TV-Kritik: Wetten, dass..?:"Dauert ewig, aber die Leute gucken"

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Ein Kandidat knutscht Kakteen, Gäste flüchten und Thomas Gottschalk entgleitet seine eigene Show. Selbst ihm ist schleierhaft, warum die Zuschauer bei "Wetten, dass ...?" bis zum Ende durchhalten.

Hans Hoff

"Wir warten, bis das Klopapier aufgerollt ist." Die Worte des Moderators sollen nach Gelassenheit klingen, aber in Wahrheit ist ihm die Show gerade mal wieder kurz entglitten. Alles geht durcheinander. Von überall erklingen Stimmen, und in den seltensten Fällen tönt es so, wie es sich für eine ordentliche deutsche Fernsehshow gehört. Es hallt streckenweise, als würde man statt der sonst üblichen Mikrofone Blechbüchsen benutzen. Und dann toben da noch die blau gefärbten Herren von der Spektakeltruppe Blue Man Group durch die Hannoveraner Halle, verunsichern die Gäste auf der Wetten, dass..?-Couch mit unausgegorenen Tricks und überziehen das Publikum mit Unmengen von Papier. Danach ist es an Thomas Gottschalk, wieder etwas Ordnung zu schaffen.

"Wetten, dass..?" in Hannover
:Wenn Hollywood-Stars flüchten

Mit Teenie-Idolen, Hollywood-Schauspielern und spektakulären Show-Einlagen kämpfte "Wetten, dass..?"-Moderator Thomas Gottschalk am Samstagabend um die Gunst der Zuschauer - und unterlag der Konkurrenz.

Vorsichtshalber schickt er seine amerikanischen Gäste Denzel Washington und Miley Cyrus nach Hause und versucht, mit heimischen Helden den Rest der Show mit Anstand über die Bühne zu bringen. Aber dann flieht auch noch die einst so wunderbare Lena, die neuerdings in verdächtig überdrehter Manier abwechselnd "Absolut" und "Awesome" kreischt, auf Toilette, und der Rumpelkomiker Atze Schröder wirft Gottschalks Assistentin Michelle Hunziker ein böses B-Wort an den Kopf. "Bei Berlusconi ...", beginnt er seinen Satz, woraufhin sie, die sich ihren Ruf im italienischsprachigen Fernsehen nicht versauen will, rasch interveniert. "Nicht Berlusconi", fleht sie, aber ein deutscher Komiker wäre kein deutscher Komiker, wenn er nicht trotzdem seinen vorbereiteten Spruch an die Frau zu bringen wüsste. "Bei Berlusconi wärst du schon Pflegestufe drei", sagt er - und da muss sie dann schweren Herzens so tun, als fände sie das lustig.

Zählen können sie nicht

Es sind viele Menschen, die an diesem Abend so tun als ob. Zum Beispiel geben Gottschalk und Hunziker vor, sie könnten Geldscheine zählen. Sie wollen langsam überprüfen, ob ihre chinesische Wettkandidatin in Windeseile die richtige Anzahl der vorbereiteten 20-Euro-Scheine ermittelt hat. Gottschalk legt los, zählt und verhaspelt sich. Hunziker will intervenieren. "Ruhig jetzt", herrscht sie ihr Chef an und probiert es noch einmal. Wieder scheitert er. Nun übernimmt die Assistentin und scheitert auch. Am Ende darf die Chinesin selbst überprüfen, ob sie richtig gezählt hat. Ja, hat sie, lautet das Ergebnis der Selbstkontrolle, und für einen Moment wird deutlich, dass der Unterhaltungswert einer Wette mehr wert sein kann als die korrekte Absolvierung derselben.

"Ist wie bei Raab. Dauert ewig, aber die Leute gucken zu", resümiert Gottschalk und versucht damit, sich das Geldzähldesaster schönzureden. Natürlich ist es nicht wie bei Schlag den Raab. Würde dort so lax mit den Regeln umgegangen wie bei Wetten, dass..? wäre am Folgetag die Hölle los. Am Ende will Gottschalk dann noch der Wettkandidatin und ihrer Dolmetscherin ein paar der übrig gebliebenen Zwanziger aufzwingen. Die aber wollen das Geld nicht und bescheren dem Showmaster einen sehr peinlichen Augenblick.

Manchmal ist Wetten, dass..? aber immer noch für sehr schöne, aufklärerische Momente gut. So findet Gottschalk kurz nach dem Abgang von Miley Cyrus ein Geschenk auf der Couch, das die amerikanische Sängerin kurz zuvor von einem Fan erhalten hat. Sie hat es achtlos liegen lassen. "Wie Miley gesagt hat: Das Wichtigste sind die Fans", kommentiert das sarkastisch ein Rapper der Fantastischen 4 und entlarvt damit die Verlogenheit einer Branche, die auf der Bühne Fanpräsente einsammelt und sie dann später im Müll entsorgt. Schon peinlich, wenn man dabei den offiziellen Weg nicht einhält und auch noch erwischt wird.

"Wetten, dass..?" in Hannover
:Wenn Hollywood-Stars flüchten

Mit Teenie-Idolen, Hollywood-Schauspielern und spektakulären Show-Einlagen kämpfte "Wetten, dass..?"-Moderator Thomas Gottschalk am Samstagabend um die Gunst der Zuschauer - und unterlag der Konkurrenz.

Dass diese Ausgabe von Wetten, dass..? trotz ständiger Durcheinanderbabbelei von Gästen und Moderatoren und trotz mehrfach mangelhafter Bildauswahl nicht baden geht, ist letztlich jenen Wetten zu verdanken, die am Ende bei der Zuschauerabstimmung auf den vorderen Rängen landen. Ein witziges Rennen zwischen einem BMX-Fahrrad und einem ferngesteuerten Modellauto sorgt für ebenso skurrile Bilder wie der geglückte Versuch eines Kaktus-Freundes, seine stacheligen Lieblinge nur mit der Zunge zu erkennen.

Thomas Gottschalk hatte in Hannover Probleme, Ordnung zu schaffen. Lokalmatadorin Lena Meyer-Landrut fand es trotzdem "awesome". (Foto: Getty Images)

Mehrfach entstehen besonders durch das dröge Wesen des Pflanzenkenners loriothafte Momente, das Publikum lernt, dass es einen Brustwarzenkaktus gibt, und immer wenn Gottschalk die Treppen hochsteigt, um dem Kandidaten einen neuen Kaktus anzureichen, sieht der Moderator in seinem schwarzen Anzug mit Seitenstreifen an der Hose ein bisschen aus wie der Butler James aus Dinner For One. Wettkönig wird am Ende ein 74-Jähriger, dem es nicht ganz gelingt, 1000 Kerzen in zwei Minuten auszupusten, der aber trotzdem alle Anerkennung für sich verbuchen kann.

Nackte Männer? Unnötig.

Nach knapp drei Stunden sieht man schließlich einen leicht derangierten Moderator die Abschiedsworte sprechen. Er hat sich sichtlich in das Schicksal, das ihm die Technik und eine Übermacht von Gästen beschert hat, ergeben. Er hat versucht, das Beste daraus zu machen. Er brauchte dazu keinen nackten Mann, der sich einen Feuerwerkskörper in den Hintern stopfte, wie das beim privaten Nachbarkanal und seiner Supertalent-Suche angekündigt war. Er brauchte einfach nur die Überzeugung, dass er es bis jetzt immer noch hingekriegt hat. Irgendwie. Auch wenn nicht mehr so viele zusehen wie früher.

Am Anfang der Show hatte er selbst darauf angespielt. Da hat er dem Boxer Vitali Klitschko gratuliert, dass bei dessen jüngsten Kampf 14 Millionen Menschen zugesehen haben. "Ich erinnere mich noch gut an das Gefühl", hat er mit Bezug auf ähnliche Zahlen in entfernter Wetten, dass..?-Vergangenheit gesagt und für einen kurzen Moment traurig geguckt. Aber nicht allzu lange. Schließlich musste ja irgendwann auch noch das Klopapier aufgerollt werden.

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