Süddeutsche Zeitung

TV-Kritik:Schöne alte Welt

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Neu aufgelegt beim Streamingdienst Netflix: "Der Denver Clan", schrilles Serienereignis der 1980er-Jahre, ist 35 Jahre später zurück im Fernsehen.

Von Benedikt Frank

Muss das ein Fest gewesen sein, als im April 1983 Der Denver Clan im ZDF anlief. Auf einmal gab es Unterhaltungskonkurrenz zu Dallas im Ersten. Ein Testlauf, bevor ein Dreivierteljahr später das Privatfernsehen auf Fernsehdeutschland losgelassen wurde. Ob einer Dallas- oder Denver-Fan war, wurde bald ein wichtiges Distinktionsmerkmal. Beide Serien spielten im gleichen Milieu, verfolgten Familien aus dem US-amerikanischen Geldadel. Doch Der Denver Clan war schriller, stellte den Reichtum pompös aus und pfiff für spektakuläre Wendungen bald weitgehend auf Handlungslogik. Charaktere änderten sich über Nacht und Totgeglaubte klopften an die Tür.

Eine Wiedergeburt erfährt nun auch die Serie selbst. Nachdem Dynasty, wie die Sendung in den USA hieß, 1989 von ABC abgesetzt worden war, folgte zwar zwei Jahre später eine Wiederkehr, doch die hatte nur zwei Folgen und war teils mit anderen Schauspielern besetzt. Der US-Sender The CW versucht nun unter dem Originaltitel noch einmal einen Neuanfang, der eher auf die Spätgeborenen zielt, die dem TV-Event vor knapp 35 Jahren noch nicht folgen konnten. Aus Produzentensicht nachvollziehbar, zeigte doch die Wahl Donald Trumps, dass es ein riesiges Publikum für Skandale im Umfeld barocken Reichtums gibt - und selbst die davon entsetzten sich dem Bann kaum entziehen können.

Im Mittelpunkt stehen, na klar, die Carringtons. Die sollen höchst erfolgreiche Kapitalisten sein, verhalten sich unterhaltsamerweise aber so wenig wie möglich der Theorie des Homo Oeconomicus gemäß - emotional, eitel und eifersüchtig statt kühl kalkulierend. Die Tochter Fallon Carrington ist tatsächlich so naiv, auf die Anerkennung ihres Vaters Blake in Form einer Beförderung zu hoffen, nur weil sie wertvolle Arbeit für dessen Unternehmen leistet und eben seine Tochter ist. Infolge der Enttäuschung darüber und über die Tatsache, dass dieser eine Angestellte heiraten möchte, stürzen sich alle in Intrigenspielchen.

Im Grunde ist das die Geschichte des alten Denver Clans. Um keine reine Kopie zu sein, tragen die Darsteller heute keine Schulterpolster mehr spazieren, und die Besetzung ist nicht mehr ganz so weiß. Blake Carringtons Erzfeind Jeff Colby ist jetzt ein Schwarzer, seine Flamme Cristal ist Hispanic und statt Sekretärin Leiterin der PR-Abteilung. Sohn Steven ist nicht mehr verklemmt schwul sondern explizit, und seinen Vater stört heute nicht mehr die Sexualität des Sohns, sondern dessen grünen und liberalen Ideen - so viel hat sich am Weltbild dann doch nicht verändert.

Bereits die Pilotfolge will in gut 40 Minuten mit einer mindestens dreifachen Wendung und einem heftigen Cliffhanger schockieren. Fraglich ist nur, ob die knapp 35 Jahre alte Formel in Zeiten größter Wahlfreiheit bei der Unterhaltung noch genauso gut funktioniert wie damals. Gegner ist nicht mehr Dallas, es sind unzählige nur einen Klick entfernte Serien, an deren Skandaldramaturgie das Publikum sich längst gewöhnt hat.

Dynasty , in Deutschland abrufbar bei Netflix.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2017
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