TV-Kritik: Menschen bei Maischberger:Markus Söder gibt den Bayern-Buddha

Streit um die Gesundheit war eingeplant bei ARD-Talkerin Sandra Maischberger. Doch dann führte Markus Söder die Runde mit bayerischem Buddhismus vor.

Lena Jakat

Es war, als hätte sich Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder nach all den Grabenkämpfen der letzten Zeit Rat in fernöstlicher Philosophie gesucht. Frei nach dem tibetischen Sprichwort "Umarme deinen Feind, dann kann er die Waffe nicht ziehen" zelebrierte er bei Sandra Maischberger jene Brüderlichkeit, zu der sein Parteichef Horst Seehofer schon Anfang März aufgerufen hatte.

Dabei ging es doch um die verhasste Kopfpauschale der FDP - ein Thema, bei dem Söder schnell hohen Blutdruck bekommt.

Unter der Überschrift "Patient, zur Kasse bitte!" ließ die ARD-Moderatorin alle Facetten der Gesundheitsreformen diskutieren, von Arzthonoraren bis Zusatzbeiträgen. Aus der Politik waren neben dem einstigen CSU-Generalsekretär sein schleswig-holsteinischer Kollege Heiner Garg (FDP) und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geladen. Der Titel der Talkrunde wirkt abgegriffen, steht aber in allerbester filmischer ARD-Tradition: Die Gentlemen bitten zu Kasse hieß ein 1963 ausgestrahlter Posträuber-Dreiteiler.

Den Räuber wollte freilich am Dienstagabend keiner der drei Gesundheitspolitiker geben - schon eher den Robin Hood, den Verteidiger des Solidaritätsprinzips im Gesundheitssystem. Und hier spielte Söder, ein Mann für die große Bühne, die beiden anderen Gesundheitsreformer an die Wand.

"Ich mache es mal ruhiger"

Der bayerische Minister gab sich betont gelassen, wenn sich die anderen ereiferten und gegenseitig ins Wort fielen: "Ich mache es mal ruhiger." Wer sich von ihm nach den verbalen Feuergefechten der vergangenen Wochen einen Stellvertreterkrieg mit dem FDPler Garg erwartete - hatte doch dessen Kieler Fraktionschef Wolfgang Kubicki erst vergangene Woche das Feuer auf die meuternde CSU eröffnet - der wurde enttäuscht.

In den Tagesthemen zuvor hatte der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach noch die Alleingänge seines fränkischen Parteifreundes verteufelt: "Es geht nicht, dass jemand seine egomanischen Dinge auslebt." Eine Stunde später glänzte dann der attackierte Söder in der Rolle des Versöhners. Vielleicht hat er sich an Johannes Rau erinnert.

Seinen schleswig-holsteinischen Kollegen stellte er mit Wortgeklingel ("In der Sache sind wir uns sehr sehr einig") ruhig. Und die Brüderlichkeits-Nummer forcierte Söder dann und wann noch mit einem fast herzlichen Armtätscheln für den Kopfpauschalisten von der FDP. Dabei nahm er in Kauf, zu dick aufzutragen: "Ich bin immer für Gemeinsamkeit", schalmeite Söder und entlockte damit seinem ernst wirkenden Kollegen aus dem Norden sogar ein Schmunzeln.

"Reden Sie mit ihm!

Die bayrisch-buddhistische Kriegführung machte es den Polit-Kollegen Garg und Lauterbach sichtbar schwer. Gleich zu Beginn hatte es Söder, der ehemalige Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, mit eloquenten Ausführungen über "Multimorbidität" klargemacht, wer in Maischbergers TV-Studio der einzig wahre Gesundheitsexperte war. Als der Liberale Garg sich um knackige Formulierungen mühte ("Das ist ja die Perversität des Systems") oder der monoton näselnde Lauterbach ihm vorwarf, mit einer Stärkung der gesetzlichen Krankenversicherungen den "Bock zum Gärtner zu machen", lächelte Söder. Er hätte sich wohl am liebsten noch weiter in die gelben Polster zurückgelehnt.

Für seine so zur Schau gestellte Gelassenheit hatte der CSU-Mann allen Grund, schien er doch die FDP-Gesundheitsreform und ihre Verfechter gar nicht erst ernst zu nehmen: "In der Theorie nicht unspannend, in der Praxis wahnsinnig schwierig", relativierte er mit freundlichem Ton und erneutem Tätscheln Gargs Plädoyer für die Kopfpauschale. "Ich habe den Eindruck, dass man sich an der Stelle verrennt."

Maischberger rät: "Reden Sie mit ihm!"

Es sei wichtig, Wunsch und Wirklichkeit zu unterscheiden, mahnte Söder mit liebevoll erhobenem Zeigefinger. Während sich SPD-Mann Lauterbach angesichts so viel väterlichen Wohlwollens in eifrigen Entgegnungen geradezu verhedderte, suchte der FDP-Minister lieber Blickkontakt mit Moderatorin Maischberger. "Reden Sie mit ihm", schlug die Fernsehfrau ihm bezüglich Söder vor: "Mit ihm müssen Sie verhandeln!" Garg etwas patzig: "Ich muss nicht mit ihm verhandeln." Die Erleichterung in seiner Stimme darüber war nicht zu überhören.

Söders Reformkonzept mit streng einkommensabhängigen Beiträgen, das er am Montag zum Ärger vieler Berliner Landesgruppen-CSUler präsentiert hatte, sei der Königsweg, um Solidarität und Gerechtigkeit im Gesundheitssystem zu bewahren, sagte der selbstbewusste Franke. Es gehe in der ganzen Debatte ja schließlich nicht um politische "Stilfragen".

Eine Erkenntnis jedenfalls bleibt von dieser Talkrunde, auch für Maischbergers Gast Jens-Uwe Nolte, der um die Bezahlung eines lebenswichtigen Medikaments ringt: Egal, ob Bankräuber oder Retter des morbiden Gesundheitssystem - wo die Tresore leer sind, ist nichts zu holen.

Auch nicht mit buddhistischer Brüderlichkeit.

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