TV-Kritik: "Unser Star für Oslo":Lena siegt - und der Rest ist Kuscheln

Der Mix macht's: Chef-Juror Raab gibt sich philosophisch, Xavier Naidoo wirbt englisch für Deutsch - und Lena fährt nach Oslo.

Katharina Riehl

Wie die Sache ausgeht, ist spätestens dann klar, als Lena einem Millionenpublikum erklärt, dass man zu einem Lippenstift mit Fanta-Geschmack noch den mit Cola-Geschmack braucht - wenn man möchte, dass die Lippen nach Mezzo Mix schmecken.

Beziehungsweise dann, als die Moderatoren Lenas Gegenkandidatin Jennifer nach dem Geschmack ihres Lippenstifts fragen: "Normal, oder?"

Keine Kritik, aber große Wahrheiten

Es ist also Lena, die für Deutschland nach Oslo fährt, zum Eurovision Song Contest, jenem musikalischen Event, bei dem die Deutschen in den vergangenen Jahren meist hauptsächlich darin glänzten, freundlich zu lächeln, wenn europäische Nachbarn ihre Darbietungen mit un point, one point honorierten.

Nein, "normal" ist sicher nicht das Adjektiv, mit dem man Lena Meyer-Landrut beschreiben könnte. Und wenn man diese 18-Jährige am Freitagabend singen hört, sie tanzen sieht und ihren Ausführungen zum Thema Mixgetränke zur Lippenpflege lauscht, könnte man fast verstehen, dass Stefan Raab, dem großen Caster, einfach keine kritischen Bemerkungen mehr einfallen wollen.

Und trotzdem. Ein Lied und eine dazu passende Sängerin sind zu küren, es ist der alles entscheidende Abend, das Finale von Unser Star für Oslo, der historischen Kooperation zwischen dem Gremiensender ARD und dem Privatsender ProSieben. Da könnte Stefan Raab vielleicht doch noch zu alter Form zurückfinden, sich vielleicht doch noch einmal zu einem kritischen Wort oder gar eine frechen Bemerkung hinreißen lassen.

Von wegen. Der Jurypapst hält sich mit Details wie getroffenen und nicht getroffenen Tönen nicht auf, die Wahrheiten, die er zu verkünden hat, sind größer.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Juror Xavier Naidoo sich für die deutsche Sprache stark machte - weitgehend auf Englisch.

"Es ist alles gesagt, was gesagt worden ist."

Auf die Frage, ob er denn mit der vom Publikum getroffenen Auswahl des Liedes zufrieden sei, erklärt er: "Ich glaube, dass das Publikum am Ende immer das wählt, was ihm am besten gefällt."

Schon, da mag er recht haben, doch es wird noch grundsätzlicher, noch unumstößlicher: "Es ist alles gesagt, was gesagt worden ist." Ein Satz so schlicht und schön, da kann nicht mehr viel folgen.

Alles gewählt, alles gesagt, und es fällt der Vorhang mit einem letzten Tusch.

"Och, was ist das für ein Geknuddel"

Gut also, dass Stefan Raab auch an diesem Abend nicht allein in den Jurysesseln sitzt. Verstärkung hat er in den finalen Stunden von dem deutschen Schmuse-Soul-Sänger Xavier Naidoo und der Silbermond-Front-Röhre Stefanie Kloß.

Ersterer hat sich wohl vor allem vorgenommen, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlte Sendung ja von jedem Verdacht deutscher Piefigkeit freizusprechen - weshalb er versucht, möglichst wenige deutsche Wörter in einem Satz unterbringen zu müssen: Mit der appearance und dem approach der Sängerinnen ist Naidoo eigentlich ganz zufrieden.

Puh!

Auch Lena und Jennifer sind erleichtert, dass der beat flowt.

Gegen Ende hat Naidoo aber dann doch noch eine grundsätzliche Kritik vorzubringen: Er würde sich einfach wünschen, dass mal wieder ein deutschsprachiges Lied beim Grand Prix ins Rennen geht. So ne Muttersprache, das weiß er wohl, für die muss auch mal jemand outlooken.

Vom Einsatz für das deutsche Sprachgut voll in Besitz genommen, hat aber auch Naidoo nicht mehr viel an den Kandidatinnen auszusetzen. Und als Lena und ihr Lied Satellite dann endlich gewählt sind, geht es mit der Harmonie erst richtig los: "Och, was ist das für ein Geknuddel", stöhnt Matthias Opdenhövel.

Doch dann, nur ein paar Sekunden später, zeigt das Showgeschäft - pardon: Showbusiness - der guten Lena Meyer-Landrut auch schon seine Zähne. Sie wischt sich noch die Freudentränen aus dem Gesicht, als ihr auch schon ein Mikrofon in das selbige gehalten wird: So, jetzt singste nochmal das Lied, ja?!

"Jetzt sofort?", fragt Lena ernsthaft schockiert. "Kann ich vielleicht kurz was trinken?"

Darf sie. Aber kein Mezzo Mix, nur ganz normales Wasser.

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