TV-Kritik: Maybrit Illner:Als Josef Ackermann die Kernschmelze entdeckte

Deutsche-Bank-Chef Ackermann rechtfertigt in der Euro-Krise sein eigenes Geschäft.

Melanie Ahlemeier

Man kann sich gut vorstellen, wie die PR-Strategen der Deutschen Bank gesagt haben: Lieber Chef, große Euro-Krise, wichtige Talkshow - da will man unser Haus hören! Da müssen Sie hin, Herr Ackermann! Und so pilgerte der Mann, den sie "Joe" nennen, zu Maybrit Illner ins ZDF-Studio.

Josef Ackermann, Foto: dpa

Josef Ackermann, als Deutsche-Bank-Chef ein Herr der Zahlen, ist nicht unbedingt ein Meister der Schlagfertigkeit, geschweige denn der spontanen, frechen Rede.

(Foto: Foto: dpa)

Josef Ackermann erklärt den Deutschen die aktuelle Krise, das Geschäft der Banken, das oft kritisierte Investmentbanking - und ein Stück weit auch sich selbst.

Mit seiner TV-Gastgeberin hat Ackermann gute Erfahrungen gemacht. So ein öffentliches Gespräch ist Vertrauenssache, ganz wie die Geldanlage. Es war Maybrit Illners Talkshow, in der sich der mächtigste deutsche Banker im September 2007 das Büßergewand anzog und coram publico bekannte: "Auch die Deutsche Bank hat Fehler gemacht, auch in dieser Krise", sagte er damals im Vier-Augen-Gespräch.

Die ersten Vorläufer des großen Crashs waren spürbar, in den USA hatten zuvor die ersten Fonds geschlossen und es war - nun ja - eine von Ackermann öffentlich ausgesprochene Gewinnwarnung im Abendfernsehen. 30 Milliarden Euro an Krediten musste die Deutsche Bank damals neu bewerten. Fast auf den Tag genau ein Jahr danach kollabierte in den USA die mächtige Investmentbank Lehman Brothers und riss die Welt in den Abgrund. Der Rest ist Geschichte.

Mit der Korrektheit von Broschürentexten

Jetzt also ist Europa in der Krise. Wieder wird Geschichte geschrieben, griechische Geschichte, wieder hockt Josef Ackermann als Erklärer der Nation im ZDF-Studio, und wieder ist es ein Vier-Augen-Gepräch mit Maybrit Illner.

Ziemlich unentspannt sitzt der Schweizer mit den grauen Haaren im dunklen Anzug und mit blauer Krawatte auf dem rot bezogenen TV-Stuhl. Der heiße Stuhl? Josef Ackermann redet viel, auch mit den Händen - doch wirklich Neues sagt der mächtigste deutsche Banker nicht. Die Parolen ("Wir haben natürlich jetzt diese Verwerfungen gehabt im Euro-Bereich") sind bekannt.

"Wir haben Interesse an einem stabilen Finanzsystem."

Der TV-Zuschauer merkt schnell: Der Herr der Zahlen ist nicht unbedingt ein Meister der Schlagfertigkeit, geschweige denn der spontanen, frechen Rede. So etwas liebt das Fernsehen, die Korrektheit von Broschürentexten der Finanzwelt ist dem Medium fremd.

Josef Ackermann aber lebt die Philosophie der Banker. Der 62-Jährige hat eine beeindruckende Karriere in der Finanzwirtschaft gemacht. Das macht Illners Sendung "Retten wir den Euro oder die Spekulanten, Herr Ackermann?" zu einem Konzert der Ruhe: wenig Drive, nichts Überraschendes - und ein Hauptdarsteller, der seine alt bekannten Ansichten weitgehend ungebremst absondern darf.

"Geld arbeitet global"

So antwortete der Mann aus "Mainhattan" auf Illners Frage: "Sind die Banker mächtiger als die Politiker?" mit einem ausweichenden: "Nein, Geld arbeitet global." Und nach dem Einwurf der Moderatorin, dass höhere Eigenkapitalquoten diskutiert würden, kontert Ackermann. "Wir haben Interesse an einem stabilen Finanzsystem."

Nein, Ackermann ist offenbar wie Angela Merkel in der Das-Geld-ist-sicher-Mission unterwegs. Für den ganz großen TV-Coup ist er nicht locker genug. Nicht-Finanz-Liebhaber empfinden die Ausführungen wohl als quälend. Und auch der Chef der Bank lächelt mitunter ein wenig gequält, erklärt dafür aber viel - das ist ja auch schon etwas wert.

Erst kurz vor Ende der Sendung taut der Hauptdarsteller auf und hat sichtbar Spaß an Maybrit Illners Multiple-Choice-Fragen. Da erläutert der prominente Gast das Prinzip Marktwirtschaft, die Sache mit den Boni und an wessen Wohl er eigentlich bei seinem Job denke. An seines? An das seiner Mitarbeiter? Oder sogar an das Wohl Deutschlands? Oder an das seiner Bank? Ackermann erklärt und erklärt und spannt den großen Bogen. "Da kaufen wir schon wieder A, B, C und D", sagt Maybrit Illner mit zynischen Unterton.

Ja, wenn es doch auch im Finanzalltag immer vier Antworten auf eine Frage geben würde, mag sich Ackermann gedacht haben.

"Kommt, und werdet Investmentbanker!"

Der Deutschbankier nutzt die Sendezeit im öffentlich-rechtlichen TV auch, um die von ihm vehement propagierte 25-Prozent-Rendite mal wieder zu verteidigen ("Das geht nur, weil wir Kurs gehalten haben"), neue fähige Uni-Absolventen zu werben ("Kommt, und werdet Investmentbanker!") und um die horrenden Boni-Zahlungen für eben jene gutverdienenden Investmentbanker zu verteidigen ("Wenn wir nicht bezahlen, bezahlt ein anderer. Das ist wie im Fußball."). Nun ja: Alles erwartbar.

Nur mit seinen Anmerkungen zur griechischen Tragödie lässt Ackermann an diesem Abend dann doch aufhorchen. Probt er das Himmelfahrtskommando, passend zum Himmelfahrtstag?

"Eine Art Kernschmelze"

Der Schweizer ist skeptisch, ob die angezählten Hellenen langfristig ihre Schulden zurückzahlen können. "Ob Griechenland über die Zeit wirklich in der Lage ist, diese Leistungskraft aufzubringen, das wage ich zu bezweifeln", sagt Ackermann in der am Tag zuvor aufgezeichneten Illner-Sendung. "Unglaubliche Anstrengungen" seien nötig, das Land müsse stabilisiert werden. Ackermanns Worst-Case: Erst scheitert Griechenland, danach folge "eine Art Kernschmelze".

Es ist seine Art, sich von der Kanzlerin abzusetzen. Schon vor fast zwei Jahren, nach dem Auflegen des Bankenrettungsfonds durch die Bundesregierung, sagte Ackermann - sehr zum Ärger Angela Merkels - er würde sich schämen, Staatsgeld anzunehmen. Das wird Ackermann ebenso wenig los wie das Victory-V im Gerichtssaal, als der Mannesmann-Prozess verhandelt wurde.

Die Vokabel von der "Kernschmelze" unterstellt, dass die von Deutschland verbürgten Kredite von Athen nicht zurückgezahlt werden. Kanzlerin Merkel hatte erst wenige Stunden vor Ausstrahlung der Illner-Talkshow in Aachen anlässlich der Karlspreis-Verleihung an Polens Ministerpräsidenten Donald Tusk für eine tiefer greifende Integration der Europäischen Union geworben und damit das 750-Milliarden-Euro-Paket abermals verteidigt. Das ist ihre persönliche Lehre aus der großen Euro-Krise. Mehr Kern also statt Kernschmelze.

Staaten gehen, die Deutsche Bank bleibt

Und Ackermann? Er weiß, dass die deutschen Banken Milliarden in Griechenland investiert haben. Vielleicht ist das ja das Thema des nächsten Ackermann-Illner-Dialogs. Wenn erst Griechenland kippen und es dann zur ganz großen Krise kommen sollte. Dann wird der Chef der Deutschen Bank wieder zu Maybrit Illner pilgern und die Deutschen beruhigen.

Mögen ganze Staaten fallen, sein Haus bleibt.

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