TV-Kritik: Wok-WM:Weil halt Winter ist

Es ist wieder Wok-WM, doch der Spaß will nicht so recht aufkommen am und im Eiskanal von Innsbruck. Sogar der ehrgeizige Erfinder Stefan Raab ist seltsam weichgespült.

Verena Wolff

Der Winter dauert hierzulande gefühlt schon mindestens sieben Monate. Doch noch ist er nicht vorbei: Denn der Frühling darf in TV-Deutschland erst einziehen, wenn sich Stefan Raab und diverse Prominente auf handelsüblichen Reisschüsseln eine Bobbahn heruntergestürzt haben.

Wok-WM

Landete in seiner Reisschüssel auf Platz vier: Entertainer und Wok-WM-Erfinder Stefan Raab.

(Foto: dpa)

Zum neunten Mal bereits zeigt Pro Sieben die Wok-WM. Die Truppe ist zu Gast auf der Olympia-Bob-, Rodel- und Skeletonbahn in Innsbruck-Igls. Vierzehn bis zu sieben Meter hohe Kurven hat die Bahn, die fester Bestandteil jedes Weltcup-Winters der Rodler und Bobfahrer ist, 1270 Meter ist sie lang und gilt als eine der anspruchsvollsten Rennstrecken der Welt.

"Nur wer gegen den Wind kotzt, ist mutig"

Das bekannte Team - Matthias Opdenhövel als Moderator, Sonya Kraus in quietschgrüner Wurstpelle als Ziel-Interviewerin -wurde verstärkt: Am Start der Eisbahn sitzt, blondgefärbt, brav gescheitelt und gefällig anzusehen, die Innsbruckerin Mirjam Weichselbraun.

Ihre Aufgabe ist einfach, sollte man meinen: Sie soll kurze Interviews und Eindrücke sammeln. Smalltalk eben. Ihre größte Kompetenz offenbar ist, dass sie weiß, wo die Bahn anfängt und wo sie aufhört. Ansonsten erklären ihr die mehr oder weniger Prominenten in den Einser- und Vierer-Reisschüsseln aus ihren in Helme eingeklemmten Mündern, wie sie sich fühlen und was sie im Eiskanal auszurichten gedenken.

Dabei tönen so intelligente Sachen in den Nachthimmel wie "nur wer gegen den Wind kotzt, ist mutig". O-Ton Katrin Holtwick, Beachvolleyball-Nationalspielerin. Apropos Kotzen: Rolfe Schneider, einst Juror bei Germany's Next Topmodel und recht nah am Wasser gebaut, wollte eigentlich im Viererbob antreten. Solche Sachen allerdings sind nichts für den 56-Jährigen, denn er mag auch "Achterbahnen und so einen Kram" nicht. Doch es fehlte nicht an Mut - der Rheinländer düste in der Qualifikation am Freitag den Eiskanal runter, schreckliche Angst allerdings war dabei. Solche Angst, dass er in Ohnmacht fiel. Im Wok.

Belehrungen eines Wok-Strebers

Dann wurde spekuliert, ob Rolfe wohl zum Wettbewerb antreten würde oder nicht. Er kniff - und ließ sich, mit leicht feuchten Augen hinter der schwarzen Hornbrille, kurz von Matthias Opdenhövel interviewen. Supertraurig sei er, dass er nicht mitfahren könne - aber er wolle ein Team nicht daran hindern, eine Chance zu haben. "Ich bin heute morgen seekrank gewesen und habe den ganzen Tag gekotzt", sagte er. Das Wokfahren sei "so ein Stress, da willst du nur sterben", hauchte er ins Mikrofon.

Seinem Team jedenfalls hat der Rückzieher nicht geschadet: Statt Rolfe Schneider setzte sich Bobfahrer Karl Angerer in die Reisschüssel - und führte den Schlitten auf den Bronze-Rang.

Spannend war das Wok-Rennen eigentlich zu keiner Zeit - sondern einfach nur zu lang. Auch die Gewinner in den beiden Disziplinen, Einer und Vierer, überraschten nicht wirklich. Die Einzelwertung gewann Georg Hackl, Erfolgs-Rodler im Ruhestand.

Zwischen ausführlicher Werbung für die bayerische Olympia-Bewerbung und der Aussicht, bei einem "Appetizer-Rennen" auf der Bahn am Königssee könnte er dann auch seinen Wok an den Nagel hängen und endlich Show-Erfinder Raab eine Chance auf den Titel lassen, heizte Hackl souverän die Eisbahn hinab. "Geil", fand das der 44-Jährige im Ziel, siebenmaliger Weltmeister mit der Reisschüssel ist er jetzt, der "Wokl-Schorsch." Für ihn sei es "eine persönliche Befriedigung, dass ich den anderen zeigen kann, wo der Wok hängt". Wieder einmal.

Seinetwegen hatte Raab die Spielregeln geändert, die Woks wurden bei dieser neunten WM erst kurz vor dem Start ausgegeben und nicht schon vorher. "Damit der Hackl Schorsch nicht einfach verschwinden kann in eine geheime Werkstatt und den Wok schnittiger macht", sagte Raab vor Beginn des Wettkampfs.

Weichgespülte Dschungel-Zicken

Der Chef trat, mit gebrochener Hand zwar aber trotzdem, in beiden Disziplinen an - und landete auf Rang vier im Einer und unter ferner Liefen in der Gruppe. Doch er nahm das erstaunlich gelassen hin - er, der normalerweise keinen Wettbewerb verloren gibt.

Auch im Team gab es nichts wirklich Überraschendes: Die Eiskanal-Profis gewannen. Zusammen im Wok: Sandra Kiriasis, Tatjana Hüfner, Manuel Machata und Christoph Langen, allesamt äußert geübt im Lenken von Bobs und Rodeln.

Mann mit Helmfrisurt

Ansonsten war die Dauerwerbesendung vergleichsweise weichgespült: Auch der erwartete Zickenkrieg zwischen den bei RTL zu Bekanntheit gelangten Möchtegern-Dschungelstars Sarah Knappik und Jay Khan blieb weitgehend aus. Die Lästereien und Anfeindungen der beiden im Urwald schafften es mehrfach in die einschlägigen Zeitungen - Knappik hatte Khan vorgeworfen, seinen Flirt mit Indira Weis zu inszenieren, um nicht als schwul dazustehen Der Streit spaltete das Camp und endete schließlich mit der Abreise Knappiks.

Beim Qualifying zur Wok-WM trat die junge Dame nicht an. Und als es im Interview für Jay Khan galt, kam nur vermeintlich Nettes aus dem Mund des 28-Jährigen: "Jeder muss hier seine beste Leistung bringen", tönte der Mann mit der Helmfrisur unter dem Helm.

Groß war die Kleinste im Feld

Auch Joey Kelly gab sich weniger ehrgeizig als in der Vergangenheit, ließ sich von Sonya Kraus im Ziel den Popo tätscheln und gab Auskunft über das Blei, das er zur besseren Eislage der Reisschüssel mit an Bord genommen hatte.

Groß war die Kleinste im Feld - und die einzige Frau in der Einzelwertung: Lucy Diakovska. Sie hatte, so berichtete die Konkurrenz, eigens Trainingseinheiten auf der Bahn eingelegt. Und fuhr beinahe ihrem Fan und Ratgeber Hackl davon. Aber natürlich nur fast. Am Ende reichte es zu Rang 3.

Und der Wok-Schorsch? Der dozierte schon bei der Qualifikation über die motorischen Anforderungen und die Hüftstreckung, über die Rolle des Kopfes und überhaupt. Öde war das; wie früher, wenn der Streber in der Klasse gesagt hat, warum der Abischerz eine schlechte Idee ist.

Die ganze Veranstaltung macht nicht mehr Spaß: Sie dauerte bis weit nach Mitternacht, und es jagten allenfalls Sparwitze noch plattere Scherzchen. Die Halbsätze der Prominenz machten das alles nicht besser.

Richtig cool waren die ersten Ausgaben der Meisterschaft, schräg wie einige der Ideen von TV-Tausendsassa Raab. Doch jetzt ist die Wok-WM nur noch, weil halt Winter ist. Zeit für Stefan Raab, sich in seine geheime Werkstatt zu verziehen und ein bisschen nachzujustieren.

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