TV-Kritik: "Schwerkraft":Der Bank-Punk

Ein Banker wird zum Gangster: In "Schwerkraft" spielt Fabian Hinrichs den Angestellten Frederik Feinermann als tickende Zeitbombe. Sie ist vielleicht ein Bankbeamten-Tagtraum, diese Räuberpistole - aber spannend bleibt sie bis zum Schluss.

Else Buschheuer

Ein Privatkunde betritt die Bank. Ein Banker schüttelt ihm jovial die Hand. "Ich schlag vor, wir gehen nach oben, da stört uns keiner." So viel Diskretion muss sein. "Das sieht nicht gut aus, Herr Schneider", sagt Frederik Feinermann (Fabian Hinrichs), als sie oben sind, "ich muss Ihnen den Kredit kündigen". Schneider zählt bis fünf, zieht eine Knarre aus dem Hosenbund, hält sie sich an die Schläfe und schießt.

Jürgen Vogel im Film 'Schwerkraft'

Jürgen Vogel spielt Vince, den besten Freund mit Knasterfahrung.

(Foto: dpa)

Der Schuss stellt eine Weiche im Leben von Frederik Feinermann. Er rutscht sozusagen auf die andere Seite der Wahrheit. Er sieht zwar noch aus wie ein Banker, kleidet sich wie ein Banker, spricht wie ein Banker, aber er ist ein Gangster geworden. Zumindest befindet er sich entschieden auf dem Wege dorthin.

Er wird zu seinem Chef nach Hause eingeladen, wo er beim Dinner im engsten Kreise die Selbstmord-Schnurre zum Besten geben soll. "Herr Feinermann, wollen Sie erzählen?" Ja, sieht denn keiner, dass dieser Mann eine tickende Bombe ist? Feinermann läuft herum wie Falschgeld und wird die Bilder nicht los. Er vertraut sich seiner polnischen Putzfrau an: "In der Bank hat sich einer vor meinen Augen erschossen." "Schön", sagt die Putzfrau, die nicht gut Deutsch spricht, und lacht.

Feinermann sitzt weiter jeden Tag im Büro, aber das alles geht ihn nichts mehr an. Er hört Punkrock, er hat Gewaltfantasien, er ist nur körperlich anwesend. Nach Feierabend klaut er CDs - einmal wird er dabei von Vince (Jürgen Vogel), einem Jugendfreund mit Knastvergangenheit, erwischt. Eine Hand wäscht die andere. Feinermann besorgt Vince Informationen über einen wohlhabenden Bankkunden, Vince bildet Feinermann im Gegenzug kriminell aus.

Auch Vinces Karriere als Lagerarbeiter bleibt davon nicht unberührt. Er schmeißt den Job hin. Das seriöse Leben lohnt sich nicht. Vince und Feinermann besiegeln ihren Pakt: "Wenn du mich anschwärzt oder verarschst, bring ich dich um", sagt Vince. "Klingt fair!", sagt Feinermann. In den folgenden Wochen wird er ein kalter Planer, ein skrupelloser Dieb. Vielleicht ist das alles ein bisschen dick. Ein bewaffneter Raubüberfall von Feinermann und Vince - mit Schnurrbärten und Perücken - gerät fast slapstickhaft, obwohl er bitterernst ist.

Noch hat Feinermann Reste von Menschlichkeit bewahrt: ein Quäntchen Robin Hood (er schickt der Witwe des Selbstmörders Geld), ein Schuss Romeo (er versucht mit allen Tricks, seine Ex-Freundin Nadine, gespielt von Nora von Waldstätten, zurückzugewinnen, um mit ihr nach Island zu reisen).

Einer Kollegin, die hinter seine krummen Touren kommt und versucht, ihn zu erpressen, begegnet Feinermann unerschrocken, wenn nicht kaltschnäuzig: "Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen mal ordentlich die Fresse poliere?" Der Banker ist zur supercoolen Kampfmaschine mutiert, er braucht nun keine Tarnung mehr. Es ist vielleicht ein Bankbeamten-Tagtraum, diese Räuberpistole, es ist vielleicht ein eiskalter Nachwuchs-Engel, der uns in Gestalt von Fabian Hinrichs serviert wird, es ist vielleicht eine Greenhorn-Coolness, die Maximilian Erlenwein hier inszeniert, aber das darf er auch, in seinem spannenden Langfilm-Debüt. Offen bleibt bis knapp vor Schluss: Kommt Feinermann etwa davon und fährt mit der schönen Nadine nach Island? Es gibt Momente, in denen man ihm das wünscht.

Schwerkraft, Arte, Samstag, 22.45 Uhr.

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