TV-Kritik: Menschen bei Maischberger:Schmerz mit Carpendale: "Mein Kopf brummt"

Bei Sandra Maischberger wurde wieder gehartzt. So stark, dass Biedenkopf klagte und "Howie" Carpendale Kopfweh bekam.

Johannes Bockenheimer

Das Thema wirkte von der ersten Minute an vertraut: Hartz IV und ein Abgesang auf den Sozialstaat bei Maischberger? Ein Déjà-vu? Klar, die Debatte wurde zuletzt des Öfteren bei der ARD-Frau und bei allen anderen Talk-Epigonen geführt, die bei den Öffentlich-Rechtlichen arbeiten.

Das war auch den Gästen nicht entgangen: "Wir hatten die gleiche Debatte schon vor fünf, 15 und auch schon vor 20 Jahren", meckerte Sachsens früherer Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) gegen Show-Ende - doch war es bereits zu spät.

Den Auftakt machte aus gegebenem Anlass der FDP-Mann Johannes Vogel, der sogleich für seinen Parteichef in die Bresche sprang. Nicht die Hartz-IV-Empfänger habe Guido Westerwelle durch seine scharfen Zuspitzungen "diffarmieren", sondern einzig die politische Diskussion anfeuern wollen. Das ist ihm fraglos gelungen.

So gut sogar, dass die Liberalen seit Tagen verzweifelt nach der Feuerwehr Ausschau halten, um angesichts des selbstgelegten öffentlichen Schwelbrandes nicht noch weitere Wählerzustimmung in den Flammen zu verlieren. Der Liberale Vogel gab sich im Verlauf des Abends dann auch betont defensiv in seiner Wortwahl.

Mit solchen Problemen musste sich Hubertus Heil nicht herumschlagen. Sein Chef, Sigmar Gabriel, hatte am Tag zuvor vollmundig die sozialdemokratische Radikalkorrektur der ungeliebten Hartz-IV-Reformen angekündigt. So stand es Heil frei, den Abend damit zu verbringen, das späte Abrücken der SPD von der Agenda 2010 als schlüssiges Parteimanöver zu verkaufen und Querschüsse in Richtung des Erzrivalen Gregor Gysi auszuteilen.

Das war nicht sonderlich originell, aber zumindest kurzweilig. Besonders wenn der eloquente Sozialist Gysi den Ball aufnahm und ihn an den Sozialdemokraten zurückschmetterte ("der Sozialabbau ist nicht durch die Union erfolgt, sondern durch die SPD").

Mit der Zeit verkam das anfangs recht sachliche Gespräch dann jedoch zu den üblichen Grabenkämpfen über Mindestlöhne, Tarifverträge und Zeitarbeitsausbeutung. Beinahe, muss man hinzufügen, denn Schlagerstar Howard Carpendale (Ti amo, Du fängst den Wind niemals ein) war ja auch noch da.

Dem gebürtigen Südafrikaner gelang es, die Debatte für einige Momente aufs Wesentliche herunterzubrechen. Als er in den siebziger Jahren nach Deutschland kam, sei das ein "cooles" Land gewesen, doch die Zeiten seien vorbei. Angesichts des Bergs an Aufgaben verschwende man in der Berliner Republik viel zu viel Zeit mit langwierigen Diskussionen: "Wir kommen nicht weiter. Mein Kopf brummt." Zumindest ein kleiner Funke des amerikanischen Eroberungsgeistes müsse endlich auf Deutschland überspringen.

Amerika, du hast es besser - das wusste schon Goethe. Und "Howie" wusste hinzuzufügen: "Der Deutsche denkt zu nüchtern, der Amerikaner geht seinem Traum nach."

Doch seine Begeisterung für den American Way of Life fand nur verhaltenen Anklang in der Runde. Vielleicht brummten den anderen Gästen auch noch die Köpfe nach so viel Lyrik des Barden. So erfüllte nicht amerikanische Aufbruchstimmung den Raum, sondern der unendliche Stolz auf das Gesundheitssystem made in Germany: "Wenn es ein Land gibt, in dem man krank werden kann, dann ist es die Bundesrepublik", jauchzte SPD-Mann Heil.

Für die deutschen Wehwehchen konnte sich der unbeugsame Carpendale dennoch nicht erweichen: "Können wir nicht erst mal ein Steuersystem bekommen, das man versteht?", fragte er, warum dauere so etwas immer so lange in Mitteleuropa? Sein Rat: "Just do it!"

Es fehlte eigentlich nur, dass der 64-Jährige gesungen und Sandra Maischberger in den Arm genommen hätte. Der anwesende Links-Politikerstar dürfte sein eigenes Motto beherzigt haben: "Take it Gysi!"

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