TV-Kritik: Maischberger zu Japan:Bleibt alles noch schlimmer

Sandra Maischberger scheitert an der Aufgabe, angesichts des drohenden Super-GAUs in Japan das Klein-Klein der deutschen Politik zu diskutieren. Am Ende ihres Talks bleibt nur eine ernüchternde Erkenntnis.

Birgit Kruse

Am Ende steht fest: Eine Katastrophe, wie sie Japan erlebt und die Welt live an den Bildschirmen zu Hause verfolgt, lässt sich nicht in 75 Minuten Sendezeit packen. Zu komplex sind die Szenarien, die Japan bei einer Kernschmelze bevorstehen. Zu dramatisch sind die Schicksale der Menschen, die sich in den Katastrophengebieten befinden oder aus diesen berichten. Zu emotional aufgeladen ist die politische Debatte um einen Atomausstieg, der seit kurzem wieder in Deutschland diskutiert wird.

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"Die Geister, die wir riefen: Atomkraft außer Kontrolle?", fragte Sandra Maischberger ihre Gäste.

(Foto: WDR/Max Kohr)

Dennoch: Sandra Maischberger versucht, all diese Facetten in ein wenig Sendezeit zu pressen. "Die Geister, die wir riefen: Atomkraft außer Kontrolle?" lautet das Motto ihrer Talkshow in der ARD. Und fast droht sie am Thema zu scheitern, denn sie will einfach zu viel - nämlich alle Facetten der Katastrophe beleuchten.

Bewegende Augenzeugenberichte

Per Skype spricht sie mit einer Studentin, die sich aus dem Katastrophengebiet im Norden nach Tokio gerettet hat. Müde berichtet die junge Frau, wie wenig panisch die Japaner seien, wie wenig Angst sie selbst hatte, als sie an dem Atomkraftwerk Fukushima-1 vorbeigefahren ist. Einzig in den Medien erfahre man von Hamsterkäufen und der Sorge der Menschen vor einer atomaren Wolke.

Ins Studio hat Maischberger eine Journalistin geladen, die das Erdbeben in Tokio erlebt hat und mit ihrem kleinen Sohn nach Deutschland geflohen ist. Ihr Mann ist noch immer in der japanischen Hauptstadt. Kontakt hat sie seit Tagen nicht.

Erzählungen wie diese gehen den Gästen auf dem Sofa nahe, richten sie doch den Blick auf ein Land, das am Abgrund steht, auf eine Katastrophe, die kaum überschaubar ist. Und sie machen es der Moderatorin und den Gästen umso schwerer, ihren Blick nach Deutschland zu richten - auf die Anti-AKW-Debatte, die seit wenigen Tagen wieder voll entbrannt ist. Nach fast zwanzig Minuten ist die Debatte in Deutschland angekommen und bei der Frage: "Ändert Japan alles?"

Vielleicht. Die Bundesregierung vollzieht eine Wende in der Energiepolitik. Kanzlerin Angela Merkel hat als Reaktion auf die Atomkatastrophe in Japan ein Moratorium angekündigt, in dem alle 17 deutschen Atomkraftwerke auf den Prüfstand kommen sollen. Drei Monate soll das dauern, bis dahin werden die sieben ältesten Meiler vom Netz genommen. Zustimmung von der CSU, die bereits Isar-1 bei Landshut vom Netz genommen hat. Das hat Japan bereits geändert in Deutschland. Eines aber nicht: Die Argumente der Gäste.

Da wäre zum Beispiel der ehemalige CSU-Chef und erklärte Atombefürworter Erwin Huber. Auch wenn seine Partei bereits die Kehrtwende in der Atompolitik vollzieht. Huber selbst bleibt der Tradition seiner Partei treu: Atomkraft ist kein Teufelswerk. Der endgültige Ausstieg als Garant für Sicherheit sei eine Illusion. "Die Gefahr ist dadurch nicht weg", sagt er und erinnert an das störanfällige Kraftwerk Temelin kurz hinter der tschechischen Grenze.

Unterstützung bekommt Huber vom Präsidenten des Deutschen Atomforums, Ralf Güldner. "Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit", erklärt er - um dann zu betonen, dass deutsche Kraftwerke sicher seien.

"Pakt mit der Vergesslichkeit"

So eine Haltung kann Erhard Eppler gar nicht verstehen. Bereits 2008 hat er sich in einem Essay über Atomenergie die Frage gestellt, ob Deutschland in der Lage ist, "ein unübersehbares Zeichen gegen die Renaissance" der Atomenergie zu setzen, "die heute noch weniger verantwortbar ist als vor 40 Jahren". Damals wie heute kommt der SPDler zu dem gleichen Schluss: Die Politiker hätten einen "Pakt mit der Vergesslichkeit" geschlossen. Hätten nicht aus der Katastrophe von Tschernobyl gelernt, verschlössen die Augen vor den Gefahren dieser Energie. Sein Fazit: Atomenergie "ist nichts für den Menschen".

Auch Wolfgang Renneberg spricht von einer trügerischen Sicherheit, die den Menschen suggeriert werde. Zwischen 1998 und 2009 war Renneberg Referatsleiter für Reaktorsicherheit und somit Chef der Bundesatomaufsicht, bis ihn Bundesumweltminister Norbert Röttgen kurz nach Amtsantritt entließ. Als Chef der hessischen Atomaufsicht hatte er 1997 ein Verfahren zur Stilllegung von Biblis A eingeleitet - und war gescheitert. Kein Wunder also, dass auch er das Restrisiko beschwört, dass immer bleibt.

In einem sind sich alle einig

Bis hierhin ist die Debatte sachlich, aber auch in vielen Teilen erwartbar. Erst am Schluss der Sendung stellt Maischberger die Frage, die die Deutschen innenpolitisch derzeit wohl am meisten bewegt: Kann aus der angekündigten Aussetzung der Atomlaufzeitverlängerung ein dauerhafter und frühzeitiger Ausstieg werden?

Denn wenn es um Strahlung und die Gefahren von Atomenergie geht, löse das bei den Deutschen immer "besondere Reize aus", stellt der Journalist und Atom-Befürworter Jan Fleischhauer fest. Doch an eine dauerhafte Energiewende in Deutschland glaubt er nicht. Ebenso wenig wie die Atomkraft-Gegner, die Maischberger an diesem Abend ihn ihr Studio gebeten hat.

Richard David Precht ist skeptisch. Von der Politik erwartet er sich wenig, mehr schon von der Gesellschaft. Von ihr müsse der Protest und damit der Wille zu Veränderungen in der deutschen Energiepolitik ausgehen, betont er immer wieder. Und genau jetzt sei die Zeit reif für diesen Protest. Denn, so der Philosoph: "Der Motor der Veränderung ist nicht die Vernunft, sondern der Affekt."

Ob das reicht, bleibt fraglich. Denn in einem Punkt scheint sich die Runde dann doch einig zu sein - die einen aus Überzeugung, die anderen aus Ernüchterung: Einen dauerhaften und vorzeitigen Ausstieg aus der Atomenergie wird es in Deutschland wohl nicht geben. Alles ändert Japan vermutlich doch nicht.

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