TV-Kritik: Steinbrück bei ARD und ZDF:Kandidat übt Fernsehkanzler

Der Kanzlerkandidat dominiert den Fernsehabend, als würde er Silbereisen, Raab und Co. Konkurrenz machen wollen: In ARD und ZDF gibt sich der SPD-Mann Peer Steinbrück kantig-ehrlich, bei "Hart aber fair" trainieren Freund und Feind schon einmal Wahlkampf.

Johannes Kuhn

Er möchte Angela Merkel aus dem Bundeskanzleramt vertreiben, doch wer an diesem Montagabend den Fernseher einschaltet, den beschleicht ein anderer Verdacht: Will Peer Steinbrück mit seiner Omnipräsenz in Wahrheit TV-Dauerbrenner wie Stefan Raab, Christine Neubauer oder Florian Silbereisen überflügeln?

Bereits am Nachmittag hatten die Steinbrück-Festspiele mit einem Auftritt im Willy-Brandt-Haus begonnen, am Abend folgt der Marathon des Spitzenkandidaten im öffentlich-rechtlichen Programm. Drei Mal Steinbrück, das ist selbst für Politik-Süchtige eine kleine Überdosis. Wer aus irgendeinem Grund den SPD-Kanzlerkandidaten bislang noch nicht kannte, an diesem Abend kann er ihm nicht entgehen.

ZDF, 19:20 Uhr: Ein konzentrierter Peer Steinbrück sitzt gebeugt am Studiotisch, ihm gegenüber ZDF-Chefredakteur Peter Frey und Bettina Schausten, die Leiterin des Hauptstadtstudios.

"Was nun, Herr Steinbrück?"

Das einzig Fröhliche in der Runde ist das Baumeln von Steinbrücks roter Krawatte. "Was nun, Herr Steinbrück?", heißt die Sendung und sie hat traditionell etwas von einem Verhör. Wer von den beiden Moderatoren der gute, wer der böse Polizist ist, bleibt dem Betrachter überlassen: Frey gibt den Konservativen, Schausten klopft eher die linke Seite ab.

Was denn noch vom "alten, eher konservativen Steinbrück" da sei, fragt Frey mit so etwas wie gekünstelter Besorgnis. "Ich bin Steinbrück", antwortet der Kandidat norddeutsch trocken, um zu betonen, dass er ja schon immer für den gesetzlichen Mindestlohn gewesen sei. Später verspricht Steinbrück noch in dritter Person "Steinbrück wird die Schuldenbremse im Grundgesetz einhalten", was ziemlich ungelenk klingt.

Steinbrück, der Bankenschreck?

Er tauge womöglich nicht mehr als Bankenschreck, merkt Schausten listig an, wenn sogar Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann seinen Plan zur Regulierung des Finanzwesens lobe. Wortkosmetik und Bescheidenheit sind nicht die Sache des Kandidaten, der sagt, "bar jeder Eitelkeit" sei sein Plan der beste, den es derzeit in Deutschland dafür gebe. Und die Kritik von FDP-Chef Philipp Rösler? Der sei ja noch nie jemand gewesen, der sich für Regulierung eingesetzt habe, ob es um Leerverkäufe oder Lebensmittelspekulationen gegangen sei, entgegnet Steinbrück trocken.

So pariert der Kandidat die Fragen meist souverän, wenn auch ohne Charme. Nur bei der Rente laviert er hin und her, verweist auf die SPD-Arbeitsgruppe. In Sachen Euro-Bonds deutet er Offenheit an (man sollte "den Teufel tun", so etwas auszuschließen, aber nur unter strengen Bedingungen), je tiefer es in die Finanzmaterie geht, desto technischer wird der ehemalige Finanzminister.

“Rent-A-Steinbrück“

Einzig gegen Ende der knapp 20 Minuten wird Steinbrück richtig ärgerlich. In der Facebook-Frage eines ZDF-Zuschauers ist vom "Rent-A-Steinbrück" die Rede, die Wortschöpfung scheint er nicht zu mögen. Er verteidigt seine von Banken bezahlten Vorträge und die Entscheidung, seine Einkommensteuererklärung nicht zu veröffentlichen. "Ich bin mit meiner Frau veranlagt, und ich werde meine Frau immer schützen. Ich bin nicht allein auf der Welt." Zudem, fügt er sichtlich sauer hinzu, gingen seine Buchhonorare niemanden etwas an.

ARD, 21 Uhr: Der Tisch ist größer, dieses Mal sitzt Steinbrück den Fernsehjournalisten Rainald Becker und Jörg Schönenborn gegenüber. "Farbe bekennen" heißt die Sendung, doch der Kandidat guckt ein bisschen, als hätte er die Fragen schon einmal gehört, weshalb es die beiden mit einer Schach-Metapher versuchen: Wie man denn die "schwarze Dame" Angela Merkel schlagen könne, fragen sie. "Sie ist ja nicht sakrosankt", entgegnet der Herausforderer, die schwarz-gelbe Koalition sei in der Ministerriege mit Ausnahme von Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizìere schlecht besetzt und falle vor allem durch Zoff auf.

Zu ehrlich für einen Politiker?

Nach Zoff riecht es in diesem Gespräch nur, als es um die Reaktionen des NRW-Parteitags am Wochenende zu Steinbrücks Beinfreiheits-Forderung geht ("Ich bin nicht ausgebuht worden", beharrt dieser). Zumindest lässt sich der SPD-Mann darauf festnageln, dass er die Rente mit 67 flexibilisieren möchte und heute nicht mehr bei staatsnahen Unternehmen um Sponsorengelder für Schachturniere werben würde.

Ansonsten ist alles wie im ZDF: Die große Koalition lehnt er ab ("Nichts legt uns die Wiederholung dieses Experiments nahe"), Griechenland braucht weitere acht Jahre Unterstützung und ein Ende des Euro würde zwar nicht das Ende Europas, aber eine "Renationalisierung" zur Folge haben. Zum Abschluss erklärt Steinbrück noch, was ihn zur Kanzlerkandidatur getrieben hat: "Ehrgeiz, Eitelkeit, Bestätigung. So wie der Durchschnitt der Zuschauer mit seinem Selbstbild auch gelagert ist." Eine ehrliche Antwort. Zu ehrlich für einen Politiker?

21:15 Uhr, ARD: Wo ist Steinbrück? Das Thema von "Hart aber fair" lautet "In der Mitte wird es eng - was kann Steinbrück besser als Merkel?", doch der omnipräsente Kandidat selbst ist nicht zu Gast. Rainer Brüderle von der FDP weist gleich als Erster murrend darauf hin, was ihn aber nicht daran hindert, auch in Abwesenheit des Kandidaten 75 Minuten lang recht unterhaltsam mit Andrea Nahles (SPD), Cem Özdemir (B'90/Grüne), Hermann Gröhe (CDU) und Stern-Journalist Hans-Ulrich Jörges Wahlkampf zu üben.

Die nächste Überdosis kommt bestimmt

"Der Steinbrück ist ein Spalter", poltert CDU-Mann Hermann Gröhe in gewohnter Manier. "Ein bisschen 'ne Ruh' könnte man schon reinbringen", sagt wiederum Brüderle und meint wundersamerweise nicht den Generalsekretär seines Koalitionspartners, sondern Steinbrücks angeblich so kantiges Auftreten. "Da können wir noch was zuspitzen", analysiert hingegen SPD-Generalsekretärin Nahles den professoralen Duktus des Kandidaten, den die Redaktion von "Hart aber fair" diagnostiziert hat. Immerhin findet Nahles es "hanseatisch ehrlich", dass Steinbrück vorhin im ZDF den Satz "Ohne Andrea Nahles wäre ..." mit "... mein Leben genauso reich wie heute" vervollständigt hat.

Moderator Frank Plasberg selbst weiß zu berichten, dass sich in Berlin ganze Wochenmärkte teilen, wenn der Abgeordnete Steinbrück sie grimmig durchschreitet. Stern-Mann Jörges wiederum ist eigentlich begeistert vom bankenkritischen Kandidaten, erinnert aber an dessen Schwäche, die "kurzangebundene Schnapp-Rhetorik, als würde ein Kaiman zuschnappen". Immerhin ist das ausnahmsweise mal keine Schach-Metapher.

Daneben geht es noch um Parteiprogramme, Koalitionsaussagen, die Rente und die Frage, ob Steinbrück als Kandidat der Vernunft auch die Herzen von Sozialdemokraten und Wählern erobern kann. Eine Antwort darauf gibt am Ende keine der drei Sendungen. Zumindest aber lässt sich festhalten: Über Charakter, Strategie und Schach-Faible des SPD-Herausforderers wird noch so manchen Fernsehabend diskutiert werden. Die nächste Überdosis Steinbrück kommt bestimmt.

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