TV-Kritik: TV-Total-Pokernacht:Prominente Langeweile

Stefan Raab ist der innovativste deutsche Fernsehmacher der Gegenwart, doch einige seiner Shows sind einfach nur öde. Die TV-Total-Pokernacht etwa.

Jürgen Schmieder

Elton hatte keine Chance. Hilflos sitzt er da am Pokertisch zwischen dem ehemaligen Handballer Stefan Kretzschmar und der Komikerin Cindy aus Marzahn. Geduldig lauscht er dem Gekeife der beiden, zwischendurch lässt er sich seine Chips abnehmen.

Stefan Raab dpa

Hinter diesen Augen steck der Schalk - und eine Menge Ideenreichtum: Stefan Raab.

(Foto: Foto: dpa)

Zuerst verliert er mit guten Karten gegen Kretzschmar, dann mit guten Karten gegen Cindy - und scheidet dann gegen die dauerredende Pokeramateurin aus. "Das war echt schwierig zwischen den beiden", sagt Elton danach.

Die TV-Total-Pokernacht und 50.000 Euro gewinnt schließlich Online-Qualifikant Semih. Gastgeber Stefan Raab ist genervt (nach wenigen Blättern ausgeschieden), Uwe Ochsenknecht ist genervt (eher als Raab ausgeschieden), Elton ist genervt (von den schlechten Karten). Stefan Kretzschmar ist genervt (von Cindy).

Weise Worte von Kommentator Michael Körner können Raab auch nicht trösten - dem Poker-Experten fällt es auch bei der x-ten Pokernacht schwer, die Spielweise der prominenten Teilnehmer zu verstehen und zu erklären.

Pokern erlebt einen weltweiten Boom, Fachbücher verkaufen sich prächtig und auch Sendungen von interessanten Partien der Profis verzeichnen gute Einschaltquoten. Nur: Wer will mittelmäßig begabten Promis und einem Online-Qualifikanten beim Pokern zusehen?

Dem Produzenten Stefan Raab gebührt Respekt, dass er sich als innovativster deutscher Fernsehmacher der vergangenen Jahre profiliert hat. Schlag den Raab ist die wohl beste Liveshow, die derzeit in Europa zu sehen ist - und in den Castingshows sucht er tatsächlich talentierte Sänger, anstatt wie bei anderen Formaten dieser Art mittelmäßig begabte Menschen einem sensationslüsternen Publikum vorzuführen. Zuletzt fand Raab eine Kandidatin für den Eurovision Song Contest, die wirklich eine Chance auf einen einstelligen Platz hat.

Es gibt allerdings auch noch den Geschäftsmann Raab und den Sportler Raab - und der steht dem Fernsehmacher Raab immer wieder im Weg. Gut ein Dutzend Spielshows hat er ins Leben gerufen.

Von ihm stammt etwa die wunderbare Idee, dass sich Menschen in einem Wok eine Eisbahn hinunterstürzen könnten oder dass sich die Sportarten Fußball und Autorennen wunderbar zu "Autoball" kombinieren lassen. Er hatte auch festgestellt, dass es Spaß macht, Autos kaputt zu fahren, einen Salto vom Fünf-Meter-Brett zu machen oder zu pokern.

Genau hier beginnt das erste Problem des Fernsehmachers Stefan Raab, wenn er zum ehrgeizigen und experimentierfreudigen Sportler wird. Die Wettbewerbe machen den Akteuren Spaß, nicht unbedingt aber dem Zuschauer. Den Promis beim Springen oder Wokfahren oder Autocrashen zuzusehen ist ungefähr so, als würde man anderen Menschen durch eine Panzerglasscheibe dabei zusehen müssen, wie sie ein Sternemenü genießen.

Beim Pokern etwa sind nun dabei: Stefan Kretzschmar, Raabs Sidekick Elton, Cindy aus Marzahn, Uwe Ochsenknecht und ein Online-Qualifikant. Bei Raabs Konkurrenten - die beim Pokern übrigens das Preisgeld behalten dürfen - handelt es sich fast ausschließlich um Prominente der Kategorien B bis F, die als Mitglied der Pro-Sieben-Familie oder Repräsentanten entfernter Verwandter (besser bekannt als: Sponsoren) pflegeleichter sind als mögliche Teilnehmer aus dem Volke.

Raabs Ideen und der Rat des Google-Chefs

Dies führt zur zweiten Problematik: Raab will mit seinen Shows natürlich Geld verdienen, also gibt es bei jeder Show genauso viele Sponsoren wie Teilnehmer.

Beim Wokfahren trägt jedes Team den Namen eines Sponsors, jede Kurve auch und dazwischen gibt es natürlich Gewinnspiele. Die Pokernacht trägt den Namen eines Online-Casinos, es gibt vor jeder Werbepause Fernseher und ein Auto zu gewinnen.

Product Placement per se ist keine schlimme Sache, Raabs Sendungen jedoch sind ein Dauer-Werbeplatz für Produkte. Und genau deshalb beendet er schöne Ideen wie die Wok-WM nicht nach zwei oder drei Wettbewerben, sondern veranstaltet sie, solange sich Sponsoren finden.

Der Verlauf des Pokerturniers kann knapp erzählt werden: Der beste Spieler am Tisch (Online-Qualifikant Semih) siegt, der zweitbeste (Kretzschmar) unterliegt im heads-up.

Weil jedoch die Entertainer Raab, Ochsenknecht und Elton früh scheitern, ist dieser Abend eine arg zähe Veranstaltung. So spannend es ist, Raab dabei zuzusehen, wie er gegen einen Kandidaten um mindestens 500.000 Euro bei "Schlag den Raab" zockt, so sehr langweilt es, pokernden Promis zuzusehen.

Google-Chef Eric Schmidt hielt kürzlich vor der American Society of News Editors eine spannende Rede zur Zukunft der Medien. "Viel ausprobieren, sehr früh und sehr oft", rief er den Zuhörern zu. Unrentable und wenig interessante Produkte könne man später einstellen.

Das mit dem Ausprobieren macht Raab formidabel und man kann ihn gar nicht genug dafür preisen. Den Umgang fader Formate indes muss er noch verbessern.

Ödes aufzugeben, kann auch sehr lobenswert sein.

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