TV-Kritik: Maischberger:"Furchtbar. Man hat einen Kater"

Tragischer Held einer Seifenoper: Nach Guttenbergs Amtsverzicht darf bei TV-Talkerin Maischberger ein doppelter Doktor seine einschlägige Rücktrittserfahrung schildern. Und der "Gutti-Flüsterer" agiert wie ein ertappter Sünder.

von Antje Hildebrandt

Am Ende des letzten Drehtages für die Seifenoper über den Mann, den sie Gutti nannten, lugte dann doch noch kurz die Sonne hervor, um mit einem leisen Seufzen in den Ozean zu plumpsen.

Es war ein doppelter Doktor mit einschlägiger Rücktrittserfahrung, Dr. jur. und Dr. phil. Michel Friedman, der dem tragischen Helden dieser Soap das letzte Geleit gab. Auf die Frage der ARD-Talkerin Sandra Maischberger, wie es einem am Morgen nach einem Rücktritt gehe, sagte er: "Furchtbar. Man hat einen Kater. Aber gleichzeitig ist man erleichtert." An den Minister a. D. appellierte er: "Fang von Neuem an."

Es waren versöhnliche Worte am Ende einer Talkshow, die zwar keine neuen Einblicke in eine Affäre eröffnet hat, die sich als Lackmustest für die (Medien-)Demokratie erweisen sollte. Bei aller Aufgeregtheit gelang es Maischberger aber zumindest, den Ruck abzubilden, der an diesem Tag durch die Republik gegangen war.

Gutti goes. Der tragische Held dieser Soap, er hatte erst am Morgen desselben Tages verkündet, er gehe den "schmerzlichsten Schritt seines Lebens" - nämlich den von der Bühne herunter. Er war nicht ganz freiwillig abgetreten. Zu groß war der Druck jener geworden, die einst in der Castingshow "Deutschland sucht den Superminister" für ihn "gevoted" hatten, wie es neudeutsch heißt.

Ausgerechnet Gutti, der schneidige Held mit Adelstitel, hatte sie enttäuscht. Er hatte weite Teile seiner Doktorarbeit von anderen abgeschrieben, ohne die Quellen anzugeben. Da half es auch nicht, dass sich die Bild-Zeitung für ihren Lieblingsminister in die Bresche warf und versuchte, das Stimmungsbarometer in letzter Minute mit einer windigen Umfrage zu manipulieren: "87 Prozent der Leser fordern: Guttenberg muss bleiben."

Fakt war, dass sich der Minister, statt sich einmal in aller Offenheit für seine Fehler zu entschuldigen, scheibchenweise selber demontiert habe, wie die Leiterin der Parlamentsbüros des Tagesspiegels, Tissy Bruns, scharfsinnig bilanzierte. "Er hat getäuscht." So einem konnten auch die Wähler am Ende nicht mehr vertrauen.

"Baron zu Guttenberg dankt ab: Volk wütend, Politik blamiert?", mit dieser rhetorischen Frage hatte Sandra Maischberger vom ARD-Brennpunkt in ihre Talkrunde übergeleitet. Eigentlich wollte sie an diesem Abend mit dem letzten noch lebenden Playboy Rolf Eden über die Frage diskutierten: "Triebe statt Hirn - warum hat Sexualität eine solche Macht?"

Doch vor dem Hintergrund des Rücktritts von Deutschlands schillerndstem Minister rutschte dann doch wieder jener Dauerbrenner auf ihre Agenda, der schon Gegenstand ihrer letzten Sendung gewesen war: "Der Schummelbaron - Frechheit siegt?"

Eine Frage, die seit dem gestrigen Dienstag eindeutig verneint werden kann - egal, ob Nikolaus Blome das passt oder nicht. Blome leitet das Parlamentsbüros der Bild-Zeitung. Sein Blatt hatte den schneidigen Adelsspross zum Medienliebling hochgejazzt. Den "Gutti-Flüsterer", so nennt man ihn in Berlin.

Der Rücktritt des Ministers ist eine peinliche Blamage für die Bild. Und entsprechend wortreich war Blome bemüht, die Strategie seines Blattes zu verteidigen. Der spitznasige Meinungsmacher redete sich dabei um Kopf und Kragen. Er agierte wie ein ertappter Sünder in einem Schurkenstück.

Wie er die Fingerspitzen im schrägen Winkel aufeinanderstellte und den direkten Blickkontakt mit der Guttenberg-Kritikerin Tissy Bruns mied, erinnert er ein wenig an den hinterlistigen AKW-Betreiber aus der beliebten Zeichentricksfilmserie The Simpsons: Montgomery Burns.

Neuer Tatort zum Zündeln

Kein Wort des Bedauerns über den Abgang jenes Mannes, der die Bild in den vergangenen Wochen zuverlässig mit Schlagzeilen versorgt hatte. Konnte sich der ehemalige Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) immerhin zu dem Statement aufschwingen, menschlich tue ihm der Rücktritt Guttenbergs Leid ("unter politischen Aspekten war er überfällig"), eierte Blome auffällig um den Brand herum, den er selber mitverursacht hatte.

Guttenberg tritt zurueck

Letzter Drehtag für die Seifenoper: Karl-Theodor zu Guttenberg nach seiner Rücktrittserklärung am gestrigen Dienstag.

(Foto: dapd)

Den Blick auf den Boden geheftet, murmelte er etwas von den Karten, die sich der Minister in der Nacht vor seinem Rücktritt wohl selber gelegt hatte. Über die bröckelnde Zustimmung der CDU spekulierte er und darüber, ob die Bevölkerung zu Guttenberg zuletzt noch gedeckt habe.

Eine 180-Grad-Wende? Nein, so weit trieb ihn Sandra Maischberger mit ihren ungewohnt provokanten Fragen leider nicht. Und so ruhten alle Hoffnungen auf Michel Friedman. Der sonst so angriffslustige TV-Moderator wäre der Einzige in der Runde gewesen, dem man zugetraut hätte, dass er die Mechanismen der Medienmaschine hinter dem Aufstieg und Sturz des Bild-Ministers offenlegen könnte.

Doch stattdessen gefiel sich Friedman in der Rolle des Wolfes, der Kreide gefressen hatte. Vor dem Hintergrund seiner Biographie war das verständlich. 2003 war er selbst von all seinen Ämtern zurückgetreten, nachdem bekannt wurde, dass er Kontakt mit dem Rotlichtmilieu hatte. So gesehen war er gut beraten, sich mit polemischen Angriffen zurückzuhalten. "Wenn ein Politiker zurückgetreten ist, dann trete ich nicht mehr nach." Für den Zuschauer war das bedauerlich. Denn außer dem hyperventilierenden Geschichtsprofessor Arnulf Baring taten die übrigen Gäste zwar so, als hätten sie den Rücktritt schon vor Wochen nach einem Besuch bei dem schielenden Opossum Heidi vorhergesehen. Auf eine Antwort auf die Frage, ob dieser Schritt der Anfang vom Ende der Regierung Merkel bedeutet, wollten sich jedoch weder der Generalleutnant a. D. und ehemalige Brandenburger Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) noch Scharping festnageln lassen.

Am Ende war es ausgerechnet Nikolaus Burns, pardon, Blome, der sich die Maske vom Gesicht riss. Kaum hatte er sich die Finger an der Causa zu Guttenberg verbrannt, da hatte er schon einen neuen Tatort zum Zündeln ausgespäht.

Die Folgen für die bevorstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg seien verhängnisvoll, orakelte er. "Die einen werden die CDU aus Mitleid wählen, die andere werden gar nicht erst hingehen." Ja, es werde sich der Trend fortsetzen, der sich schon bei den jüngsten Bürgerschaftswahlen in Hamburg abgezeichnet habe, wo nur noch jeder Zweite sein Kreuz gemacht habe.

Täuschte der Eindruck, oder konnte sich Blome nicht entscheiden, ob er ätzen oder frohlocken sollte? Einer wie Guttenberg, verkündete er salomonisch, habe die Kirche wenigstens voll gemacht. Er habe auch die erreicht, die sonst keinem Politiker zuhören. Ja, seinen Glamour-Faktor könne keiner ersetzen.

Wer wollte, konnte diese Kampfansage auch als Werbeslogan für das vorerst letzte Kapitel der Seifenoper um Gutti verstehen. Wie titelt bild.de heute:? "Die 12-Tage-Schlacht um Karl-Theodor zu Guttenberg."

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