TV-Kritik: "Winterspiele der Stars":Kerners Pisten-Posse

Wintersport für Unterhaltungssüchtige: Zwölf Wetteiferer, ein übermotivierter Moderator - und ein bibbernder Niederländer, der versucht, den Weltrekord im Eis-Aquarium zu knacken.

Tilman Queitsch

"Deutschlands größte Stars vor der größten sportlichen Herausforderung ihres Lebens", versprach Sat.1-Allzweckwaffe Johannes B. Kerner im Vorfeld der Winterspiele der Stars. Aus der angekündigten "Hochspannung" beim Eisspektakel wurde dann aber ein eher lauwarmes Abendprogramm. Einer der wenigen Höhepunkte, der Guiness-Rekord des "Eismenschen", musste sogar ausgelagert werden - in die nachfolgende Talksendung Kerner.

Zwar eilte der zuweilen recht hektische Moderator schon während der Winterspiele immer wieder zu Wim Hof, der für einen Guiness-Weltrekord in einem mit Eis gefüllten Plexiglas-Aquarium ausharrte.

Seinen Rekord würde der kälteresistente Niederländer jedoch erst nach knapp zwei Stunden aufstellen - und da war die Sendezeit der Winterspiele der Stars längst vorbei. Für Sat.1 kein Problem, schließlich fand die nachfolgende Talkshow in derselben Halle und mit demselben Moderator statt. So konnte der "Eismensch" seinen Weltrekord feiern, der Sender hatte genug Unterhaltungsmaterial für zwei Formate und Kerner an diesem Abend einen Doppeleinsatz.

Gleich zu Beginn zogen Schlittenhunde den Showmaster in die Inzeller Max-Aicher-Arena. Dort begrüßte er je sechs aus Fernsehen oder Sport bekannte Damen und Herren - darunter die von Kerner als "fleischgewordener Fallrückzieher" vorgestellte Fußball-Legende Klaus Fischer und die mehrfache Rodel- und Bob-Weltmeisterin Susi Erdmann. Je eine Qualifikations- und eine Finalrunde in Biathlon und Eisschnelllauf standen den Gruppen bevor. Die Erst- bis Viertplatzierten erhielten Punkte, die für späteres Edelmetall wichtig sein sollten.

Während seiner Moderation gab sich Kerner wie gewohnt Mühe, jeden Eindruck, jede klitzekleine bei seinen Sportlern entdeckte Gefühlsregung unmittelbar ins Mikrofon zu plaudern. Er wirkte bisweilen angestrengt, gute Miene zu eher mittelmäßigem Spiel zu machen - etwa als er die Quizfrage verkündete: 10.000 Euro sollte derjenige Anrufer bekommen, der angeben konnte, an wie vielen Abenden Die Winterspiele der Stars zu sehen sind. Der Gastgeber dazu: "Für den Erfinder dieser Frage gibt es die Ehrendoktorwürde der Universität von Absurdistan." Neben ihm schien Uschi Disl, als Biathlon-Coach und Fachfrau anwesend, nicht zu wissen, ob sie darüber lachen oder weinen sollte.


Ein bisschen Staunen

Doch Emotionsaufspürer Kerner bekam Verstärkung: Hautnah an den Teilnehmern war die ran-Reporterin Andrea Kaiser. Vor dem zweiten Biathlon-Durchgang dichtete sie den Männern förmlich Ehrgeiz an: "Die Herren sind aufgeregt, angespannt", beschrieb sie den Soll-Zustand, doch neben ihr zuckte Comedian Bernhard Hoëcker nur gelassen mit den Schultern. 



Szenen, die auch nur einen Hauch Potential zum Staunen boten, wurden ausgiebig in Zeitlupe wiederholt - zum Beispiel, als Schauspieler Hannes Jaenicke die Skier von Ochsenknecht-Sohn Jimi Blue versehentlich blockierte und der Junior wild mit den Armen rudernd nach vorne flog.

Auch Kommentator Jörg Dahlmann wusste offenbar nicht so recht, was es während der Wettkämpfe an den Sportlern hervorzuheben gab - er blieb bei Aussagen zu Mimik und Outfit, sprach mehrmals von "süßen Zöpfchen" und beschrieb detailgenau: "Marie richtet noch ihre Handschühchen, schick will man ja sein." Die Piste wurde zum Catwalk.

Und bevor das Eisschnelllaufen endlich losging, wurde der Rekordanwärter Wim Hof kühlgestellt, neben ihm Defibrillator und Pulsmessgerät. Eine Stunde, 49 Minuten und 22 Sekunden musste er ausharren.

Auf den Kufen überzeugte bei den Damen die Moderatorin Ruth Moschner. Trainiert hatten die zwölf Teilnehmer mit Anni Friesinger-Postma. Die dreifache Olympiasiegerin hob hervor, wie wichtig es sei, sich die Strecke von 400 Metern gut einzuteilen. Ein Rat, den No-Angels-Sängerin Sandy Mölling und Schauspielerin Natalia Wörner offenbar weniger gut beherzten - sie landeten auf den letzten Plätzen der Qualifikationsrunde, das Finale gewann Moschner.



Hektisches Ende

Das Schneespektakel nahm ein hektisches Ende: Erst wurde eine falsche Punktetabelle eingeblendet. Mehrmals musste Kerner vom Treppchen zu Monitor hasten, bis er Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein wegen ihres Biathlon-Erfolgs zur Siegerin der Damen küren konnte.

Eifrig verlas Kerner die Punkte, erinnerte erneut an den Rekordversuch in seiner späteren Talksendung, rettete sich ins Trockene, als der Erstplatzierte der Herren, Jaenicke, eine Schampusflasche köpfte und gab noch schnell die 10.000-Euro-Gewinnerin bekannt.

Damit endete der Wintersport und die wöchentliche Talksendung Kerner begann. Fernsehkoch Johann Lafer und Schauspielerin Marie Bäumer blieben noch für einen kurzen Plausch darüber, wie Lebensmittel gekühlt werden müssen. Wim Hof brach schließlich den Rekord.

Wer war nun der Star dieses überfüllten Programms? Der "Eismensch"? Oder DJ Ötzi, der das Hallenpublikum zu Aerobic-Einlagen ("Alle Hände nach oben") aufforderte? Womöglich war es doch Kerner, dessen aufreibender Live-Marathon dreieinhalb Stunden dauerte und dem am heutigen Freitag ein weiterer Einsatz bevorsteht - beim zweiten Teil der Winterspiele der Stars.

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