TV-Kritik: "Wetten, dass...?":Gottschalk ist alles wurscht

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Showtime im ZDF: Thomas Gottschalk und Stefan Raab nippen an ungewohnten Wässerchen und ein Fachkräftemangel führt zum asiatischen Eisprung.

K. Riehl

Wann sonst sollten die beiden größten deutschen Fernsehunterhalter auf ein schönes Glas Wurstwasser zusammenkommen als an einem Samstagabend im Zweiten Deutschen Fernsehen?

Stefan Raab, Showgigant und Quotenbringer des Privatkanals Pro Sieben, war zu Gast bei Thomas Gottschalk in Salzburg. So wie Heidi Klum, ein anderer Pro-Sieben-Star, kürzlich erst das öffentlich-rechtliche Wetten, dass...? aufheiterte, so saß diesmal der Musik-Impresario im ZDF - weniger in seiner Funktion als Konkurrent in Sachen großer, bunter Samstagabend, sondern vielmehr als Entdecker der deutschen Hoffnung für den Eurovision Song Contest , Lena Meyer-Landruth.

Von einem kleinen Showkampf hielt das die beiden TV-Supernasen aber nicht ab: Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass ein Typ mit so einer Frisur mal Deutschlands größter Entertainer werden könnte, fragte Raab. Gottschalk erklärte zum Ausgleich, Stefan Raab habe acht Zähne mehr als jeder andere Mensch.

Nein, so ganz grün waren sich die beiden Herren nicht. Und dann kamen die Würste!

Ein Herr mit Adelstitel wettete, 22 Wurstsorten an Geruch, Geschmack und Aussehen des zugehörigen Wurstwassers zu identifizieren. Und weil Stefan Raab ja bekanntlich seine Karriere mit einer Ausbildung zum Metzger begonnen hatte, durfte er bei dieser Wette den Paten machen: "Riecht nach Wurst!", stellte er beim Öffnen des Vorführglases tatsächlich fest - der Mann ist eben vom Fach.

Alles hat ein Ende...

Auch den Wetteinsatz hatte man ganz an Raabs Talente angepasst: Sollte der blaublütige Wurstwassersommelier vier von fünf Wässerchen der richtigen Wurst zuordnen können, muss Raab nicht nippen (das hat er freiwillig erledigt), sondern singen. Und was? Richtig: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Das muss einem erst einmal einfallen. "Da hat ein Redakteur 'ne Woche dran gearbeitet", gab Gottschalk tiefe Einblicke in die geheime Welt auf dem Mainzer Lerchenberg, der ZDF-Zentrale.

Die fast andächtige Verköstigung der Wurstwässerchen (schwenken, nippen, atmen) war ein Ruhemoment in einer sonst ziemlich hektischen Sendung. Die ersten Gäste, Maria Riesch, die deutsche "Goldmarie" aus Vancouver, und Hansi Hinterseer, die immerblonde Frohlocke aus Österreich, haben sich kaum auf Gottschalks Couch platziert und noch keinen vollständigen Satz gesprochen, als ihnen schon die erste Wette vorgetragen wird: Matthias aus Hamburg will sich abwechselnd horizontal und vertikal durch eine Art Glastunnel bewegen, mit Händen und Füßen an den Wänden abgestützt. Eine Minute und 30 Sekunden hat er dafür Zeit. Okay, geklappt, klasse Wette, danke, Wiedersehen.

Thomas Gottschalk scheint es an diesem Abend eilig zu haben, in die Sommerpause seiner Show zu kommen. Er hat seine Couch aber auch ziemlich vollgeladen. Also sitzen da mal Stefan Raab und Shakira, mal Anna Netrebko, Emma Thompson und Andrew Lloyd Webber, reden durcheinander und kommen eigentlich nicht zu Wort.

Beth Ditto quatscht alle in den Abgrund

Das begreift an diesem Abend keiner so gut wie die Sängerin Beth Ditto von der Gruppe Gossip: Wer etwas loswerden, muss eben lauter sein als die anderen. Und so schafft sie es ohne weiteres, sonst auch nicht auf den Mund gefallene Herrschaften wie Stefan Raab und Thomas Gottschalk einfach an die Wand zu quatschen. Es ist doch Punk, Leute! Besonders mit Emma Thompson giggelt sie sich durch die Show.

Wer in diesem Sendungschaos völlig untergeht, ist Gottschalks Assistentin Michelle Hunziker. Von ihr sieht man den ganzen Abend eigentlich nur wehende Rockschöße.

Nicht geklärt werden am Ende dieses Abends leider die Fragen, die sich angesichts des letzten Wettteilnehmers stellen: Gehen uns hierzulande die Kandidaten aus? Gibt es einen deutschen Fachkräftemangel? Müssen wir uns inzwischen - ähnlich dem Feld der Informatik - auch in Sachen Wettkandidaten auf asiatische Unterstützung verlassen? Schon Konrad Adenauer sagte ja nur: "China, China, China!", als er vor der "gelben Gefahr" warnen wollte.

Der Chinese Guangping Lan zumindest wettet, auf vier rohe Eier zu springen, ohne sie dabei zu zerbrechen. Ein Eisprung sozusagen, räsonsiert Gottschalk - ob die chinesische Dolmetscherin an der Seite des Kandidaten das weitergibt, ist nicht zu erkennen.

Dass dann doch mehr Eier zerbrechen als gewünscht, könnte eine endgültige Verdrängung der heimischen Wettanbieter vielleicht noch ein paar Jahre hinauszögern.

Statt des sichtlich enttäuschten Herrn Lan wird Günther, der Studienrat, Wettkönig. Er hat den Anblick des Sternenhimmels so exakt auswendig gelernt, dass er das Fehlen eines von Tausenden Sternen erkennen kann. Der Liebhaber des Wurstwassers ist weit abgeschlagen und blickt drein, als könnte er anstatt Weißwurstsaft jetzt eher einen Schnaps gebrauchen.

Die ZDF-Revue endet mit einem Gesangsduo der beiden Moderatoren, begleitet vom Klavierspiel des Musical-Phantoms Webber. Michelle Hunzinker, der Frau mit den schönen Beinen, gelingt es dabei nur ansatzweise, die Patzer ihres blonden Kollegen zu übertönen.

Aber das war irgendwie auch wurscht.

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