TV-Kritik: Menschen bei Maischberger:Kopftuch und Koran - (k)eine Frage der Ehre

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Perfekte Dramaturgie: Sandra Maischberger fragt einen radikalen Prediger und die Zeugin eines "Ehrenmordes", ob Deutschland vor Kopftuch und Koran kapituliert hat.

Katharina Riehl

Manchmal, so viel vorweg, verstehen Talkshow-Redaktionen etwas von Dramaturgie. Das Format der spätabendlichen Politstreiterei krankt zumeist ja vor allem daran, dass die immer selben Menschen zu den immer selben Themen zusammensitzen - und am Ende in ihren lauthals vertretenen Meinungen so furchtbar weit gar nicht auseinanderliegen.

"Kopftuch und Koran - hat Deutschland kapituliert?", fragte Sandra Maischberger ihre Gäste. (Foto: dpa)

Sandra Maischberger wollte am späten Dienstagabend in der ARD über eine Frage sprechen, die in diesen Zeiten, der von Thilo Sarrazins Buch ausgelösten (und inzwischen schon etwas leiser köchelnden) Integrationsdebatte, ziemlich naheliegend scheint: "Kopftuch und Koran - hat Deutschland kapituliert?"

Naheliegend oder nicht: Es wurde eine höchst spannende Sendung.

Mit Sandra Maischberger im Studio saßen zum großen Teil die üblichen Islam-Verdächtigen: der 86-jährige Journalist Peter Scholl-Latour; Publizist Udo Ulfkotte, der ständige Warner vor der islamischen Übermacht; Jürgen Fliege, ewiger Fernsehpfarrer und Toleranzprediger.

Und dann saß da, mit Rauschebart und Kaftan: Pierre Vogel, der "Superstar einer neuen Welle radikaler islamischer Frömmigkeit".

Vogel, einst mal evangelisch und später angesichts der Einsamkeit in der Welt zum Islam konvertiert, vor allem im Internet ein Star-Prediger, hält derzeit die Stadt Mönchengladbach in Atmen, weil er dort ein Zentrum für seinen vom Verfassungsschutz beobachteten Verein "Einladung zum Paradies" gründen will.

"Was versteht man unter Radikalisierung?", fragt er gleich zu Beginn zurück, als Moderatorin Maischberger wissen will, ob er junge Leute radikalisiere. Und auf die Frage, ob die Frau gleichberechtigt zum Mann sei, antwortet er: "Frauen sind gleichberechtigt, aber sie haben nicht die gleichen Rechte." Nun ja.

Im ersten Viertel der Sendung sagen alle Gäste brav genau das, wofür sie eingeladen wurden: Vogel will sich nicht zum Terroristen abstempeln lassen, Fliege will versöhnen, Scholl-Latour erzählt Geschichten von seiner Zeit in den arabischen Ländern, denen man nicht allein akustisch nur schwer folgen kann. Und Udo Ulfkotte will wissen, wie er es nicht als Gefahr für seine Kultur sehen soll, wenn Vogel fordert, Ehebrecher zu steinigen.

Bis Nourig Apfeld auftritt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich ein Schlagabtausch entwickelt zwischen der Frau, die den "Ehrenmord" an der eigenen Schwester beobachtet hat, und dem Star-Prediger der "neuen islamischen Frömmigkeit".

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Wenn die Moderatoren der deutschen Talkshows in Sommerpause gehen, dürfen sich auch die Gäste erholen. So mancher Sesselbewohner hat nun richtig viel Zeit.

Über Nourig Apfeld, eine beeindruckende, sehr bestimmt auftretende Frau, war in den vergangen Tagen in allen Zeitungen und Zeitschriften zu lesen. Sie hat gerade ein Buch herausgebracht, in dem sie beschreibt, wie sie den (auch von ihr so genannten) "Ehrenmord" an ihrer Schwester beobachtet hat. Wie sie jahrelang nicht wagte, Anzeige zu erstatten und wie sie dann letztendlich doch dafür sorgte, dass ihr Vater für das Verbrechen ins Gefängnis musste.

Diese Nourig Apfeld einem Mann wie Pierre Vogel gegenüberzusetzen, ist vor allem eine Herausforderung für die Moderatorin (die sie meistert) und hat zur Folge, dass die anderen Gäste um den Couchtisch im Vergleich dazu relativ wenig zu Wort kommen.

Nicht, dass bei dem Streitgespräch, das sich zwischen den beiden entwickelt, letztlich viel Neues herauskäme. Doch das ist weder nötig, noch Ziel des Spiels - denn es gelingt in einem zum Teil sehr direkt ausgetragenen Schlagabtausch, jene Frontlinien aufzuzeigen, an denen die Diskussion um den Islam und seine Kompatibilität mit der deutschen Gesellschaft so große Schwierigkeiten hat.

So fordert Vogel sein Gegenüber auf, aus dem Koran die Stelle herauszusuchen, an der die Schrift zu einer Tat wie einem Ehrenmord auffordere. Seine Religion, will er sagen, hat mit einer solchen Tat nichts zu tun, solche Taten gebe es auch anderswo. Ein deutscher Mörder, so die Logik, der zufällig Christ ist, ist ja auch kein christlicher Mörder. Ein Muslim mit der Liebe zu Gott tut so etwas nicht.

Man kennt die Argumentation - und Nourig Apfeld lässt sich darauf nicht ein. Sie erklärt, dass ihr Vater immer gläubig gewesen sei, und dass es die Ängste und Schwierigkeiten, die mangelnde Integration in Deutschland waren, die ihn später, nach vielen Jahren in dem fremden Land, zurückfallen ließen in die archaischen Strukturen seiner Kultur. Und dass diese Strukturen nun mal auch zum Islam gehören.

Und fasst damit in wenigen Sätzen all das zusammen, was in den vergangen Wochen in dieser Sache diskutiert wurde. Alles wie nach Drehbuch.

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