egal.

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